ArtikelbildDigiArbeit„Um fünf fällt der Hammer“, so heißt es umgangssprachlich zum Ende des Arbeitstags. Nur hat das mit der Realität vieler Arbeitnehmer nichts mehr zu tun, weil deren Werkzeuge klein und mobil sind. Eine Podiumsdiskussion des D64 widmete sich den Veränderungen der Arbeitswelt, die von der Digitalisierung angetrieben werden. Helfen Laptops und Smartphones im Arbeitsalltag – oder sprengen sie den Feierabend?
Vier Diskutanten aus Politik, Journalismus und Unternehmen wollten – moderiert von der Autorin und Politkberaterin Teresa Bücker – den Chancen und Risiken der digitalen Arbeitsvernetzung nachspüren. “Die Veränderung der Arbeitswelt – wird durch die Digitalisierung alles besser?” Das Fazit der D64-Veranstaltung war ein eher oberflächliches „sowohl als auch“. Zumal das Gespräch auch in die Bereiche Arbeitsdruck und -organisation ausfranste, in denen die Digitalisierung ein, aber nicht der einzige Bestimmungsfaktor ist. Aus der Vogelperspektive wurden aber immerhin die Kräfte sichtbar, die der beschleunigten Arbeitswelt ihre Prägung geben: Digitalkommunikation, Organisationsreform und Konkurrenzdruck.

Trauen Sie sich, nein zu sagen

Die Experten im sichelförmigen Sitzkreis waren sich darüber einig, dass die High-Speed-Kommunikation über Mail und Messenger Fluch und Segen zugleich ist. Ein Agenturmitarbeiter aus dem Publikum, Vertreter der digitalen Boheme aus Berlin Mitte, goss die Erkenntnis anschließend in zwei treffende Sätze: „Am Anfang habe ich gedacht: ‘Toll, ich kann arbeiten, wo auch immer ich bin’. Ein Jahr später dann: ‘Mist – wo auch immer ich bin, muss ich arbeiten’“.
Was aber können Mitarbeiter tun, deren Chefs ihnen in die Freizeit spammen? Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD, sprach sich für gesetzliche Schranken aus, obgleich er das viel diskutierte VW-Modell (Shutdown des Mailservers nach Dienstschluss) für unpraktikabel hält. Die Lösung des Volkswagen-Konzerns befürwortete keiner der Teilnehmer, Konsens war jedoch eine bedachte Unternehmenspolitik. SAP-Organisationsexpertin Petra Meyer appellierte an die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter: Niemand sei gezwungen, immer sofort auf Mails zu antworten. Man könne auch „einfach mal nein sagen“.

Raus aus dem Büro

Räumlich und zeitlich flexiblere Arbeit, das „Home Office“, hat die klassischen Nine-to-Five-Grenzen aufgeweicht – besonders in der Kreativszene. Das wurde beim D64-Gespräch auch als Chance gesehen, unterschiedliche Freizeitvorstellungen und Familienleben mit der Arbeit zu vereinbaren. Lars Klingbeil sah „Emazipationspotential durch digitalisiertes Arbeiten“. Flexible Arbeit setze sich mehr und mehr durch, wie der Journalist und Sachbuchautor Markus Albers (“Morgen komm ich später rein”) konstatierte. Sowieso müsse die Arbeit vermehrt am Ergebnis, nicht an der Arbeitszeit gemessen werden. „Wir alle kennen das: Man sitzt nur noch im Büro, weil man da eben sitzen muss“. Der Begriff zum Befund heißt „Boreout“, abgeleitet vom englischen Adjektiv „boring“ („langweilig“).

Arbeiten im Zeitraffer

Für viele hat der Arbeitstakt jedoch längst eine Geschwindigkeit erreicht, die als Belastung empfunden wird. Petra Meyer von SAP kennt das aus der Software-Branche, wo kürzere Entwicklungszyklen bewirken, dass das Tempo „gefühlt mehr als doppelt so schnell“ geworden ist – was freilich nicht allein eine Folgewirkung neuer Kommunikationstechnologie ist, sondern vornehmlich im Konkurrenzdruck der Globalökonomie begründet liegt. Konsequenz, so oder so, kann jedoch lauten: Burnout. Bei SAP habe sich deswegen auf Initiative der Mitarbeiter ein Arbeitskreis ehemalig Betroffener zusammengefunden, der Unterstützung anbietet und für Warnsignale sensibilisiert.
Igor Schwarzmann von der Mini-Agentur “Third Wave” will das innere Feuer mit einer innovativen Wochenarbeitsplanung am Brennen halten. An vier Tagen wird normal gearbeitet, am fünften sind Meetings, Mails und Telefonate Tabu – stattdessen ist Muße für Lesen und Lernen, denn “Multitasking klappt nicht.” Auch 2013 muss der Hammer noch fallen dürfen.
Bilder: Michael Panse (CC BY-ND 2.0), MIKI Yoshihito (CC BY 2.0)