Der Brennstoff der digitalen Wirtschaft scheint aufgebraucht zu sein. Die Träume des unerschöpflichen, kostenlosen, weil werbefinanzierten Informationsangebotes, muten im Rückblick naiv und unausgegoren an. Reifere Anbieter sind sich bewusst, was ihre Angebote wert sind. Ihre Preise sind zwar gering, aber auch mit Kleinstbeträgen lässt sich im Internet Geld verdienen.

Ausgebrannte Marketing-Budgets, einbrechende Werbeeinnahmen, überhöhte Erwartungen – die Realität hat viele internetbasierte Geschäftsideen und Utopien heimgesucht, wie der Sensenmann. Geschlossene oder verkleinerte Internetredaktionen zeugen von dieser Entwicklung ebenso, wie nicht mehr existente oder schlicht aufgekaufte Angebote.

Nicht nur die ausgebliebenen Einnahmen aus der Werbung und der erhofften Wunderwaffe des Community-Building, also dem Aufbau von Online-Gemeinschaften, die sowohl inhaltlich zum Angebot beitragen, wie auch durch geschickte Profilbildung eine zielgerichtetere Werbefokussierung erlauben (wie
www.uni.de oder
www.hausarbeiten.de) belasten der Branche. Besonders im Bereich der Online-Periodika machen Service-Anbieter sich gegenseitig Konkurrenz, wenn sie ihr komplettes Offline-Angebot im Internet gratis bereitstellen, zum Beispiel mittels durchsuchbarer Archive, die inzwischen mehrere Jahre zurückreichen und sowohl im Netz als auch als Archiv-CDs vermarktet werden.

Die Service-Anbieter, an denen der Kelch des Zusammenbruchs bisher vorübergegangen ist, kommen zu der Erkenntnis, dass auch bezahlte Informationsangebote nicht umsonst sein müssen. Neben ungelösten Fragen zum Copyright digitaler Informationen ist gerade das Erschließen neuer Erlösquellen und Käuferschichten durch flexible Preisgestaltung – durch Preise überhaupt – ein wichtiger Faktor, der sich auf das Fortbestehen vieler guter Angebote im Netz auswirken kann. Auf der Suche nach neuen Finanzmitteln, um zu überleben und das Angebot aufrechtzuerhalten, wird ein großes Tabu gebrochen: Information im Netz werden kostenpflichtig, von der Musik bis zum geschriebenen Wort.

Erste Versuche wurden bereits unternommen. Im Bereich der Musik zeigt das Beispiel
Bertelsmann / Napster, wie es nicht funktioniert. Das Download-Angebot der Songs bei
Napster zum Pauschalpreis ist sehr begrenzt und wird wohl an der fehlenden Nutzerbereitschaft scheitern. Solange nämlich alternative kostenlose Angebote wie das
Gnutella-Netzwerk bestehen, wird wohl kaum einer auf die Preisvorstellungen von Bertelsmann / Napster eingehen. Da auch hohe
Bandbreite, ohne die der Musik-Download eh keinen Spaß macht, weiterhin Zukunftsmusik bleiben dürfte, wird sich zumindest hierzulande die gewünschte Nachfrage nicht so bald einstellen.

Den Anbietern von Text- und Bilddokumenten stellen sich ganz andere Probleme. Die Bereitschaft, für das Angebot Geld zu bezahlen, ist hier allerdings viel eher vorhanden – gerade wenn es um spezialisierte oder aktuelle Information geht. Ganz weit vorne stehen die Online-Angebote von offline erscheinenden Zeitungen, Magazinen oder Fachpublikationen. Vor allem die inzwischen recht umfangreichen, digitalisierten Archive bieten einen großen Mehrwert, für den sich durchaus Geld verlangen lässt. Schließlich werden CD-ROM, auf der mehrere Jahrgänge nach Schlagworten durchsuchbar sind, auch nicht gratis abgegeben.

Ein kostenpflichtiges Angebot im Text-Bereich scheint vor allem dann sinnvoll, wenn ein tatsächlicher Mehrwert geboten wird, zum Beispiel eine umfassende Recherchemöglichkeit, Angebote an Zusatzinformation oder hoch spezialisiertes Expertenwissen.

