Der ehemalige Dean-Berater und erfolgreiche Weblogger Markos im Interview: Wer Dean diskreditieren und die Nutzung neuer Technologien für politische Zwecke in Verruf bringen will, wird enttäuscht werden. Übersetzung von Stefanie Dowe.

Der ehemalige Dean-Berater und erfolgreiche Weblogger Markos im Interview: Wer Dean diskreditieren und die Nutzung neuer Technologien für politische Zwecke in Verruf bringen will, wird enttäuscht werden. Übersetzung von Stefanie Dowe.

Markos Moulitsas ZúnigaMarkos Moulitsas Zuniga ist der Kopf des politischen Weblogs
Daily Kos, einem der erfolgreichsten in den USA. Er ist ein typischer Vertreter seiner Zunft. Begonnen hat alles in San Francisco, wo er nach dem Jurastudium in Boston hinzog um seine ersten dot.com Millionen zu machen. Der Traum des 1971 geborenen Sohnes eines griechischen Vaters und einer salvadorianischen Mutter wurde durch den Zusammenbruch des New Economy Booms zerstört. Daraufhin gründete er seine eigene politische Unternehmensberatung und beschäftigt sich mit dem Aufbau von Online-Communities für Kampagnen auf House-, Senats- und Gouverneursebene. Seine Firma war beratend in der Dean Kampagne tätig und Teil der “Draft Clark” Bewegung. Während seiner Armeezeit von 1989 bis 1992 hat Markos in Bamberg, Bayern gelebt. “Ich hatte einen Computer während ich in der Armee war. Dieser war jedoch nicht ans Internet angeschlossen. Ich habe ihn zum Briefe schreiben und Spiele spielen benutzt”, schildert Markos seine Zeit in Deutschland. Sein Spitzname während der Armeezeit “Kos” stand bei der Namensgebung des Netztagebuches Pate.

politik-digital.de: Daily Kos ist ein politisches Weblog. Was ist der Kerngedanke des Projekts? Wird es nur von dir in Berkeley, Kalifornien umgesetzt?

Markos: Daily Kos besteht nur aus mir, obwohl ich inzwischen zahlreiche Gastbeiträge benutze, um meine Arbeitslast zu erleichtern. Ich habe die Website direkt nach dem Krieg in Afghanistan im Frühjahr 2002 aufgebaut, als sich Amerika mitten im Patriotismus-Fieber befand. Bush zu kritisieren wurde als unpatriotisch bezeichnet. Ich konnte jedoch sehen, dass die Bush-Politik in unserem Land großen Schaden verursachte. Daher ereiferte ich mich bei meinen Kollegen über den Horror der Bush Administration, obwohl ich wusste, dass diese genug von meinem Gerede hatten. Deshalb suchte ich nach einer anderen Möglichkeit meine Frustration auszudrücken und startete Daily Kos. Ich habe nicht erwartet, dass es so ein Erfolg werden würde. Am Anfang wollte ich einfach nur schreiben, um mit der politischen Situation unseres Landes klarzukommen.

politik-digital.de: Ich habe gelesen, dass du als bezahlter Berater für Dean arbeitest. Ist Daily Kos Teil der offiziellen Kampagne und in welcher Art und Weise arbeitest du zur Zeit für Dean?

Markos: Im Moment machen wir nichts für die Kampagne von Dean. Meine Firma hat zu Beginn des Wahlkampfes für Dean gearbeitet (Ende 2002 und Frühjahr 2003). Kurz gesagt haben wir sie hinsichtlich des Aufbaus einer Online Community unter zu Hilfenahme von Blogs und Meetups beraten. Diese Tage liegen lange zurück.

politik-digital.de: Was ist der Unterschied zwischen deinem Blog und dem offiziellen “Dean For America” Blog (DFA)?

Markos: Das DFA Blog ist ein offizielles Kampagnen-Kommunikations-Tool. Daily Kos war nie und ist nicht mit der Dean Kampagne verbunden. Es ist einfach nur mein kleiner Beitrag. Obwohl ich ein Befürworter von Dean bin, kommen einige der Gastbeiträge meiner Site von Clark oder Edwards oder Gephardts Unterstützern.

politik-digital.de: Ändert das Internat als Kampagnen-Tool die Art der Politik? Oder ist dies nur ein Mythos und Dean ein dot.com Crash? Handelt es sich um einen Kampf zwischen altmodischer und moderner Kampagnenführung, zwischen alten Massenmedien und neuen Medien?

Markos: Das Internet brachte Dean 40 Millionen Dollar und Hunderttausende freiwillige Unterstützer. Die Kampagne verschwendete das Geld an unwirksamen Fernsehspots und missbrauchte die Unterstützer. Die Tatsache, dass Dean abstürzte, hatte nichts mit dem Internet zu tun. Wir haben unsere Rolle sehr gut erfüllt. Die Wahlkampfleiter und Medienbeauftragten haben jämmerlich versagt. Tatsache ist, dass jeder Kandidat heutzutage ein Blog hat. Jeder Kandidat versucht eine Online Community aufzubauen. Es ist ein wesentliche Vorraussetzung, um jeden großen Wahlkampf voranzubringen. Anders gesagt: Gore benutzte im Jahr 2000 Fernsehwerbung und verlor. Fernsehwerbung wird also überbewertet. Das scheint absurd, nicht wahr? Ist es. Das Internet ist nur ein Tool. Es kann bei einer Wahl eine große Rolle spielen (sieh, was es Dean gebracht hat). Letzten Endes ist das Internet jedoch nur eines von vielen Tools in der Kampagnen-Box. Wenn die anderen Tools nicht richtig genutzt werden, wird die Kampagne misslingen. Es gibt eine Menge Berater und politische Insider, die sich an Dean´s Fall ergötzt haben. Sie verstehen das Internet nicht und wollen lieber, dass alles so bleibt wie es ist. Sie sprechen nicht die Sprache des Internets mit “Blogs” und “Meetups”, mit “Comment Threads”, “Trolls” und “Flames”. Wenn diese Leute Dean diskreditieren, denken sie, damit die Nutzung neuer Technologien für politische Zwecke in Verruf zu bringen. Solche Leute werden enttäuscht werden.

politik-digital.de: Warum benutzt du ein Weblog und nicht eine normale Website? Was ist der Vorteil deines Weblogs?

