Nach den Utopien des Internet geht es jetzt um die Bewahrung des Ist-Zustandes. Neue Stiftungen wollen jetzt bei den Spielregeln mitreden. Kommt es zu einer Gründungswelle?

Von den einstigen hochtrabenden Hoffnungen, die im neuen Medium Internet unbegrenztes Potenzial zur
Demokratisierung der Gesellschaft gesehen haben, ist wenig geblieben. Szenarien, in denen der Bürger mit Hilfe des Internet zum aktiven (Mit-) Entscheider in sämtlichen politischen und sozialen Lebensbereichen wird, haben sich bis heute bekanntlich nicht in der Weise erfüllt. Doch nicht alle Enthusiasten der ursprünglichen Idee geben sich geschlagen. Insbesondere zwei Stiftungen lassen aufmerksam werden. Beide Initiativen legen ihr Augenmerk auf die Gestaltung und Weiterentwicklung der digitalen Realität mit der Absicht, Netzpolitik mitzugestalten. Handelt es sich bei diesem Phänomen um Einzelerscheinungen oder um einen neuen Trend, der an die anfänglichen Utopien wieder anknüpft?

Bürgerrechte in der digitalen Gesellschaft

Auf aktuelle Bestrebungen, die Spielregeln der Realität im Internet neu zu definieren, reagiert die Stiftung
bridge, die Frank Hansen im Juni diesen Jahres ins Leben gerufen hat. bridge steht für Bürgerrechte in der digitalen Gesellschaft und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Beschränkung der Rechte des Bürgers im Netz auf die öffentliche Agenda zu setzen. Ziel von bridge ist es, „die positiven gesellschaftlichen Auswirkungen der Einführung von Computertechnologien auf Selbstbestimmung und freie Kommunikation“ zu bewahren und selbstbestimmte und unkontrollierte Kommunikation der Menschen untereinander zu schützen. Gefahren drohen der unzensierten und privaten Kommunikation z.B. durch die bereits durchgesetzte
Verschärfung des Urheberrechts und die von der EU angedachte
Patentierung von Software. Mit immer leistungsfähiger werdenden Überwachungstechnologien hielte die digitale Kontrolle schleichend Einzug in die Zivilgesellschaft.

Brainstorming für freie Kommunikation

Um die Öffentlichkeit gegen diese Tendenzen zu mobilisieren, hat der Stifter Frank Hansen 15000 € für einen Ideenwettbewerb ausgeschrieben, mit dessen Hilfe ein geeignetes Konzept für die geplante Awareness-Kampagne gefunden werden soll. Noch bis zum 1. Oktober nimmt die Stiftung
Vorschläge entgegen, wie online und offline die Aufmerksamkeit auf die Konstitution des noch öffentlichen Raumes im Internet gelenkt werden kann. Möglich wurde die Gründung der Stiftung Bridge durch die Organisation „
Bewegungsstiftung“, die als Dachorganisation von Stiftungen, Anstöße für soziale Bewegungen geben will. Die Bewegungsstiftung“ betreut Stifter und solche die es werden wollen mit Know-how und gibt potenziellen Wohltätern Hilfestellungen, wie sie ihr privates Vermögen für eine soziale Zwecke einsetzen können.

Visionen der Informationsgesellschaft

Ähnlich gelagerten Themenkomplexen nimmt sich die
Wau-Holland-Stiftung an. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, das Lebenswerk Wau Hollands archivarisch aufzubereiten, um es der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Dabei orientiert sich die Wau Holland Stiftung an den Ansichten und Überzeugungen des legendären Gründers des Chaos Computer Club, der sich bereits sehr früh für die Meinungs- und Informationsfreiheit im Netz engagiert hat. Der erbitterte Gegner jeglicher Zensur war überzeugt davon, dass eine Gesellschaft, die Wissen und Information teilt, zum größten Nutzer aller ist. Daher war Wau Holland gegenüber Ansätzen, die die Freiheit der Nutzer im Umgang mit Informationsgütern einschränken wollten, kritisch eingestellt. Wie er einmal gegenüber dem Netzmagazin Telepolis äußerte, ist es wichtig, „aufmerksam zu sein und Probleme öffentlich mitzuteilen. Die Freiheit lebt von der Initiative ihrer Bürger.“ Die Stiftung wird nach und nach in einem Schriftenarchiv sämtliche Texte und Veröffentlichungen des profilierten Medien- und Gesellschaftskritikers erfassen und per Schlagwort zugänglich machen. Darüber hinaus legt die Wau Holland Stiftung ihren Schwerpunkt auf die intelligente Weitergestaltung der durch Informationstechnologie generierten digitalen Welt. Ganz im Sinne des kreativen Visionärs initiiert, begleitet und fördert die Stiftung Projekte zur digitalen „AlphaBiTisierung“, die technischen Geräten zum Wohl des Menschen „Zusatznutzen“ abringen wollen.

Digitale AlphaBitisierung für den Menschen

In diesem Rahmen widmet sich die Wau Holland Stiftung der Entwicklung und Anwendung einer Kurzschrift. Diese besteht aus Lautkürzeln, die auf der Tastatur eingegeben werden und dann am Bildschirm in gewöhnliche Buchstaben umsetzt werden. Mit Hilfe dieses Informationswerkzeugs kann einerseits das Schreibtempo wesentlich erhöht werden und andererseits Analphabeten der Zugang zum Lesen erleichtert werden. Ein weiteres Betätigungsfeld der Organisation ist die Gründung einer Computerschule für im Krieg verwundete Kinder. Dadurch, dass diese den Umgang mit dem Computer und die Orientierung in der Informationswelt lernen, sollen sie die Chance erhalten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und aktiv an der Informationsgesellschaft teilzunehmen. Damit wird das soziale Engagement des innovativen Vordenkers weitergeführt, der zuletzt Kindern und Jugendlichen an den Umgang mit dem Computer herangeführt hat. Mit dem Sammeln und Aufbereiten von Informationen beschäftigt sich das Projekt „Datengarten“. Diese werden aus dem „Datenwald“ gewonnen, um dann in einer Kombination aus Archiv und News, im sogenannten „Datengarten“ gelistet zu werden. Ausgehend von der Devise, dass Leser mehr über ein Buch wissen als der Schreiber selbst, werden nicht nur offizielle Quellen aufgenommen, sondern auch Fragen und Kommentare der Nutzer. Anhand von ähnlichen Fragestellungen können Sachverhalte vernetzt, vertieft und somit daraus resultierende Handlungen von jedem Bürger beeinflusst werden.