words have power_CC0 via Pixabay„Lügenpresse“, „digitale Spurensicherung“ oder „Das Boot ist voll“. Sprache bestimmt und beschreibt, wie Menschen die Welt sehen. In Zeiten der digitalen Kommunikation hat das Internet den Prozess des Sprachgebrauchs verkürzt. Aussagen und Worte verbreiten sich in Windeseile unter den Menschen. In dieser Welt sind Worte Kampfmittel – besonders in der Debatte um geflüchtete Menschen. Ein Appell für einen reflektierten Sprachgebrauch.

Bereits bei den Debatten um die Vorratsdatenspeicherung ließ sich das Phänomen erkennen. Dort wurde vielfach von “Digitaler Spurensicherung” gesprochen. Durch diese Wortwahl wurde es als notwendiges Werkzeug dargestellt, um Verbrechen im Netz besser und schneller verfolgen zu können. Auch wenn der Aspekt der gespeicherten Daten korrekt ist, wird bei dieser Wortwahl unterschlagen, dass dafür auch Daten von unschuldigen und nicht-tatbeteiligten Personen ohne Anlass auf Vorrat gespeichert werden. Ein gravierender Unterschied zur analogen Spurensicherung. Das kommt beim Begriff “Vorratsdatenspeicherung” besser zum Ausdruck.

Digitale Spurensicherung transportiert Weltanschauungen

Ein weiteres aktuelles Beispiel und vielleicht noch tiefschichtigeres Beispiel ist der Begriff „Flüchtling“ – Wort des Jahres 2015. Bereits alleinstehend transportiert es viel Inhalt. Und hat für sprachlich reflektierende Menschen einen Beigeschmack. Mit dem Suffix, der Endung, „-ling“ wird die flüchtende Person klein gemacht und abgewertet. Durch das Anhängen dieser Wortendung wird eine Person durch eine Eigenschaft oder ein Merkmal charakterisiert. Beispielsweise „Schönling“ oder „Häuptling“. Dabei wird ausgeblendet, dass Menschen mehr sind als ihre Flucht.

Durch die Bedeutung, die darüber hinaus mit dem Begriff verbunden wird, stellt sich ein Bild des Begriffs „Flüchtling“ mit ein. Sprachwissenschaftlich bezeichnet man dies als „Frame“. Jedes Wort hat einen Sinnzusammenhang, der mit den Erfahrungen des Individuums verbunden ist. Ein Stuhl ist archetypisch deshalb zumeist gedacht aus Holz mit vier Beinen und einer Lehne. Und ein Stuhl ist kein Sessel. Durch Aussprache des Frames Stuhl werden deshalb gewisse Assoziationen bei den Mitmenschen ausgelöst und unbewusste Schlussfolgerungen mittransportiert.

“Geflüchtete*r” – Deutungshoheit zurückerlangen

Problematisch beim Begriff „Flüchtling“ ist die Konnotation, die diesem Begriff bereits anhängt. Sie stammt von rechtspopulistischen Parteien und Personen, die den Begriff mit eher negativen Assoziationen, Ereignissen und Erfahrungen prägten. Es beginnt bereits beim generischen Maskulium – der Flüchtling. In einem Süddeutsche-Interview wird die zugrunde liegende „Bedeutung” weiter ausgeführt: „Er ist eher stark als hilfsbedürftig. Er ist eher aggressiv als umgänglich.”

Auch bei Worten wie „Obergrenze“ ist deshalb Vorsicht geboten. Diese suggeriert negativ, dass der Platz begrenzt ist und positioniert sich deutlich gegen Flüchtlinge. Diese Hintergründe transportieren        Politiker* innen ungewollt, wenn sie ebenfalls den Begriff verwenden, um ihrerseits den rechtspopulistischen Äußerungen zu widersprechen. Sie verbreiten das Wort samt Konnotation weiter. Die Deutungshoheit erlangen sie durch bloße Argumentation jedoch nicht zurück, sondern bieten den Rechtspopulist* innen durch das Aufgreifen der Begriffe nur ungewollt eine größere Bühne. Um dies zu unterbinden, müssten mehr Menschen beginnen, ihren Sprachgebrauch zu reflektieren. Ein Schritt in die richtige Richtung ist es, aufzuhören, geflüchtete Menschen als “Flüchtlinge” zu stigmatisieren. Neutralere Formulierung, wie “Geflüchtete* r” könnten bereits helfen.

Bild: Pixabay, CC0

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