In den USA geht ein Stück um die Deutungshoheit im Nahost-Konflikt und wissenschaftliche Freiheit in die fünfte Spielzeit. Die Hauptdarsteller: ein konservativer Think Tank, diverse Dozenten für Nahost-Studien und – als Statisten – Studierende. Bühne ist die Website www.campus-watch.org.

 

Campus Watch ist ein Projekt des Middle East Forums,
einer konservativen und pro-israelischen Denkfabrik. Erklärtes
Ziel der Organisation ist, US-amerikanische Interessen im Nahen
Osten zu schützen. Zu diesen zählt vor allem der Kampf
gegen einen militanten Islam und für eine allgemeine Anerkennung
des Staates Israel sowie die Eindämmung der Bedrohung, die
vom Iran ausgehe. Die Strategie des Forums ist es, „das intellektuelle
Klima zu formen und beeinflussen“, in dem die US-Außenpolitik
gemacht wird.

Liberalen Dozenten den Kampf angesagt

Mit der Plattform Campus
Watch
hat das Middle East Forum den Dozenten der Nahost-Studiengänge
den Kampf angesagt, die für den Think Tank einen „monolithischen
linken Block“ bilden. Im mission statement auf Campus Watch
ist dies etwas weniger forsch formuliert: Es gehe um die Verbesserung
von Forschung und Lehre: um das Aufdecken analytischer Fehlschlüsse,
darum, Politik und akademische Lehre nicht miteinander zu vermischen
und Intoleranz einen Riegel vorzuschieben.

Von Campus Watch kritisierte Dozenten bezeichneten
die Plattform auf Nachfrage von politik-digital.de als ein Projekt
von „Ultra-Zionisten“ (Prof. Omid Safi, University of
North Carolina, Chapel Hill) und „anti-arabischen Rassisten“
(Prof. Juan Cole, University of Michigan), die ein Klima der Angst
verbreiten wollten, auf dass niemand die offizielle US-amerikanische
oder israelische Politik kritisiere. Neben hohen Zahlen an Hate-Mails
berichteten die Dozenten von der Einflussnahme auf Personalentscheidungen
durch das Anprangern auf der Campus Watch-Site.

Studierende als Tippgeber

Wie dies in der Praxis aussieht, zeigt ein Blick
auf die Homepage. Dort findet sich neben dem hervorgehobenen „Quote
of the month“ eine Fülle an Dozentenzitaten. Diese werden
von Studierenden an die Redaktion geschickt. Aufgelistet sind Äußerungen,
die sich kritisch mit dem US-amerikanischen Präsenz im Irak,
der israelischen Politik oder etwa dem war on terror auseinandersetzen.
Darüber hinaus werden auf der Seite kritisch Artikel, Blogs,
Buchveröffentlichungen oder Konferenzbeiträge unter die
Lupe genommen.

Dass ausgerechnet die Dozenten der Nahost-Studien
in den Fokus gerieten, liegt an deren besonderer Rolle, die konservative
Strategen ihnen beimessen. Als Lehrende, Publizisten und politische
Berater treten sie als Multiplikatoren auf und tun genau das, was
sich auch das Middle East Forum zum Ziel gesetzt hat: das intellektuelle
Klima zu prägen. Es geht in dieser teils unerbitterlich ausgefochtenen
Auseinandersetzung also um die Deutungshoheit über zentrale
politische und militärische Konflikte.

Der Abschied vom akademischen Streit

Campus Watch ein spezifisches Online-Projekt, das
in dieser Form und Reichweite mit keinem anderen Medium realisierbar
gewesen wäre. Quasi in Echtzeit, direkt nach der Vorlesung,
wird ein Zitat an Campus Watch gemeldet und umgehend online stellt.
Studierende und Kollegen können dann mit Solidaritätsbekundungen
ebenso wie mit Hass-Mails den jeweiligen Dozenten erreichen. Diese
wiederum reagieren z.B. in eigenen Blogs, Websites, Artikeln.

Die Auseinandersetzungen, die hier via Internet
stattfinden, haben wenig von einer inhaltlichen Debatte. Vielmehr
hält das Internet her als ausgeweitete Kampfzone, in der vor
allem gegenseitige Diffamierungen und Bezichtigungen als Waffen
eingesetzt werden. So ist Campus Watch zum Lehrstück geworden
über die verschenkten Chancen im Internet.