Auf seinen Streifzügen durch die digitale
und analoge Welt der Politik hat der amerikanische Netz-Experte Steven Clift eine neue
Spezies von Politikern von entdeckt: Die "WEOs" – Wired Elected Officials.

Clift bezeichnet mit diesem Begriff jene Politikerinnen und Politiker, die nicht nur im
Internet sind, sondern den Sprung in das Internet-Zeitalter geschafft haben.
politik-digital dokumentiert nachfolgend seine zehn Empfehlungen und Hinweise auf dem Weg
zum netzfesten Multimediapolitiker. Der englische Originaltext wird in
unregelmäßiger Folge aktualisiert.

"WEOs" (dt. in etwa: "Vernetzte Mandatsträger") benutzen das
Internet als ihr wichtigtes strategisches Kommunikationinstrument. Sie benutzen es zur
Unterstützung und Stärkung des hocheffektiven und bewährten persönlichen Kontakts und
Gesprächs. Während ein Politiker alter Schule durch Kontrolle und selektive
Veröffentlichung von Information seinen Einfluss zu erhalten sucht, ist ein WEO durch die
Lenkung und das Teilen von Information eher in der Lage Einfluss und Respekt zu gewinnen.
Ein WEO begreift, dass andere Politiker und die Öffentlichkeit Treibholz im Meer der
grenzenlosen Information sind – sie benötigen Hilfe, sie benötigen Anleitung. Gebraucht
werden internetfeste Politiker, die die Menschen durch dieses Meer leiten, zu dem, was
wirklich wichtig ist.

Das Bestimmen der Tagesordnung und das Fällen von Entscheidungen, also Regieren im
Informationszeitalter, erfordern neue Fähigkeiten für Mandatsträger. Unabhängig von
der Frage, ob sie seit zwanzig Jahren oder seit zwanzig Wochen im Amt sind. Lesen Sie nun
die besten zehn Tipps um ein WEO zu werden, und das Informationszeitalter nicht nur zu
überleben, sondern es auch zu Ihrem Gewinn zu nutzen.

1. Nutzen Sie das Internet zur Kommunikation

Ob für die private Kommunikation "unter vier Augen" oder zur öffentlichen
Verständigung in der Gruppe: Interaktion hat ein hohes Potenzial und ist jetzt schon die
mächtigste politische Anwendung, die das Internet bietet. Meinungsäußerung im Internet
ist bedeutungslos, wenn sie nicht mit freier elektronischer Vereinigung einhergeht.

2. Nutzen Sie das Internet zur Verbreitung von Information

Sei es als Teil ihrer offiziellen Pflichten oder zu Zwecken der
Partei-/Kampagnenarbeit, ermutigen Sie Ihre Wähler und Anhänger Ihre Newsletter zu
abonnieren. Aus der Sicht der Veranstalter ist das Internet passiv, da die Nutzer dieselbe
Seite selten zweimal besuchen. Sie, als "WEO", wollen Menschen, die ihre
eMail-Listen abonnieren: so können Sie Ihre Botschaft zu geringen oder keinen Kosten weit
verbreiten.

3. Entwickeln Sie mehrere eMail-Identitäten im Internet

Legen Sie sich eine eMail-Adresse für öffentliche und offizielle Kommunikation mit
ihren Wählern an, dazu eine interne Adresse für die Regierungsarbeit und mindestens eine
persönliche für die Verständigung in Partei- und Kampagneangelegenheiten und für
anderweitige private Kommunikation.

4. Fördern Sie "eDemokratie" innerhalb ihrer schon bestehenden
representätiven Strukturen, um die Partizipation der Bevölkerung durch dieses Medium zu
ermöglichen

Nutzen Sie bestehende Prozesse wie Anhörungen, öffentliche Aussagen,
Wählerkommunikation und passen Sie diese an das Informationszeitalter an. Die aktive
Integration von Informations- und Kommunikationstechnologie in die repräsentative
Demokratie ist unverzichtbar, um Legitimitätsdefizite zu vermeiden und die Demokratie zu
verbessern. Verabschieden Sie Vorbildgesetze im Hinblick auf eDemokratie, die sowohl
repräsentative wie auch beratende Leistungen von Regierung und Verwaltung
uneingeschränkt im Internet zur Verfügung stellen. Beginnen Sie mit der Verpflichtung,
alle Protokolle öffentlicher Treffen und Tagesordnungen durch ein einheitliches System
online zu verschicken.

5. Nutzen Sie das Internet zur Verbindung mit Gleichgesinnten in der Welt

Das Internet ist ein grandioser Weg, um bewusst und wertschöpfend Möglichkeiten zum
Informationsaustausch zwischen Menschen mit ähnlichen Interessen und Zielen aufzubauen.
Greifen Sie jedes politische Thema von Interesse auf, um Netzwerke zu schaffen. Für Sie
selbst und ihre Mitarbeiter. Warten Sie nicht darauf, dass andere globale Netzwerke für
den Austausch und die Diskussion politischer Ideen und Konzepte aufbauen. Werden Sie
selbst ein weltweit bekannter Experte in einem Themengebiet. Ergeifen Sie die Initiative.
Jetzt!

