In diesem Wahlzyklus wachsen Fernsehen und Internet noch näher zusammen. Dabei wird das Internet zu einer Infotainment-Plattform. Grob kann man die unterschiedlichen Elemente der „Web-Media“ in drei Kategorien unterscheiden: TV-Inhalte (wie TV-Ads oder Fernsehauftritte), Kampagnenmitschnitte (Events, Redebeiträge) und alleinig für das Internet bearbeitete Inhalte (Web Ads, Spiele). Während die ersten beiden Kategorien eher kostengünstige Reproduktionen sind, rangieren in der dritten Kategorie teuere Kampagnenspots neben eher billigeren Flashanimationen.

Im Internet werden in schnellen Abständen neue Video-Berichte, „On the Road with the candidate“ oder neue TV-Spots explizit nur für das Internet angeboten. Bush bietet über 20 Spots und fast 20 Videos von sich an, Kerry offeriert ebenso über 20 Spots und über 20 Videos oder Event-Spots. Die Web-Videos enthalten zwei Überzeugungs- und Erzählelemente. Sie arbeiten mit Symbolik, kurzen Ausschnitten und gute aufbereiteten Berichten. Dabei müssen sie sich nicht an die kurzen 30-60 Sekundenformate aus dem Fernsehen halten und auch nicht notwendigerweise auf die konforme Ansprache des Massenmediums Fernsehen achten. Wer sich im Internet ein Video anschaut, ist Anhänger. Dabei eröffnen sich weitere Möglichkeiten, da auf den kampagneneigenen Internetvideokanälen Links zu Dokumentationen, E-Mail-Sign-Ups oder auch herunterladbare Kampagnenutensilien angebracht werden können. Über eine spezielle „An einen Freund weiterleiten“-Funktion ermöglichen die Kampagnen eine schnelle Verbreitung der Videos und Ads.

Die neue digitale Technik nutzen die Demokraten auch zur Ansprache und Motivation von Anhängern. Unter dem Motto „American Made Convention Video” waren interessierte aufgerufen ihr eigenes Video zu produzieren und für eine Jurybewertung einzusenden. Ein ähnlich prominentes Beispiel lieferte das Onlineangebot moveon.org: Das Portal von demokratischen Unterstützern veranstaltete einen Wettbewerb, um die besten von privaten Personen kreierten Wahlkampfspots gegen George W. Bush zu kreieren. Man konnte einen selbstgestalteten „Bush in 30 seconds“-Spot einsenden und die Internetnutzer stimmten dann online über die besten 3 Spots ab. Gesponsert durch George Soros laufen die Siegerfilme im nationalen Fernsehen. Ingesamt erreichte diese Aktion eine hohe konventionelle Berichterstattung, lieferte 1500 kostenlose Ideen für Spots und verstärkte das Gefühl der demokratischen Parteibasis an einem Prozess beteiligt zu sein, „to change the country“. Die besten 150 Spots sind bis zum Wahltag online unter: www.bushin30seconds.org zu sehen.

Im Zusammenhang mit ihrem Nominierungsparteitag eröffneten Demokraten wie Republikaner den Nutzern Livestreaming der Veranstaltung im Internet. Zusätzlich bot man „Behind-the-scenes videos” an – als “web-only coverage”.Das Internet erweist sich als erfolgreiches Medium für negative campaigning. Einerseits kann man über speziell versandte negative Web-Ads allein die eigene Anhängerschaft ansprechen, ohne mögliche Wechselwähler abzuschrecken. Andererseits bietet es die Möglichkeit, unpopuläre Entscheidungen, das Hin-und-Her-Lavieren in Sachfragen, ungeschickte Äußerungen oder unseriöses Verhalten minutiös – in Text, Bild und Ton – zu dokumentieren. Viele Wähler und Journalisten glauben Negativinformationen erst, wenn sie ausführlich dokumentiert werden. Dabei wird häufig in herkömmlichen Werbemitteln – etwa in Fernsehspots – auf die ausführliche Dokumentation im Internet verwiesen. Besonders die Republikaner erweisen sich im bisherigen Wahlkampf als sehr innovativ. Sie gestalten in regelmäßigen Abständen grafisch animierte Internetspielchen, um den Konkurrenten von George W. Bush ihrer Strategie entsprechend zu definieren. Einmal boxt Kerry gegen Kerry, ein anderes Mal singt er „Kerryoke“: Immer wieder wird visuell das nach Ansicht der Republikaner Hin-und-Her-Lavieren Kerrys in Sachfragen thematisiert.

