Die größte parteiunabhängige Wählervereinigung Deutschlands stellt sich im Internet vor. Sie kämpfen für mehr direkte Demokratie und gegen die etablierten Parteien.

Auf der Rückbank seines dunkelblauen Golfs sind noch ein paar Wahlplakate übrig. Die sonnig-gelben Poster hat Christoph Michalak aus eigener Tasche finanziert. „Der Merkel kleb’ ich am Rücken“, sagt er grinsend und krempelt die Ärmel seines blauen Hemdes hoch.

Die gelben Poster

Allein über 50 Plakate hat der gebürtige Krefelder am Pfingst-Wochenende eigenhändig auf die Rückwände der Wahlwerbeschilder der etablierten Parteien gepinnt. „Die reden doch nur über uns, nie mit uns“, sagt der 44-jährige Rheinländer wütend. Über 70 Prozent der Gesetze würden in Europa über die Köpfe der ahnungslosen Bürger hinweg beschlossen. Noch nicht einmal über die EU-Verfassung dürfte man abstimmen. „Das ist für mich keine Demokratie“, schimpft Michalak. Im Beruf, im Leben und vor allem in der Politik habe er sich vorgenommen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. In Berlin tritt er für die Europawahl als Direktkandidat für die Aktion
Unabhängige Kandidaten an. Gemeinsam mit elf weiteren Direktkandidaten in sieben verschiedenen Bundesländern plant die einzige parteiunabhängige Wählervereinigung erstmals einen gemeinsamen Wahlkampf.

Klein und stark

Auf ihrer eigenen Homepage verkaufen sie sich als Querköpfe und Freigeister. „Wir haben jeder unser Fachgebiet und unseren minimalen Konsens zum Ziel gemacht“, betont Michalak. Tatsächlich präsentiert sich die Vereinigung als ein bunter Mix aus Parteiverdrossenen, Idealisten und Aktivisten zwischen Anfang 30 und Ende 60. Vom Polier, Holzkaufmann über den Elektromeister bis zum Finanzwissenschaftler und EDV-Manager ist alles dabei. Ihr Hauptanliegen ist es, „der direkten Demokratie auf Europa- und Bundesebene Beine zu machen.“, heißt es in ihrer Broschüre. In ihrer Pressemitteilung berufen sie sich auf die Forsa-Umfragen im Auftrag von Stern und RTL, die herausgefunden haben, dass fast zwei Drittel der Bürger den Parteien keine Lösung der aktuellen Probleme mehr zutrauen. „Die effektive, langjährige außerparlamentarische Arbeit von Organisationen wie `Mehr Demokratie` und `Omnibus` muss in die Parlamente Europas und Deutschland getragen werden“, lautet ihr Grundtenor. „Wir sind so stark, weil wir so klein sind“, sagt Michalak und verweist auf die große Chance des Internets, das ihnen die Möglichkeit bietet, schnell und flexibel zusammenzuarbeiten. Per Email träten die Kandidaten ständig in Kontakt und über ihre Internetseite hätten sie schon viele Bürger erreicht. Sogar ihr selbstgedrehter Wahlwerbespot sei schon viermal im Fernsehen gesendet worden. „Dazu brauchen wir keine Millionen Euro, keine Spin-Doctoren und keinen aufgeblasenen PR-Apparat.“ Das Drehbuch für den Werbespot haben sie selbst entworfen und gedreht. „Und gesehen haben das 5 Millionen Menschen“, verkündet Michalak.

Vorbild Helmut Schmidt

Als selbstständiger Tischler und Möbelbauer möchte er vor allem die Arbeitssuchenden und Arbeitswilligen ansprechen. Er hat sich das Thema „Soziales und Arbeit“ auf die Fahnen geschrieben. In der kommenden Woche will er gemeinsam mit dem Bankbetriebswirt Peter Kribbel (39) aus Düsseldorf seinen unbezahlten Urlaub und Ersparnisse für eine Wahlkampftour opfern. Die Route soll vom Ruhrgebiet hoch in den deutschen Norden bis in die Lausitz gehen. An verschiedenen Stationen wollen sie Einladungen folgen, an Pressekonferenzen teilnehmen. „Hausbesuche als Polit-Kur“ oder „Gespräche in vertrautem Familien-, Vereins- und Förderkreis“ werden sie anbieten. Auch ein Interview mit der ZEIT steht an, erzählt Michalak und hofft, vielleicht sein großes Vorbild Helmut Schmidt, den ehemaligen SPD-Bundeskanzler und Mitherausgeber der Wochenzeitung, einmal persönlich zu sprechen.

Bin ich drin?

„Wir laden uns auch mal gerne selbst ein“, lacht der fröhliche Genosse und berichtet von der Pressekonferenz im Berliner Maritim Hotel. Dort sei er einfach reinspaziert, denn dort sollten Kandidaten für die Europawahl den Wahl-O-Mat-Test in Anwesenheit der Presse durchführen. Auf seine Frage, warum denn die Unabhängigen Kandidaten nicht mit auf der Liste stünden, bekam er eine schroffe Zurückweisung. Die 5-Prozent-Hürde solle er erst mal schaffen, hieß es seitens der Veranstalter. Aber das Interesse der Presse habe er geweckt, erzählt er stolz. „Plötzlich scharten sich so viele Journalisten um mich, dass ich gar nicht wusste, wem ich zuerst antworten sollte.“ Im Kand-O-Mat von politik-digital.de sind drei unabhängige Kandidaten aufgenommen worden. Natürlich sei es nicht realistisch, dass er bald im Europaparlament sitze, gesteht Michalak. Mehr als 1,5 Millionen Stimmen brauche er bei einer Wahlbeteiligung von 40 Prozent. „Aber der Weg ist das Ziel und die Grünen haben ja auch mal klein angefangen.“

Erschienen am 03.06.2004

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