6. Nutzen Sie das Internet zur Informationsbeschaffung

Es ist ein Informations-Labyrinth da draußen. Seien Sie geduldig und Sie werden oft
finden, wonach Sie suchen. Nutzen Sie Ihr Netzwerk von Gleichgesinnten und unterstützen
Sie sich gegenseitig bei Rechercheanfragen und Bedürfnissen. Eine Anfrage an die Gruppe
wird häufig zu Hinweisen auf nützliche Informationen führen. Umgekehrt wird es für die
Gruppe von Nutzen sein, wenn Sie die Ergebnisse Ihrer Internet-Recherche proaktiv teilen.
Stellen Sie sich diesen Prozess als "just-in-time-democracy" vor; durch Nutzung
ihrer und anderer Experten-Netzwerke.

7. Nutzen Sie das Internet zur cleveren Informationsbeschaffung

Verwenden Sie eine Suchmaschine wie Google
<http://google.com> und Internetverzeichnisse wie Open
Directory
<http://dmoz.org> oder Yahoo
<http://www.yahoo.com>. Lernen Sie, sie zu benutzen. Finden Sie ähnliche Seiten
durch eine umgekehrte Suche: Der Begriff "link: http://www.e-democracy.org"
findet zum Beispiel alle Seiten durch Google oder Alta
Vista
<http://www.altavista.com>, die auf diese Seite verweisen. Nutzen Sie
diese Methode, um herauszufinden, wer auf Ihre Seite verweist.

8. Nutzen Sie das Internet, um automatisch mit Information versorgt zu werden

Abonnieren Sie ausgewählte Newsletter und Veröffentlichungslisten der Webseiten, die
Sie regelmäßig besuchen. Lassen Sie sich von dort mitteilen, ob es Neuigkeiten für Sie
gibt. Verwenden Sie Nachrichtenfilter (fragen Sie Ihr technisches Personal), um neue eMail
in verschiedenen Ordnern zu organisieren. Auf diese Weise können Newsletter getrennt von
persönlichen Nachrichten gespeichert werden, und Sie behalten den Überblick.

9. Nutzen Sie das Internet zur Überwachung

Ob es eine Seite ist, die Sie nützlich finden oder die Internetpräsentation eines
politischen Gegners: Verwenden Sie die Möglichkeiten des Internet, um deren öffentliche
Aktivitäten und Dokumente im Auge zu behalten. Mit Diensten wie Spy On It <http://www.spyonit.com> können Sie
automatische Beobachter einsetzen, die Sie informieren sobald etwas Neues auf der Seite
auftaucht. Einige der besten Informationen zu Politik werden einfach auf einer Seite
platziert, ohne weiter beworben zu werden. Überlassen Sie solch einem Dienst die Arbeit,
Sie über Änderungen oder Ergänzungen auf dem laufenden zu halten.

10. Fördern Sie integrierte Dienste innerhalb ihrer Organisation

Einheitliche Systeme, Netzwerke und die technische Ausstattung sollten von der
übergeordneten repräsentativen Institution getragen werden und nicht von den einzelnen
Mitgliedern selbst (zumindest gilt dies für die technische Basisausstattung). Das ist
eine Frage des Gleichgewichts der Kräfte. Wenn die Regierungsverwaltung Milliarden in
ihre Informationsinfrastruktur investiert, dann muß die repräsentative Seite auch
investieren, um sich einen entsprechenden Einfluß in einer zunehmend verkabelten Welt zu
sichern. Gleiches gilt für Parteorganisationen im Wahlkampf: Fordern und fördern Sie
eine Informationsinfrastruktur, die allen Parteikandidaten integrierte und angesammelte
Wahlkampfinformationen in einer sicheren und strategischen Weise zur Verfügung stellt.

Der Autor

sclift.gif (6060 Byte)Seine
ersten Erfahrungen mit elektronischer Demokratie sammelte Steven Clift mit dem Projekt Minnesota E-Democracy, das bereits 1994 als digitale
Bürgerplattform entstanden ist. Inzwischen arbeitet er als "Online-Strategist"
an unterschiedlichen Projekten aus dem Feld der eDemokratie. Unter anderem gibt er einen
einschlägigen Newsletter heraus (Democracies Online
Newswire
) und arbeitet als Koordinator im Rahmen des Webwhiteblue-Netzwerks, das für die Durchführung
der ersten Online-Debatte zwischen den US-Präsidentschaftskandidaten verantwortlich ist.

Die Ratschläge für vernetzte Politiker sind zuerst erschienen in "E-Guide for
Parliamentarians: How to be an Online Representative" (UK Hansard Society for Parliamentary Government).

(Aus dem Englischen übersetzt von Frank Paschen.)