Markos: Weblogs benutzen eine Software, die auf einfache und schnelle Weise Aktualisierungen ermöglichen. Ich hatte vor langer Zeit (in den späten 90ern) schon einmal ein “Blog”. Damals musste ich dieses jedoch jeden Tag per HTML aktualisieren. Das war extrem anstrengend.

Außerdem hat das Blog-Format – mit ständig aktualisierten Nachrichten auf der Homepage – eine großartige Nutzeroberfläche. Die Nutzer finden die gesuchten Informationen ohne durch eine Vielzahl von Seiten klicken zu müssen. Sie können sofort sehen, ob die Website aktualisiert wurde. Zusätzlich erlaubt die Kommentar-Funktion den Nutzern inhaltlich zur Seite beizutragen. Daily Kos ist daher nicht ein einseitiger, langweiliger Kommunikationsstrom. Es gleicht eher einer Gemeindesitzung, in welcher alle über ihre Anliegen berichten können. Ich bin so eine Art Bürgermeister, welcher die Regeln und die Tagesordnung bestimmt. Daily Kos ist jedoch sehr viel größer als ich.

politik-digital.de: Wer nutzt Daily Kos? Jung, männlich …? Wie viele Besucher hat die Website am Tag?

Markos: Die Altergruppen sind überraschender Weise sehr gleichmäßig verteilt. Es besuchen nicht nur junge Leute die Site, jedoch sind es überwiegend männliche Nutzer. Männer sind den Frauen 60 Prozent zu 40 Prozent zahlenmäßig überlegen. Der Besucherdurchschnitt liegt bei 100.000 Besuchen pro Tag. Während der Woche kommt die Website täglich auf ca. 120.000 Besuche. An Wahltagen haben wir sogar ca. 150.000 Besuche.

politik-digital.de: Gibt es irgendwelche schmutzigen Tricks in den Kampagnen?

Markos: Außer Push-Polling wurde nicht viel über schmutzige Tricks berichtet. Jede Kampagne benutzt Tricks und es wird sehr schmutzig in der landesweiten Wahl gegen die Republikaner werden. So weit ich weiß, war Kerry´s Organisation als einzige in schmutzige Tricks verwickelt, aber ich habe keine Beweise.

politik-digital.de: Du beobachtest die etablierten Medien. Möchtest du eine Gegen-Öffentlichkeit schaffen und die öffentliche Meinung beeinflussen?

Markos: Das ist die Idee. Die USA basierte auf politisch verfärbten Medien. Erst seit kurzem versuchen die etablierten Medien fair und ausgewogen zu sein. Das ist jedoch nicht möglich. Mir wäre es lieber, wenn Nachrichtensender ihre politischen Ansichten öffentlich kund tun würden, so wie in der britischen Presse. Das ist ehrlicher und erlaubt dem Leser die Informationen aufzunehmen, um die politische Ausrichtung ihrer Quelle wissend. Jeder bei Daily Kos weiß, dass ich ein Demokrat bin und Dean unterstütze. Sie können meine Beiträge daher unter diesem Gesichtspunkt betrachten. Sie können gerne unterschiedlicher Meinung sein und mich “vernichten”, wenn sie wollen.

Letztendlich glaube ich an den steigenden Erfolg der “Blogosphäre” – auf der rechten und linken Seite – , als Beweis dafür, dass sich die Leute nach klar positionierten Informationen sehnen. Dies führt vielleicht dazu, dass die großen Medienvertriebe (Zeitungen und Fernsehstationen) ihre politische Gesinnung stolz zeigen werden. Ich denke, dass damit unserem Land besser gedient wäre.

Noch eine Bemerkung. Ich bin nicht so sehr daran interessiert, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, sondern das Washington DC Insider Establishment. Ich möchte den politischen Prozess für Leute öffnen, die momentan desillusioniert und teilnahmslos sind. Ich denke, dass wir durch das Öffnen des Establishments und den Einbezug der Parteibasis entlang des Modells der Dean Kampagne die demokratische Partei neu beleben können – kleine Spender, aktive Unterstützer, die hart am Wahlerfolg der Demokraten arbeiten und die Richtung des Landes ändern.

politik-digital.de: Wer wird gewinnen? Dean, Kerry, oder Edwards? Gibt es noch eine Chance für Dean?

Markos: Wer weiß. Kerry liegt an der Spitze, aber auch Edwards ist gut dabei. Dean scheint ab vom Schuss, wird aber über mehr Geld als jeder andere verfügen. Ich gebe ihm eine 20prozentige Chance. Kerry 50 Prozent. Edwards 25 Prozent. Diese Zahlen werden sich höchstwahrscheinlich ändern, wenn die Ergebnisse weiterer Vorwahlen bekannt werden.

politik-digital.de: Vielen Dank für das Interview!