Harald Schmidts Beitrag zur politischen Bildung und seine Folgen in Österreich. Gleich mehrere Wahl-O-Maten streiten um die Gunst der Wähler. Gleiches gilt für Wahlbörsen als Prognoseinstrument. Doch wo liegt die Grenze zwischen Sinn und Unsinn solcher Techniken?

 

Der Wahlkampf im Internet war bis zum Beginn der „heißen Wahlkampfphase“, zu der die Parteien ihre Websites relaunchten und damit den Wahlkampf im Netz belebten, vom überraschenden virtuellen Wahlkampfschlager der vorangegangenen deutschen Wahl geprägt: dem virtuellen Wahlentscheidungshelfer, allias „Wahl-O-Mat“. Erstmals 1999 konzipiert vom niederländischen
Instituut voor Publiek en Politiek wurde der zur deutschen Bundestagswahl von
der Wahlgang realisierte
Wahl-O-Mat nach einem Gastauftritt bei Harald Schmidt zum Renner des virtuellen Wahlkampfgeschehens. Bis zum Wahltag konnte der Entscheidungshelfer 2.269.756 Mal die politische Präferenz der User bekannt geben.

Dieser Erfolg hat in Österreich offensichtlich so viel Eindruck gemacht, dass das Konzept hierzulande gleich sechsmal kopiert wurde: zwei unabhängige Projekte, die „Wahlkabine“ (www.wahlkabine.at) und der „
Stimmzettel“ standen vier Wahlentscheidungshilfen von Medien gegenüber: dem innovativ „
Wahl-O-Meter“ genannten Automaten der Kronen Zeitung, der „Wahlmaschine“ der
Zeitschrift News, dem Ö3- Entscheidungshelfer des gleichnamigen
ORF- Radiosenders und dem guten, alten „Wahl-O-Maten“ der
Kleinen Zeitung.

Die österreichische Pioniersehre kommt der Wahlkabine zu. Das von mehreren österreichischen Institutionen zur Bildung und politischen Aufklärung realisierte Projekt ist das erste dieser Art im Alpenland. Die Wahlkabine wies bis vier Tage vor der Wahl 398.058 abgeschlossene Beratungsvorgänge auf. Das ist nur natürlich nur ein Bruchteil des deutschen „Wahl-O-Mat“-Ergebnisses, wenn man allerdings die Bevölkerungszahl Österreichs, die ein Zehntel der Deutschen beträgt, mitdenkt, sowie auch den nur acht Wochen dauernden Wahlkampf und die fehlende TV-Promotion durch Harald Schmidt, dann ist das ein äußerst erfolgreiches Ergebnis. Dazu kommen noch die Nutzungszahlen der fünf anderen Entscheidungshelfer, was die Idee des „Wahl-O-Maten“ noch mehr ehrt.

Sinn und Zweck

Prof. Peter Filzmaier vom Institut für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung, einem der Veranstalter der Wahlkabine, betont, dass das Projekt ein Beitrag zur politischen Bildung sein soll und kein Pseudo-Prognoseinstrument. Die fünf Projektklone der Medien sieht er durchwegs positiv, da diese der Idee der politischen Bildung zugute kämen. Eine Chance für die Zukunft sieht er in der Möglichkeit einer Zusammenarbeit zwischen Journalisten und Wissenschaftlern, die dieses Mal noch nicht möglich gewesen sei. Eine solche Kooperation würde von der wissenschaftlichen Kompetenz beim Methodendesign wie auch von der Themenkompetenz der Journalisten profitieren.

Gibt es zu viele „Wahl-O-Maten“ in Österreich? Welchen soll man benutzen? Für das Konzept sieht Filzmaier Zukunft in Österreich. Er selbst plant für die Landtagswahlen in Tirol im nächsten Frühjahr wieder einen virtuellen Wahlhelfer ins Netz zu stellen. Er stellt zwei wichtige Qualitätskriterien auf: Erstens muss die Methodik wissenschaftlich fundiert sein und zweitens muss die Auswertung transparent sein.

