wheelchair-538138_1920Narendra Modi hat sich frühzeitig an die Spitze der Bewegung gestellt. Mit seinem Vorzeigeprojekt „Digital India“ hat sich der Regierungschef zum Schrittmacher der digitalen Transformation in dem südasiatischen Schwellenland erklärt.

Angetrieben vom technischen Fortschritt wandern auch in Indien immer mehr Transaktionen ins Internet: ob E-Commerce, Bankgeschäfte oder Dienstleistungen wie Hotelreservierungen oder Flugbuchungen, das Web ist aus dem Leben vieler Inder nicht mehr wegzudenken. Am massivsten ist die digitale Disruption bei den Medien. „Es findet eine Revolution statt. Unser Markt ist der kompetitivste und zugleich der am schnellsten wachsende in der Welt“, sagt Gaurav Gandhi von der Firma Viacom 18.

Grundlage der explodierenden Zahlen ist das rasante Wachstum des Mobilfunkmarktes. Mit über einer Milliarde möglicher Mobilfunkkunden bietet Indien ein weltweit einzigartiges Potential für das Geschäft mit der Datenübertragung. Es gibt einen gewaltigen Nachholbedarf: Zwar haben neun von zehn Indern ein Mobiltelefon, doch nur jedes zehnte Handy verfügt über Zugang zum Internet. Marktbeobachter rechnen in den kommenden Jahren mit einem gewaltigen Wachstum bei der Datenübertragung; Indien werde, so die Prognose, die USA als zweitgrößter Markt für 4 G-Smartphones ablösen. Derzeit liegen die Inder nach China und den USA auf Rang 3.

Die Aussicht auf das große Geschäft mit der Milliarden-Kundschaft lockt die Investoren. Die Marktriesen Amazon Prime und Netflix haben mit ihren Apps dem traditionellen Fernsehen den Kampf angesagt. Es ist ein ungleicher Kampf, den die „digitalen Invasoren“ – so eine indische Publikation zum Thema – für sich entscheiden werden. Mit gewaltigen Budgets sichern sich die internationalen Online-Konzerne Exklusiv-Rechte an den beliebten Bollywood-Produktionen. Noch sind Indiens Verbraucher die Gewinner: Sie sparen das Geld für Kinokarten und können die beliebten Stars jederzeit und allen Ortens auf den kleinen Bildschirmen ihrer Smartphones bewundern.

Der Hunger nach digitalem Content scheint unersättlich: Im Schnitt – so eine aktuelle Marktstudie – verbringt der Inder 28 Stunden in der Woche vor seinem Smartphone; für das Fernsehen hat er im statistischen Schnitt gerade einmal vier Stunden übrig.

„Freiheit, echte wahre Freiheit“

Die Marginalisierung des TV hat in liberaler Sicht einen großen Vorteil. Anders als das Fernsehen entziehen sich die Streamingdienste dem Zugriff der bisweilen rabiaten Zensurbehörde. „Es ist Freiheit, echte wahre Freiheit“, freut sich Filmemacher Karan Anshuman.  Großes Wachstum vermelden vor allem die sozialen Netzwerke Facebook, Twitter, Instagram, WhatsApp, Snapchat und YouTube. „Wir haben 400 Millionen Nutzer in Indien“, sagt Ajay Vidyasagar von YouTube. „Wir erwarten, dass wir diese Zahl in den kommenden zwei bis drei Jahren verdoppeln werden.“ 85 Prozent der Inhalte auf der Video-Plattform werde auf Mobiltelefonen konsumiert, ergänzt der Manager.

Mobil und Video – so heißen auch in diesem Teil der Welt die Megatrends der digitalen Kommunikation. Wo früher Text und stille Bilder dominierten sind es heute Filme: Moderne Smartphones, die zum Teil für wenig Geld auf den Markt geworfen werden, und einfach zu hantierende Apps bieten grenzenlose Möglichkeiten für kreative Freizeitregisseure. Wurden die digitalen Programme zunächst für die kommerzielle Nutzung entwickelt, gehören sie längst zum Arsenal für politische Kampagnen von Parteien und Nichtregierungsorganisationen. Facebook, Twitter und Co. sind aus Indiens Wahlkämpfen nicht wegzudenken.

„Es besteht kein Grund, wieso wir nicht das nächste CNN werden können“, sagt Yusuf Omar. Der Videoblogger aus Südafrika hatte lange Jahre selbst für CNN und eine führende indische Tageszeitung gearbeitet und dort zur Integration von sozialem Content in traditionelle Medien beigetragen. Nun hat Omar die Seiten gewechselt und arbeitet an einem neuen Projekt, das darauf abzielt, Video-Beiträge von Bürgerjournalisten aus der ganzen Welt auf einer Plattform zusammenzuführen.

In Form und Inhalt richten sich die neuartigen Formate, die kurz und bunt sind und stets danach trachten, das flüchtige Auge der Betrachter zu fesseln, an ein junges Publikum. Ihnen gehört die Zukunft. Am Ende werden sich die jungen Menschen mit der Qualität des neuartigen Basis-Journalismus auseinandersetzen müssen.

 

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