Für die Recherche in zahlreichen Zeitungsarchiven wird bereits Geld verlangt, oftmals in Form einer Pauschale, die sich nicht nach der Menge der tatsächlich genutzten Information richtet. Natürlich gibt es mittlerweile auch die Internet-Variante zum klassischen Zeitungsabo: Das Online-Abo. Auch hier wird bereits am Eingang der Eintritt kassiert, egal ob man tatsächlich eintritt und das Angebot nutzt oder einfach nur ab und zu mal vorbeischaut. Ähnlich wie bei einem Zeitungsabonnement wird auch mitbezahlt, was ungelesen ins Altpapier wandert.

Eine Alternative dazu wäre, nur die verwendete Information, den gelesenen Artikel, und nicht alle bereitgestellten Beiträge in Rechnung zu stellen. Der Griff in das Portemonnaie der User erfolgt dabei relativ behutsam. In der Manier eines Supermarktes kann der Besucher in den Archiven stöbern und nach Artikeln, Beiträgen oder andere Information suchen. Zwar offenbart sich dem Interessierten nicht der volle Text – schließlich isst man die Pizza ja auch nicht vor dem Kauf – er kann aber der Zusammenfassung entnehmen, um was es geht. Wenn dies nicht seinem Geschmack entspricht, kann er das Angebot verlassen, ohne etwas gekauft zu haben. Selbst der böse Blick der Kassiererin fällt weg.

Wird etwas von Interesse gefunden, dann ist die Hausarbeit, der Artikel aus dem Fachmagazin oder das Bild des Playmates von vor 4 Monaten nur ein Klick-and-Pay entfernt.

Der Nutzer profitiert von dieser pay-as-you-go-Variante vor allem dadurch, dass er im Gegensatz zu einem Abonnement (sowohl on- als auch offline) tatsächlich nur für das bezahlt, was er auch tatsächlich an Information konsumiert. Anbieter können ihrerseits Preise staffeln, zum Beispiel nach Umfang oder Aktualität eines Artikels.

Die pay-as-you-go-Methode ist allerdings mit dem Problem behaftet, dass pro Artikel nur Kleinstbeträge berechenbar sind (das sogenannte Micropayment). Solche Beträge mit dem Kunden abzurechen, gleich ob per Kreditkarte oder per Rechnung, bringt einen im Verhältnis großen Verwaltungsaufwand und hohe Gebühren mit sich, so dass letztlich wenig für die eigene Kasse bleibt.

Während ein Supermarkt erst ab einem gewissen Betrag auch andere Bezahlmöglichkeiten als Bargeld anbietet, stehen Online-Angebote so wieder am Anfang der Problemkette.

Um diese zu durchbrechen, haben sich viele angestrengt neue Konzepte zu Online-Bezahlung ausgedacht, wie zum Beispiel eCash oder Cybercash. Groß gestartet, mit mindestens einer renommierten Bank im Rücken (
eCash mit der
Deutschen Bank,
Cybercash mit der Commerzbank und der Dresdner Bank) fordern die Firmen den Zahlwilligen auf, sich mit einer neuen Software auszustatten, ihr separates Cyber-Konto zu füllen und loszushoppen.

Inzwischen wird das Projekt “eCash” ‘unter ferner liefen’ geführt. Auf der Webseite der Cybercash GmbH werden noch zahlreiche Partner genannt, stichprobenartige Tests zeigen aber keine Spuren dieser einst so groß angekündigten Idee.

Der Grund für das Versagen: Die Käufer wollen sich nicht so recht mit der fremden Zahlungsidee anfreunden und scheuen sich, sie einzusetzen. Schließlich muss eine zusätzliche Software installiert und Geld vorab überweisen werden, nur um dann doch fast nirgendwo einkaufen zu können. Ach die Anbieter halten sich zurück und zeigen wenig Bereitschaft, die notwendigen Vorbedingungen zu schaffen. Die kritische Masse wurde auf beiden Seiten nie erreicht um flächendeckende Akzeptanz für das Cybercash zu erreichen. Zudem ist das Vertrauen in die Sicherheit derartiger Online-Transaktionen noch immer nicht allzu groß.

