Deutschland – das Land der Ingenieure. Heimat von Mercedes, Volkswagen und BMW. Ist es da nicht eigentlich verwunderlich, dass wir in Sachen Technologien und Digitalisierung ziemlich hinterherhinken? Vor allem was den Bildungsbereich angeht? Deutschland gehört immer noch zu den Schlusslichtern der OECD-Länder, was den Gebrauch digitaler Medien im Unterricht angeht. Doch könnte eine Investition nicht nur für die Zukunft gewinnbringend sein, sondern auch den heutigen Schulunterricht unterstützen. Ein Überblick über Gebrauch, Möglichkeiten und Herausforderungen der Digitalisierung im Bildungsbereich.
Eine herbe Enttäuschung ist das derzeitige Zurückrudern der Bundesregierung in Bezug auf ihr versprochenes Digitalpaket für die Bildung. Fünf Milliarden Euro sollten für die Digitalisierung der Schulen in den nächsten fünf Jahren ausgegeben werden. Und jetzt? Anstatt in die Zukunft zu investieren, wird diese mit der nun veröffentlichten Haushaltsplanung womöglich nur noch düster. Das Geld geht in die Rüstung. Wie wichtig Bildung ist, müsste der Regierung eigentlich bewusst sein. Und dass ein Nicht-Investieren in die Digitalisierung fatal ist, eigentlich auch.
Auch die Kultusministerkonferenz hatte schon mit dem Papier “Bildung in der Digitalen Welt” geantwortet. Ihre Strategie bezieht sich auf sechs große Themenbereiche: Unterrichtsentwicklung, Ausbildung der LehrerInnen, technische Infrastruktur, Bildungsmedien, E-Government und rechtliche Rahmenbedingungen. Zusammengefasst, digitale Medien sollen integraler Bestandteiler aller Unterrichtsfächer werden. Dabei müssen LehrerInnen durch Aus-, Weiter- und Fortbildung zu Medienexperten werden, um digitale Medien professionell, didaktisch sinnvoll und reflektiert im Schulalltag einzusetzen.
Denn durch die Digitalisierung der Bildung werden die ArbeitnehmerInnen von morgen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben und die schon in der Schule digital geschulten SchülerInnen später die digitale Transformation mitgestalten. Dazu müssen digitale Kompetenzen in der Schule erlernt werden. Denn obwohl wir in Deutschland leben und sich viele ein Leben ohne ihren Laptop oder Tablet nicht vorstellen können, gibt es etliche SchülerInnen, denen zu Hause diese Möglichkeiten fehlen. Dies schafft Ungleichheiten, die eigentlich mit der Digitalisierung überwunden werden sollten.
Aber nicht nur in der Zukunft kann es enorme Vorteile mit sich bringen, sondern auch im heutigen Schulalltag. Schon jetzt benutzen einige (vor allem junge) LehrerInnen digitale Lernplattformen, sogenannte Learning Management Systeme. Diese unterstützen die Planung, Koordination und Kommunikation im Klassenverband. Auf diesen Plattformen können die LehrerInnen die Materialien, inklusive Arbeitsbögen, Videos und Fotos, hochladen. Somit haben sie alles immer abrufbar. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für die SchülerInnen, die nach einer verpassten Stunde oder wegen eines verschusselten Arbeitsbogens Aufholbedarf haben.
Natürlich gibt es wie bei jeden neuen technologischen Anwendungen auch Hindernisse. Vergessene Passwörter der SchülerInnen kommen selbstverständlich vor. Wenn SchülerInnen mitten im Schuljahr nach einem neuen fragen, weiß man auch, wie oft die Seite aufgerufen wurde. Auch Datensicherheit ist ein Thema. Zusätzlich müssen Schulen aber für diese Plattformen wie beispielsweise Moodle Lizenzen erwerben. Auch für die richtige Breitbandverbindung, samt WLAN, muss gesorgt sein. Beamer und Laptops müssen vorhanden sein. Das kostet alles Geld, welches erstmal organisiert werden muss. Da die finanzielle Unterstützung über den Schulträger meist nicht ausreicht, müssen engagierte Schulen (Schulleitungen) kreativ werden. Fördervereine, externe Akteure, wie Unternehmen, oder EU-Mittel sind hier erste Anlaufstellen. Vermehrt sorgen aber auch die Länder selbst für Sonderprogramme im Bereich Medienkompetenz. Doch können innovativen Schulen seitens des Senats auch Steine in den Weg gelegt werden.