Konsequenterweise bietet die Wahlkabine ein Textdokument zum Download an, das nicht nur den Prozess der Antwortgenerierung bei den Parteien, die anschließende Fragenauswahl und Gewichtung für die Auswertung darstellt, sondern das auch Einblick in die mathematischen Tiefen des Automaten gibt. Wen es interessiert, der kann dort die Formeln, die zur Auswertung verwendet werden, nachlesen.

Was Filzmaier kritisiert sind Entscheidungshelfer, die als Pseudo-Prognoseinstrument präsentiert werden, wie die „Wahl-Maschine“ der Zeitschrift News. Am Ende des Test werden zwei Statistiken präsentiert, die aus den Ergebnissen aller gemachter Test zusammengestellt sind: „So wichtig sind Österreich die Themen“ und „Die Partei- Präferenzen Österreichs“. Diese Statistiken würden eine Repräsentativität vortäuschen, die sie in Wirklichkeit nicht besäßen. Die Statistiken würden lediglich Scheinergebnisse produzieren, die absolut unseriös sind. Auch sei dieses Konzept überhaupt nicht der politischen Bildung dienlich.

Wahlbörsen- Politik am Markt

Das zweite Format, dass die Netzöffentlichkeit zur Nationalratswahl beherrscht, sind die Wahlbörsen. Fünf Stück davon haben es diesmal ins Netz geschafft:

die
Wahlbörse.at der Tageszeitung Kurier und des Wochenmagazins Profil, die Presse-Wahlbörse der gleichnamigen
konservativen Tageszeitung, der Koalitionsmarkt (http://wahlboerse.uibk.ac.at) der Universität Innsbruck in Kooperation mit dem Institut für interdisziplinäre Forschung und Fortbildung, die alle drei auch die Presse-Wahlbörse wissenschaftlich betreuen, die Wahlbörse der
Tageszeitung Wirtschaftsblatt und „
e-lection“ der liberalen Tageszeitung Der Standard.

Alle Wahlbörsen haben gemeinsam, dass sie keine Echtgeldbörsen sind. Bei keiner dieser Börsensimulationen kann man also reales Geld einsetzen und am Ende gewinnen. Der Anreiz für die Händler sind Sachpreise, die an die Gewinner im Händlerranking vergeben werden. Die Besonderheit unter den einzelnen Programmen ist sicher die Presse-Wahlbörse, die von drei Instituten, dem Institut für interdisziplinäre Forschung und Fortbildung(IFF), dem Institut für betriebliche Finanzwirtschaft und dem Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck, wissenschaftlich betreut wird. Ziel des Projektes ist das Erforschen der Möglichkeiten von Wahlbörsen als Prognoseinstrumenten. Das Projekt soll Aufschluss über die Mechanismen geben, nach denen Händler auf dem Parteienmarkt agieren. Welche Ereignisse beeinflussen den Kurs einer Aktie? Wie verlässlich sind Wahlbörsen bei der Prognose eines Wahlergebnisses?

In der letzten Woche vor der Wahl liefern sich die beiden Großparteien ein Kopf an Kopf Rennen bei 35-39 Prozent, ebenso die beiden kleinen Parteien bei 10-12 Prozent. Darüber, welche Partei das Rennen für sich entscheiden wird, sind die Wahlbörsen genauso geteilter Meinung wie die verschiedenen Umfragen. Zwei Fragen bleiben bis zum Wahltag offen: Das um die stärkste Partei einerseits und das Rennen um das genauere Prognoseinstrument andererseits.


Die Wahlergebnisse im Netz

Für österreichische Verhältnisse Neuartiges bietet am Wahlabend die Firma Siemens, die für das Innenministerium seit 1994 die Wahlergebnisse elektronisch aufbereitet. In ihrem Internetmagazin „
hi!tech“ stellt Siemens als einzige Seite im Netz die Wahlergebnisse aller Bundesländer und Bezirke auf einer interaktiven Landkarte dar. Dieses Jahr bietet Siemens über diese Seite in Österreich erstmals Wahlergebnisse per SMS an. Dabei kann man sich das Bundesergebnis, einzelne Landes oder auch nur Regionalergebnisse zuschicken lassen. Das Problem für Interessierte im Ausland: Das Service kann nur mit einem österreichischen Handybetreiber verwendet werden.

 

Erschienen am 21.11.2002