street-768589_640Saubere Luft, frisch gemähtes Gras, zwitschernde Vögel, selbstgebackener Apfelkuchen und spielende Kinder auf endlosen Wiesen. Das Landleben lässt sich in wunderschönen Farben malen. Dennoch, die Einwohnerzahlen von halb städtischen und dünn besiedelten Regionen sprechen für sich – immer mehr Menschen, vor allem junge, ziehen weg.

Das Problem „Landflucht“ gibt es schon länger und wird immer wieder aufgegriffen. Dennoch wird mehr über Städte und die Verbesserung deren Struktur, Lebensqualität und Sonstiges gesprochen. Die Tatsache aber, dass zwei Drittel der Deutschen eben doch in ländlichen Regionen leben, sollte zum Umdenken anregen. Ein Umschwung muss her. Da muss es doch eine Lösung geben, um das Leben auf dem Land auch für junge Menschen und Familien wieder attraktiv zu machen.
Genau das haben sich folgende zwei Initiativen zur Aufgabe gemacht.

Smart Rural Areas

Am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) in Kaiserslautern läuft derzeit ein Projekt, bei dem Technik und Algorithmen das Leben auf dem Land verbessern sollen. Die Forschungsinitiative unter dem Namen „Smart Rural Areas“ wird von Dr.-Ing. Mario Trapp geleitet und wurde 2014 von der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ und der Deutsche Bank ausgezeichnet.

Besonders wichtig sind bei dem Projekt „Smart Rural Areas“ Aspekte der Landwirtschaft, Krankenversorgung, Mobilität und generell Infrastruktur. Es mangelt oft an, grundlegenden Dingen wie einem Supermarkt oder einer Gaststätte, sogar Netzempfang ist ein Problem. Aber auch an Ärzten fehlt es sowie an öffentlichen Verkehrsmitteln. Mit smart farming, moderner medizinischer Überwachung und Carsharing-Varianten sollen diese Probleme angegangen werden. Dabei geht es auch darum, vorhandene Ressourcen bestmöglich auszuschöpfen. So kann jemand, der mit dem Auto in den nächstgrößeren Ort zum Einkaufen fährt, doch gleich noch andere Personen oder zum Beispiel Post mittransportieren. In zahlreichen Kooperationen mit Wirtschaftsunternehmen erarbeiten die Forscher neue Wege. Durch den Einsatz intelligenter Informations- und Kommunikationstechnologien will das Team im ländlichen Raum Probleme der Mobilität und Logistik durch neue Geschäftsmodelle lösen, Infrastruktur und Gebäudemanagement durch IT Einsatz effizienter nutzen und neue Arbeitsmodelle durch modernste Technologie und Organisationsmodelle einleiten.

Das Institut richtete dafür ein Living Lab ein, das als Entwicklungs- und Evaluierungsplattform die notwendige Infrastruktur schaffen soll. Dort entwickeln die Forscher Ideen für innovative Produkte und können sie auch gleich testen. Die Westpfalz fungiert dabei als Modellregion. Landkreise oder Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz, die an dem Projekt interessiert sind, können sich als Modell anbieten und werden dann national und international als Digitales Dorf präsentiert.
Für die Umsetzung der Ziele ist aber einiges an Software nötig und natürlich müssen die Einwohner mitmachen. Darum arbeitet das Fraunhofer-Institut eng mit den Bewohnern von Testgebieten zusammen.

Smart Village

Die enge Zusammenarbeit ist auch bei dem zweiten Projekt wichtig, das hier vorgestellt werden soll. Die Rede ist von einem Dorf am Niederrhein. Das 800 Einwohner-starke Örtchen namens Grieth hat das Interesse einer Hochschule geweckt. Die Studenten des Fachs „International Business and Social Science“ der Hochschule Rhein-Waal arbeiten an einem Forschungsprojekt zur Dorfrettung. Denn auch Grieth hat mit sinkenden Einwohnerzahlen, schwindender Perspektive und schlechter Infrastruktur zu kämpfen. Es ist zwar bekannt für seine schönen alten Fachwerkhäuschen, doch viele davon stehen leer. Das sollen die jungen Forscher nun ändern: auch hier soll ein Smart Village entstehen. Die Einwohner finden das gut und machen mit. Zum Beispiel, indem sie an den Umfragen der Studenten teilnehmen. Auch diese Forschungsinitiative wurde von „Deutschland – Land der Ideen“ im Jahr 2015 ausgezeichnet und das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen trägt mit 240.000 Euro Fördermittel zum Smart Village bei. Grieth, mit seinen typischen Problemen, soll als Testmodell dienen. Die erarbeiteten Konzepte können dann später auch auf andere Orte angewandt werden. Ein Projektbüro im Dorf ist der Ausgangspunkt für Aktivitäten und auch Diskussionsforen, Online-Fragebögen, Newsletter, E-Mail-Verteiler und Social Networks sollen den Austausch von Bürgern und Wissenschaftlern unterstützen. Da es in dem Ort nicht mal mehr eine Gaststätte gibt, fehlt auch ein typischer Treffpunkt für die Einwohner. Einkaufsmöglichkeiten gibt es keine und auch Busse fahren selten – es lohnt sich einfach nicht mehr. Denn alle Investitionen müssen immer durch die Anzahl der Einwohner geteilt werden, also wird es pro Person teurer wenn wieder jemand wegzieht. Und irgendwann eben, so wie in Grieth, rechnet sich auch ein Tante-Emma Laden nicht mehr. Daran arbeiten die Projektteilnehmer als erstes. Ein Lösungsansatz kann zum Beispiel sein, mehrere Dienstleistungen in einem anzubieten. Ein Dorfladen, der gleichzeitig  Post, Bank, Mitfahrzentrale, Sozialstation und ein betreutes Internetcafé beinhaltet, ist ein Beispielkonzept. Die Bürger können dort ihre sozialen Kontakte pflegen und ins Gespräch kommen. Den öffentlichen Nahverkehr könnten ein Regiotaxi, Car-Sharing oder Mitfahrzentralen ergänzen. Auch die Themen Energie, Tourismus und e-Mobilität, Senioren-WG, Studentisches Wohnen und Breitbandversorgung werden die Studenten im späteren Projektverlauf noch anpacken.

Diese Forschungsinitiativen zeigen, dass die Zukunft eben doch nicht nur in den Smart Cities liegt, sondern auch Dörfer ziemlich smart sein können. Und irgendwie ist es ja auch echt schön auf dem Land — wenn eben nur das mit dem Handyempfang klappen würde.

Bild: Unsplash CC0 Public Domain

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