Um die Fixkosten, die bei einer Transaktion mit Kleinstbeträgen (Micropayments) entstehen, zu reduzieren, bündeln Anbieter in Deutschland, wie
paybox oder
firstgate, die Abrechnung der Zahlungen eines Kunden und buchen diese monatlich ab, ähnlich wie ein Kreditkartenunternehmen. Dadurch sinken die Gebühren, die pro Transaktion entstehen würden, z.B. Bankgebühren, Provisionen an Kreditkartenfirmen etc.

Zusätzlich sinken die Einrichtungskosten enorm, da die technische Infrastruktur des Abrechnungsanbieters genutzt wir. Folglich kann das eigentliche kostenpflichtige Angebot auch auf einem fremdgehosteten, kostengünstigen Server abgelegt werden. Probleme wie eine übliche SSL-Verschlüsselung oder gesicherte Datenbanken werden einfach ausgelagert.

Der Kunde bemerkt davon nur insofern etwas, als er nach dem Klicken auf einen kostenpflichtigen Link, der zu jeglichen internettauglichen Inhalten führen kann, zuerst umgeleitet wird auf den Server des Abrechnungsproviders. Dort werden die Kundendaten aufgenommen, inklusive der Bankverbindung. Ist der Kunde bereits registriert verkürzt sich dieser Schritt auf ein einfaches Login. Für den Kunden von Vorteil ist, dass er seine sensiblen Daten nur ein einziges Mal, nämlich bei der Anmeldung beim Zahlungsanbieter, eingeben muss. Danach werden Daten übermittelt, die nur mittelbar für einen Dritten verwertbar sind. Bedenkt man, dass es keine absolute Datensicherheit im Internet geben kann ist durch diese Prozedur das mögliche Höchstmaß an Datenschutz und -sicherheit gewährleistet.

Hat der Kunde diese Anmeldeprozedur erfolgreich beendet, wird die Zahlung auf seinem Konto vermerkt und zum Ende des monatlichen Abrechnungszeitraumes mit seinen anderen Zahlungen abgebucht. Der User gelangt unterdessen auf den bezahlten Inhalt, den er herunterladen und respektive einsehen kann.


eCash Grafik

Der Verwaltungsaufwand auf Seiten des Info-Anbieters ist somit denkbar gering, da er nur mit einer Einrichtung abrechnen muss. Die Verwaltung des kostenpflichtigen Angebots erfolgt ebenso simpel, nämlich durch ein einfaches Web-Interface, auf dem Preise, Sonderangebote und die bepreisten Informationen administriert werden können. Da muss nur noch das Angebot stimmen und für kaufbereite Interessierte verfügbar sein.

Diese Möglichkeit der Abbuchung von Kleinstbeträgen eröffnet vor allem Nischenanbietern neue Kundenfelder, da diese in den meisten Fällen von Kunden abgerufen werden, die sie genau in diesem Moment benötigen und aus diesem Grund nicht an einem Abonnement interessiert sind. Die Kundenbindung ist gerade bei diesen Anbietern schwierig bzw. auch nicht unbedingt ein Ziel.

Aber auch größere Anbieter, wie die
Stiftung Warentest, der
Focus oder der
Playboy setzen auf diese Methode, da sie für den Kunden Vorteile gegenüber einem Abonnement bietet, wodurch sich eventuell auch neue Käuferschichten erschließen lassen. Der Vorteil liegt hier ebenfalls in der Möglichkeit des einmaligen Kaufs ohne weitere Verpflichtungen. Überzeugt die Information kann immer noch ein Abonnement angeboten werden.

Die Information muss natürlich ihren Preis wert sein, denn nur weil man für etwas Geld verlangen kann, hat man noch kein Geschäftsmodell. Allerdings bieten Micropayments die Möglichkeit, Nischen gerade für spezialisierte Informationsanbieter zu schaffen. Vom aktuellen Computertest hin zu aktuellen Nachrichten über Aktiengesellschaften oder die Hausarbeit über das Paarungsverhalten indischer Laubfrösche.

Erschienen am 24.01.2002