Der Wahlkampf in Schleswig-Holstein geht in diesen Tagen in die "heiße" Phase. Landesweit tourt Politikerprominenz durch
das Land und auch digital haben die norddeutschen Landesverbände sich für den Wahlkampf gerüstet.

In den letzten Tagen vor der Wahl
geht es nicht allein darum, welche Landesregierung Schleswig-Holstein
bekommt,
sondern auch um den Parteivorsitz der CDU. Würde der Spitzenakandidat
der CDU, Volker Rühe, gewinnen – und er glaubt an Wunder,
wie er mehrmals versicherte -oder einen hohen Anteil der Stimmen
bekommen, so könnte er ebenfalls der Nachfolger Schäubles werden und
Angela Merkel noch zur Gefahr werden. Doch während die CDU noch
debattiert und über Personalfragen streitet, hat
die große Regierungspartei wieder Rückenwind im stürmischen
Schleswig-Holstein: Letzten Umfragen zufolge, nach denen die
Sozialdemokraten mit 44% klar der CDU liegen, hat sich die Stimmung
unter den nördlichen Genossen gebessert, und der Sieg bei den
Landtagswahlen ist schon fast sicher. Erst recht, nachdem mit Bernd
Saxe ein SPD-Mann die Bürgermeisterwahl in Lübeck gewinnen konnte. "Die
Stimmung ist hervorragend", verkündet stolz der SPD-Geschäftsführer
Christian Kröning und ist der Meinung, dass seine Partei auch ohne die
Spendenaffäre der CDU, die mit 34% klar hinter der SPD liegt, gute
Chancen hätte. Rühe hätte sich überschätzt und lege nun
"Überheblichkeit" an den Tag. Jedoch kämen keine inhaltlichen
Perspektiven und Neuerung vom CDU-Spitzenkandidaten. Das unterstützt
auch Landesvorsitzender Franz Thönnes, der die Stimmung unter seinen
Genossen beschreibt: "Wir sind siegesgewiss, aber nicht übermütig".
Nun, in der "heißen" Wahlkampfphase, erwarten jedoch auch die anderen
Parteien im nördlichsten Bundesland "Stimmungsmacher" aus Berlin:
Während der Kanzler fünf Tage lang durch Schleswig-Holstein tourt, die
HDW-Werft besucht und sich mit Bundes- und Landesregierung zu einer
gemeinsamen Sitzung trifft, sind auch Volker Rühe und die norddeutsche
Union laut Generalsekretär Johann Wadephul "gut gerüstet für einen
engagierten Wahlkampf": Anfangs hat Rühe Generalsekretärin Angela
Merkel und Parteivorsitzenden Wolfgang Schäuble an seiner Seite. Aber
auch ehemalige Minister wie Claudia Nolte und Norbert Blüm werden den
Spitzenkandidat der Union auf seiner Wahlkampftour unterstützen. Die
Grünen, die mit 5,5% in den Umfragen um ihren Einzug in den Landtag
bangen müssen, holen den zur Zeit beliebtesten Politiker Joschka
Fischer in den hohen Norden, so dass er sich für die Spitzenkandidaten
Irene Fröhlich und Rainder Steenblock persönlich einsetzen kann. Andere
grüne Bundesminister werden dem Außenminister folgen, und so sind auch
Andrea Fischer und Jürgen Trittin bald in Schleswig-Holstein
anzutreffen. Mit Politikprominenz rechnen auch die norddeutschen
Liberalen in den letzten Wochen vor der Wahl, die stärker als die
Grünen bei 8 Prozentpunkten liegen: Neben Generalsekretär Guido
Westerwelle und Parteivorsitzenden Wolfgang Gerhard sind ebenfalls
Klaus Kinkel und Jürgen Möllemann als Wahlkämpfer für Spitzenkandidat
Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein. Auch Gregor Gysi, Vorsitzender
der PDS-
Fraktion im Bundestag kommt im Februar für fünf Veranstaltungen in den
hohen Norden, obgleich die
Sozialisten aller Voraussicht nach nicht in den Landtag einziehen
werden.