Digitalisierung zur Unterstützung im Unterricht
Die Herausforderungen sollten aber nicht vor dem Handeln abschrecken. Denn die vermehrte Notwendigkeit zur Differenzierung im Unterricht, das heißt, die individuelle Förderung von verschiedenen Leistungsstufen in einem Klassenverband, welche zusätzlich durch Inklusion und Integration unumgänglich ist, kann durch die Digitalisierung möglich gemacht werden. Gerade wenn es um das heikle Thema Rechtschreibung (und Digitalisierung) geht, ist der Unterricht mit Hilfe digitaler Medien womöglich sogar effektiver. So kann die Webseite Orthografietrainer.net, als online Rechtschreibtrainer mit Abschlusstests, viel individualisierter mit den SchülerInnen üben, als es einer LehrerIn im Unterricht möglich ist. Dies ist nur ein Beispiel für die Vielseitigkeit von Online-Angeboten interaktiver Apps. Auch die Nutzung von Standard-Programmen wie Schreib- oder Präsentationsprogramme werden erlernt. Videos können geschnitten, Fotos bearbeitet und Texte verfeinert werden. Diese können wiederum auf Blogs veröffentlicht werden. So lernen die SchülerInnen nicht nur die Anwendung. Gleichzeitig werden digitale Medien Mittel zum Zweck, um einen abwechslungsreichen und differenzierten Unterricht zu gestalten.
Nun reagieren auch andere Akteure im Bildungsbereich. Beispielsweise setzen Schulbuchverlage zusätzlich auf digitale Konzepte und bieten zu ihren digitalen Schulbüchern auch auf den Lehrbereich zugeschnittene digitale Plattformen an. Denn bekommen sie in dem Bereich enormen Konkurrenzdruck. Im speziellen von den zuvor erwähnten Angeboten von Lernplattformen. Auch die großen Wirtschaftsunternehmen wie Microsoft, Google und Apple mischen im Bereich der Bildung mit. durch die sogenannten Open Educational Resources (OER) stehen Verlage unter Druck. OER sind unter anderem Lehrmaterialien und Arbeitsbögen von LehrerInnen, die auf verschiedene Webseiten hochgeladen werden können und dann von anderen LehrerInnen weiter benutzt werden können. Riskiert man darüber hinaus einen Blick auf zahlreiche Messen für digitale Bildung, kann man sich vor Angeboten kaum retten. Der neuste Trend: Virtual Reality Brillen für den Unterricht.
Das Angebot für LehrerInnen kann erschlagend wirken und verunsichern. Das sollte LehrerInnen aber nicht davon abhalten, es nicht einfach mal auszuprobieren. Wichtig ist vor allem die Reflektion über den Einsatz der Medien. Denn hier gilt wie mit jedem anderen Medium auch, dass die Nutzung (digitaler) Medien nicht per se Erfolg bedeutet.
Universitäten haben dabei bislang wenig Unterstützung angeboten. Seminare zum Thema Digitalisierung kommen sehr selten im Vorlesungsverzeichnis für Lehramtsstudierende vor. Und wenn, dann sind sie nicht verpflichtend, sondern freiwillig. Doch genau hier muss angesetzt werden. Wenn Digitalisierung schon in der Ausbildung und dabei in jeder Fachdidaktik eine wichtige Rolle in Anspruch nehmen würde, wenn zukünftigen LehrerInnen digitale Kompetenzen erlernen und Sicherheit bekommen, wird die Hemmschwelle, diese im Unterricht später zu benutzen deutlich geringer sein.
Genau das sollte auch mit Wankas Paket in Angriff genommen werden. Mit der Zusammenarbeit von Bund und Ländern sollte der Bund für die Finanzierung der Infrastruktur und die Länder für die Konzepte aufkommen. Geld und Ausstattung soll es demnach nur geben, wenn ein Medienkonzept vorhanden ist. Dadurch sollte dem Rumstehen von ungenutzten Computern etc. vorgebeugt werden. Geplant war auch, vermehrt in die LehrerInnen Aus- und Fortbildung zu investieren. Schon längst stellt sich nicht mehr die Frage, ob digitale Bildung eine wichtige Rolle spielen sollte, sondern wie schnell ein fächerübergreifendes Medienkonzept realisiert werden kann. Ideen gibt es schon, nun brauchen wir das Geld, Frau Wanka.
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Text: CC-BY-SA 3.0