Gerade erst hat man in Brandenburg und im Saarland die letzten Stimmen ausgezählt, und
in Deutschland reagiert man geschockt oder erfreut auf die Ergebnisse. Und obwohl für die
Kandidaten in Thüringen heute die anstrengende letzte Wahlkampfwoche angebrochen ist, mussten
auch sie sich Zeit nehmen, um die Wahlergebnisse vom Sonntag zu analysieren.

Denn nach den Rückschlägen für die SPD im Saarland und in Brandenburg befürchtet man auch für
die Landtagswahlen in Thüringen Verluste. Die letzten Umfragen scheinen den Trend zu bestätigen:
Die zweite Erhebung, die infratest dimap im Auftrag des MDR durchführte, veranschlagt für die
SPD nur noch 22% – das sind ganze 5% weniger als bei der 1. Umfrage von Anfang August.
Hinzu kommt, dass für 57% der Thüringer die Bundespolitik eine große Rolle bei der
Wahlentscheidung spielt – und schließlich ist es die Politik in Berlin, die man für
die Verluste der SPD im Saarland und in Brandenburg verantwortlich macht. Seine Partei
habe es nicht geschafft, den Wählern zu erklären, dass die anstehenden bundespolitischen
Reformen notwendig seien, kommentierte Richard Dewes, Spitzenkandidat der Thüringer SPD,
am Montag die Wahlergebnisse.

Die CDU hingegen baut in Thüringen ihren Vorsprung aus – 45% würden sie laut infratest dimap
am 12. September wählen. Auch die PDS ist im Aufwind und käme momentan auf 21% Stimmenanteil.
Richard Dewes hat es wirklich nicht leicht gegen den Landesvater Bernhard Vogel: würde der
Ministerpräsident direkt von den Thüringern gewählt werden, wäre der CDU-Politiker Vogel mit
73 Prozent klarer Sieger. Dewes würden hingegen nur 21% der Thüringer wählen.

Trotzdem wird es für Vogel auch diesmal schwer werden, die absolute Mehrheit zu erreichen.
Zwar äußerte er sich im Wahlkampf : "Wir wollen den Wähler dringend bitten, uns von der
Notwendigkeit einer großen Koalition zu erlösen"- dabei muss aber auch er die Möglichkeit
in Betracht ziehen, dass eine rot-rote Koalition die CDU völlig von ihren Koalitionsnöten
entbinden und in die Opposition verweisen könnte. Schließlich möchte Dewes Bernhard Vogel
als Ministerpräsident ablösen, und läßt sich dafür die Option auf ein Bündnis mit der PDS
offen. Allerdings hat er in dieser Frage schon Gegenwind aus den eigenen Reihen zu spüren
bekommen: Die SPD-Minister der großen Koalition Irene Ellenberger (Soziales), Gerd Schuchardt
(Kultur und Wissenschaft) und Otto Kretschmar (Justiz) wollen keine Ministerämter übernehmen,
wenn die PDS mitregiert. Einer erneuten großen Koalition stehe er aber nur als
Ministerpräsident zur Verfügung, kündigte Dewes nichtsdestotrotz an.

Die PDS will erst nach der Wahl über Koalitionen oder Bündnisse entscheiden.
Spitzenkandidatin Gabriele Zimmer läßt keinen Zweifel daran, dass ihre Partei
der SPD nicht als "Platzhalter" zur Verfügung stehen werde, nur um deren
Beteiligung an der Regierung zu sichern. Eine Koalition sei nur denkbar,
wenn die SPD tatsächlich einen Politikwechsel in Thüringen anstrebe.


Die Grünen mit Spitzenkandidatin Anne Voß hoffen auf einen Einzug in den Landtag,
Umfragen zufolge werden sie aber wohl wieder einmal an der 5%-Hürde scheitern – laut
inftatest dimap kämen die Grünen auf etwa 3%. Die F.D.P. ereilt wahrscheinlich das gleiche
Schicksal: mit derzeit 2% werden auch sie in Erfurt nicht dabei sein. Dabei hatte der F.D.P.-
Spitzenkandidat Heinrich Arens sich bereits der CDU als möglicher Koalitionspartner angeboten –
in der Hoffnung, CDU- Wähler, die um die Regierungsbeteiligung fürchten, abzuwerben. Bernhard
Vogel reagierte jedoch nicht in seinem Sinne – da die F.D.P. aller Wahrscheinlichkeit nicht in
den Landtag einziehen werde, könne es der CDU nur schaden, Stimmen abzugeben, die bei der
Auszählung doch nicht berücksichtigt würden, so der Ministerpräsident.

Es sieht also ganz danach aus, als ob auch 1999 wieder nur drei Parteien den Einzug in den
Thüringer Landtag schaffen. Wie die Koalitionsfrage gelöst wird, oder ob die CDU vom allgemeinen
Aufwind profitiert und doch noch die absolute Mehrheit erreicht, bleibt hingegen spannend.