Pünktlich zu diesem Programm haben die Landesverbände der norddeutschen Partein auch im Netz aufgerüstet und präsentieren
Kandidaten, Programme und Slogans auf ihren Websites. Schließlich ist dies die erste Wahl im Jahr 2000, und die Parteien
wollen den Kampf um die Wähler dementsprechend zeitgemäß führen.
Besonders die beiden prominenten Spitzenkandidaten sollten digital ins rechte Licht gerückt werden und haben neben den
Wahlkampfseiten ihrer Partei zusätzlich eine eigene Homepage. Unter
heide-simonis.de sind Informationen zur Ministerpräsidentin zu
finden und dem prominenten Herausforderer Volker Rühe wurde die Domain ruehe.de
gesichert. Diese Homepage wurde erst kürzlich aktualisiert. Doch trotz dieser Bemühungen wirkt die Homepage des ehemaligen
Verteidigungsministers eher mager, denn mit der Darstellung eines knappen Lebenslaufs, einer Liste mit Terminen und der
e-mail Adresse Volker Rühes, wird das Potential des World Wide Webs nicht genutzt. So gibt es zum Beispiel kein Forum
oder Gästebuch, in das die Besucher des Websites ihre Kommentare, Anregungen oder Bitten schreiben könnten.
Die Kandidaten für die Landtagswahl im Februar werden zwar aufgeführt, jedoch fehlen sowohl jegliche Informationen
zu ihnen wie auch die e-mail-Kontakte. Dafür gibt es eine Bildergalerie, die Volker Rühes Wahlkampftournee dokumentiert,
jedoch nicht über die Qualität normaler Wahlkampfplakate herausragt. Im Lager der SPD sieht es jedoch nicht anders aus:
Zwar gibt es auf heide-simonis.de eine Online-Versteigerung, deren Gewinn der "Kieler Tafel" zugute kommt und auch ein
Gästebuch, doch nach einer direkten e-mail-Adresse von Heide Simonis sucht der User vergeblich, und auch die anderen
Kandidaten sind digital nicht zu erreichen. Positiv ist jedoch, dass es eine Kurz- und eine Langfassung des Programms
zum Download gibt. Einzig und allein das Layout des Internetangebots ist herausragend und verspricht inhaltlich leider
mehr, als es nach einer näheren Betrachtung halten kann.
Da sieht es bei dem kleinen Regierungspartner anders aus: Hier stimmt das Layout und die inhaltliche Qualität des grünen
Angebotes www.dranbleiben.de. Pünktlich zum Jahreswechsel stellt der Landesverband
e-mail Grußkarten zur Verfügung, die User können sich einen Bildschirmschoner herunterladen und die Links sind originell
bezeichnet. Außerdem gibt es hier ein echtes Diskussionsforum mit einer detaillierten Anleitung für jeden
diskussionsfreudigen Leser. Leider hat Keiner der Kandidaten eine persönliche e-mail Adresse, sondern ist nur über den
account des Landesverbands oder den der Fraktion erreichbar. Dies ist jedoch der einzige Punkt, den die Webmaster von
dranbleiben.de in dem ansonsten hervorragenden Angebot vergessen haben.
Die FDP in Schleswig-Holstein gibt sich Mühe, sich im Netz nicht so unprofessionell zu präsentieren wie die Liberalen
in anderen Bundesländern. Dennoch bietet die norddeutsche FDP auch im Wahlkampf 2000 nichts Neues. Die Kandidaten werden
in einer Liste aufgeführt und einige geben auch ihre private e-mail-Adresse an, doch ist die Site keineswegs einladend
gestaltet, und hat auch nicht mehr als das "digitale Standardprogramm" zu bieten.
Der Südschleswigsche Wählerverband
(SSW)
, für den die 5%-Hürde nicht gilt, und der voraussichtlich mit 2% wieder
mit 4% in den Landtag einziehen wird, hat zwar sehr ansprechende Wahlkampfseiten
im Netz, jedoch bietet auch er nicht mehr als die FDP: Kandidaten, Programm
und die Geschichte des SSW werden vorgestellt. Doch fehlt es hier ebenfalls
an der Interaktivität, so hat zum Beispiel keiner der Kandidaten eine eigene
e-mail-Adresse. Ähnlich sieht es bei der PDS
aus, die sich zwar sehr gut strukturiert im Netz präsentiert, doch inhaltlich
auch nichts Neues bietet. Außerdem sind die angegeben Links zu den Pressmitteilungen
und Materialien fünf Wochen vor der Wahl nicht anklickbar. Sehr positiv ist
jedoch, dass alle Kandidaten persönlich per e-mail zu erreichen sind und für
digitale Fragen zur Verfügung stehen.

Insgesamt haben sich die Netzaktivitäten (fast) aller Parteien gegenüber dem alten Angebot nur geringfügig verbessert und
noch immer versuchen sie, das Netz als digitales Glanzpapier bzw. als Wahlkampfbroschüre zu gebrauchen.
Die Möglichkeiten, die ein gut gestalteter, aber auch funktional ausgereifter Online-Auftritt hinsichtlich des Meinungs-
und Informationsaustausches für Mitglieder und interessierte Wähler bietet, nutzen die norddeutschen Landesverbände
deshalb noch nicht genügend.
So setzen wohl die meisten Parteien noch auf die "analogen" Wahlkampfveranstaltungen, denn zum Wahlkampfabschluss steht
eine ganze Riege von bedeutenden Politikern auf dem Programm. Die FDP bietet dementsprechend am 23 Februar alte Größen
wie den ehemaligen Außenminister Genscher und Lambsdorff, die SPD lässt Generalsekretär Müntefering in den Ring, und die
Grünen schicken noch einmal Joschka Fischer ins Rennen. Die Union um Spitzenkandidat Volker Rühe hat alle
CDU-Ministerpräsidenten der Bundesrepublik am 25. Februar zu einem Treffen in Lübeck eingeladen.
Ob dies alles dann den erhofften Erfolg bringen wird, werden die Wähler am 27. Februar mit ihren Stimmen entscheiden.
Und trotz aller Umfragen und Voraussichten, haben uns die letzten Monate eins gelehrt: Das Wählerverhalten schwankt zur
Zeit sehr in dieser Republik und bereits in wenigen Tagen kann ein neuer Skandal den alten überholt haben, so dass sich
bis zur Stimmenauszählung keine der Parteien zu sicher fühlen kann.