Wie wird ein Onlinewahlkampf geführt, wenn nur elf Prozent der Bevölkerung Zugang zum Internet haben? Der Polit-Blogger Alex Matthews beschreibt den Stand der sozialen Medien in Südafrika.

Der Einfluss des Internets auf die politische Landschaft in Südafrika ist auf einen kleinen Pool der Ober- und Mittelschicht begrenzt. Laut einer Studie der IT-Forschungsgruppe World Wide Worx haben nur 5,3 Millionen Einwohner Zugang zum Internet, das entspricht knapp elf Prozent der 49 Millionen Köpfe starken Bevölkerung. Prognosen besagen, dass sich diese Zahl in den nächsten fünf Jahren verdoppeln wird. Zwar ist die Nutzung von Mobiltelefonen in Südafrika weit verbreitet, mobiles Internet steckt jedoch noch in den Kinderschuhen.

Trotz dieser infrastrukturellen Einschränkungen sahen die nationalen Wahlen in Südafrika im April 2009 eine beispiellose Nutzung des Internets und der sozialen Medien. Dies zeigte sich zum einen bei den wichtigsten politischen Parteien, welche diese Werkzeuge mit unterschiedlichem Erfolg nutzten. Und zum anderen bei südafrikanischen Wählern, die über das Web einen lebhaften Meinungsaustausch betrieben.

Opposition eifrig, Regierung zaghaft

Inspiriert von Barack Obamas bahnbrechender Verwendung der sozialen Medien, mit der er während seiner Kampagne im US-Präsidentschaftswahlkampf eine Gemeinschaft von Unterstützern und Geldgebern aufbaute, launchte die Oppositionspartei Demokratische  Allianz (DA) ihr eigenes soziales Netzwerk namens Contribute to Change. Ziel dabei war es, sympathisierende Unterstützer zur aktiven, freiwilligen Wahlkampfhilfe zu bewegen. Mitglieder konnten ein eigenes Profil erstellen, ihre Dienste für die Wahlkampagne anbieten, über ihre Erfahrungen bloggen und sich über die neuesten Kampagnen-News informieren. Da die meisten Mitglieder aus der Mittelschicht stammten, erwies sich dieses Mitmach-Instrument als gute Methode, um die zentrale Wählerschaft anzusprechen und in die Kampagne einzubeziehen.

Die regierende Partei, der Afrikanische Nationalkongress (ANC), machte dagegen auf seinen Seiten nur zaghafte Schritte in Richtung soziale Medien. Das etwas statische Angebot von MyANC.org beinhaltete Youtube-Videos, Downloads (z.B. Klingeltöne und Wallpapers) und ein paar Blogs von der Parteiprominenz.

Facebook, Twitter und Co.

Alle großen Parteien unterhielten in der Wahlkampfperiode Facebook-Gruppen. Die Gruppe der Demokratischen Allianz wuchs während des Wahlkampfes auf über 25.000 Mitglieder an, die des ANC lediglich auf 13.300. Die Partei Congress of the People (COPE), eine Splitterpartei des ANC, konnte im Wahlkampf mit gut 18.600 Mitglieder beeindrucken, erhielt bei der Wahl allerdings nur knapp acht Prozent der Stimmen. Laut dem Statistik-Dienstleister Facebakers nutzen gut 2,3 Millionen Südafrikaner Facebook (Stand Februar 2010).

Politisches Blogging in Südafrika hat sich in den vergangenen Jahren stark verbreitet, im Vorfeld der Wahl erreichte dieser Trend seinen Höhepunkt. Eine der beliebtesten Seiten war Thought Leader, eine von der Wochenzeitung "Mail & Guardian" betriebene Plattform, auf der etwa 100 Blogger regelmäßig Beiträge posten. Im Vorfeld zur Wahl fand hier ein reger Meinungsaustausch über politische Ansichten sowie beteiligten Parteien und Akteure statt. Auch individuelle Blogs über kontroverse Themen wie Verfassungs- und Menschenrechtsfragen blühten während dieser Zeit auf.

In den Wochen vor der Wahl konnte man auch einen explosionsartigen Anstieg von Twitter-Nutzern in Südafrika feststellen. Der Mikroblogging-Dienst wurde besonders von Mainstream-Zeitungen verwendet, um aktuelle Nachrichten schnell zu verbreiten. Auch politische Parteien nutzten Twitter: Die Vorsitzende der Demokratischen Allianz Helen Zille zum Beispiel twitterte Einzelheiten von ihrer Wahlkampf-Tour. Und der ANC initiierte eine "microdebate" zwischen seinen Anhängern und der ANC-Sprecherin Jessie Duarte. Darüber hinaus beschränkte sich das Twitter-Angebot der Partei auf reine Parteinachrichten.

Wahlsieg für die Redefreiheit

Obwohl nur ein Bruchteil der Bevölkerung Zugang zum Medium Internet hat, spielte es dennoch eine nicht unbedeutende Rolle für den Ausgang der Wahl – insbesondere bei der Mobilisierung von Anhängern der Oppositionsparteien. Darüber hinaus ermöglichte es den Parteien, mit den Wählern in bisher nie dagewesener Intensität zu interagieren.

Und nicht zuletzt bleibt eine der wichtigsten Erkenntnisse vom Web-Wahlkampf 2009, dass die Freiheit der Meinungsäußerung im Netz respektiert wurde und Internet-Benutzer in Südafrika ihre Ansichten über die Parteien und die Politik frei äußern konnten.

Übersetzt aus dem Englischen von politik-digital.de. Demnächst in
der Serie "Politics en Blog": Berichte aus dem Libanon, Ägypten,
Russland, Bolivien u.a.