Alles nimmt seinen gewohnten Gang: die Regierung schweigt sich zum Überwachungsskandal aus, die Opposition übt lautstarke Kritik, der netzpolitische Wahlkampf rollt. Doch Google steht darüber und reißt weiter eifrig große Löcher in die Privatsphäre der User, während andere Suchmaschinen unerwünschte Inhalte zensieren. Neu ist allerdings, dass niemand geringeres als die Terrorgruppe Al-Kaida nun ihr dringendes Mitteilungsbedürfnis bei Twitter befriedigt.

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Ganz langsam und der Reihe nach: Diese Animation der Piratenpartei erklärt den aktuellen Überwachungsskandal in verständlicher Art und Weise. So sollte jede/r in der Lage sein, das Ausmaß des PRISM-Tempora-Überwachungsprogramms einzuschätzen.

Passwortsalat

Google könnte Millionen privater Passwörter für W-Lan-Netze besitzen. Der Grund: Die Backup-Funktion des Google-Betriebssystems Android kopiert diese Passwörter standardmäßig unverschlüsselt auf den Server des Konzerns. Micah Lee, Chefentwickler bei der US-Bürgerrechtsorganisation EFF, hat dies als Fehlermitteilung in Googles offiziellem Android-Entwicklerforum öffentlich gemacht. Das Vorgehen Googles ist in vielerlei Hinsicht problematisch: So könnten beispielsweise Regierungsstellen die Daten abfragen. Da viele Nutzer dieselben Passwörter für  unterschiedliche Dienste verwenden, verfüge Google augenblicklich über eine Menge brisanter Zugangsdaten, schreibt Konrad Lischka im Spiegel. Dazu kommt, dass diese Weitergabe-Funktion zumindest auf einem Teil der Android-Geräte standardmäßig aktiviert ist. Gleichzeitig ist es für den Nutzer nicht möglich, einzelne Datensätze zu Android-Geräten von den Google-Servern zu löschen. Das EFF fordert, den Fehler schleunigst zu korrigieren und die übertragenen Daten zumindest zu verschlüsseln.

Terror-Tweet

Die Terrorgruppe Al-Kaida twittert. Das ist kein Scherz; trotz größter Abneigung gegen alles Westlich-Amerikanisch-Neumodische nutzen bin-Ladens Jünger den Kurznachrichtendienst für islamistische Propagandazwecke und „berichten“ etwa live von Anschlägen. Laut einer Studie zweier Terrorismusforscher bestehen etwa 20.000 Accounts mit Al-Kaida-Bezug. Journalisten und Forscher konnten auf diese Weise gar mit Dschihadisten in Kontakt treten und Interviews führen. So gelangt man zwar an äußerst interessante Infos, deren Wahrheitsgehalt sollte aber mit der nötigen Portion Skepsis betrachtet werden.

Klare Kante gegen Salami

Als ob die Spionageaffäre nicht schon schlimm genug wäre: Die Bundesregierung übt sich derzeit in fatalem Krisenmanagement, fällt vor allem durch unklare Informationen und Uneinigkeit auf oder versucht, den Skandal mit „Wir wussten von nichts“-Kommentaren wegzumoderieren. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück kritisiert das Verhalten von Kanzlerin und Innenminister in einem Gastbeitrag auf tagesspiegel.de scharf. Sollten die Behauptungen Edward Snowdens stimmen, so seien „persönliche Grundrechte bis tief ins Persönliche hinein verletzt worden“. Konkret fordert der Sozialdemokrat eine ” volle Aufklärung statt Salami-Taktik “. Die USA-Reise von Innenminister Friedrich sowie die das schweigende Abwarten von Bundeskanzlerin Merkel machen, so Steinbrück, „den Anschein, „als werde der millionenfache Bruch der Bürgerrechte billigend in Kauf genommen“.

Ehemalige Nischen

Die beiden großen Volksparteien profilieren sich zusehends in der Netzpolitik. So verantwortet Gesche Joost das Thema im Kompetenzteam von Peer Steinbrück, Peter Tauber und Michael Kretschmer halten die netzpolitische Fahne der CDU hoch. Johannes Boie beschreibt auf sueddeutsche.de die großen Unterschiede zwischen dem jungen, aber schon sehr routinierten christdemokratischen Nachwuchs und der parteilosen Akademikerin, die den Quereinstieg wagte. Leistungsschutzrecht, Vorratsdatenspeicherung, Internetministerium – der netzpolitische Wahlkampf läuft an.

Nicht erwünscht

„Halaalgoogling“: So nennt sich eine Suchmaschine, die automatisch all das filtert und aussortiert, was nach Auffassung der Betreiber nicht halaal, also nach islamischem Recht erlaubt ist. Das umfasst beispielweise Nacktheit, Homo- oder Bisexualität, Alkohol oder gegen den Islam gerichtete Inhalte. Die „schwarze Liste“ der Betreiber ist dabei nicht öffentlich zugänglich. Andreas Winterer, ein Autor des ZDF-Blogs „Hyperland“ verweist in diesem Zusammenhang auf Online-Zensur, die auch im sogenannten „aufgeklärten Westen“ stattfindet. Zum Beispiel die SafeSearch-Funktion von Google, die Pornografie ausblendet. Oder „CleanIT“, ein Projekt der EU, das den Online-Zugriff auf „terroristische“ und „illegale Inhalte“ verhindern möchte. Winterer warnt: Möglicherweise seien solche Initiativen nur ein erster Schritt. „Irgendwann sind solche Suchhilfen vielleicht ausdrücklich erlaubt – alle anderen Suchmaschinen hingegen anrüchig, tabu oder gar bei Strafe verboten.“