Werbung für die Homepage- Konventionelle und virtuelle Werbemittel

Es wäre ein frommer Wunsch, wenn Wahlkampfseiten ihre Wirkung schon allein durch ihre Erstellung erzielen würden. Vielmehr gilt, sie müssen massiv beworben werden. Marketing in eigener Sache beginnt beim Finden von einfachen, geeigneten und nahe liegenden Adressen (www.georgewbush.com, www.johnkerry.com, www.deanforamerica.com). Auch der Eintrag in die wichtigsten Suchmaschinen des Worldwide Web ist heute Standard. Darüber hinaus dominiert eine doppelte Strategie Internetangebote zu bewerben. Erstens, werden traditionelle Werbemittel mit der Internetseite versehen und rücken so die Webadresse in die Mitte der eigenen Werbekommunikation bzw. in die Berichterstattung der Medien. Angefangen von der Pressemitteilung, über Plakate, TV-Spots bis hin zu Kandidatenreden steht die Internetadresse im Vordergrund. Zweitens, bewerben politische Kampagnen ihr Wahlkampfseiten im virtuellen Raum. E-Mailing spielt eine wichtige Rolle für die Bewerbung einer Seite. Besucher von Wahlkampf-Homepages können diese als Empfehlung an Freunde oder Bekannte abschicken („Send an e-mail to a friend“). Besonders hervor stechen Banner-Ads und Keyword-Ads.

Die Banner Ads erleben im Wahlkampf 2004 eine Revitalisierung. Waren sie in vorherigen Wahlzyklen eher als unbrauchbar für die politische Kommunikation abgetan worden, entwickelt sich in diesem Jahr eine erneute Hinwendung. Grund für die veränderte Einstellung ist die zielgruppengenaue Einsetzbarkeit von Banner Ads. Amerikanische Kampagnen nutzen die charakteristischen Profile bestimmter Seiten, um über Banner-Ads eine anvisierte Bevölkerungsgruppe anzusprechen. Oder anders formuliert: Die offizielle Seite des amerikanischen Automobilklubs ist sicherlich nicht die Startseite eines durchschnittlichen Greenpeace-Aktivisten. Mit Banner-Ads kann man bestimmte Seiten mit hohen Besucherzahlen und einer themenspezifischen Ausrichtung bewerben. Inzwischen schaltet man die Banner-Ads nicht nur auf spezifischen Homepages. Man kann sie auch entsprechend des individuellen Profils des Nutzers, das zumeist bei dessen Provider hinterlegt ist, auf beliebigen Internetseiten einblenden lassen. Wurde der Erfolg von Banner-Ads zumeist über deren erreichten Durchklickraten gemessen, verlässt man sich heute darauf, dass ihr „Billboard-Effekt“ überwiegt: Banner Ads sind das traditionelle Wahlposter des virtuellen Raumes.

Eine zweite Weiterentwicklung stellt das „Keyword advertising“ dar. Diese Form der Werbung erlaubt es Kampagnen, bestimmte Suchwörter bei Suchmaschinen wie Google oder Yahoo zu kaufen. Erfragt ein interessierter Nutzer bspw. „Virginia Jobs“, dann erscheint neben den offiziellen Suchergebnissen eine kleine Anzeige der Kampagne. Jedoch erweist sich als große Herausforderung beim „Keyword advertising“ die identifizieren der Suchwörter. Das Interesse an bestimmten Begriffen variiert mit der jeweiligen politischen Großkampflage.

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    vierten Teil:

    Personalisierung und Aktivierung von

    Freiwilligen über das Internet

Mario Voigt war Wahlkampfbeobachter der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er arbeitet am Zentrum für Politische Kommunikation Jena und schreibt seine Doktorarbeit ueber den Präsidentschaftswahlkampf in den USA. Voigt ist Mitbegründer von www.poli-c.de .