wahlversprechen logoViele Bürger glauben, dass die Versprechen von vor der Wahl nicht eingehalten werden. Mit dem Projekt “Wahlversprechen” wollen die Macher nachprüfbar machen, ob die Bundesregierung, das, was sie ankündigt, auch umsetzt – oder eben nicht. Das Team übersetzt dafür die Aussagen aus Dokumenten und Reden in verständliche politische Vorhaben, deren Bearbeitung über die Legislaturperiode hinweg dokumentiert wird. Anhand von 5 Fragen lassen wir sie, sich und ihr Projekt vorstellen.
politik-digital.de: Was ist die Mission Ihrer Organisation?
Wir möchten einen besseren Überblick schaffen, wie viele ihrer Vorhaben die deutsche Bundesregierung im Laufe einer Legislaturperiode eigentlich umsetzt. Die Regierung muss sich an ihren Versprechen messen lassen und die Wähler müssen überprüfen, wie konsequent eine Regierung ihre Wahlversprechen eingehalten hat.
Natürlich nehmen die Medien bei der Berichterstattung heute auch schon Bezug auf den Inhalt des Koalitionsvertrags oder die Wahlprogramme, aber im Laufe einer Legislaturperiode geht der Überblick verloren, was alles erledigt oder eben nicht erledigt wurde.
Deshalb haben wir alle Wahlversprechen der Regierungsparteien und alle Inhalte des Koalitionsvertrags im genauen Wortlaut dokumentiert und nach Ressorts gruppiert. Dabei haben wir uns auf Vorhaben beschränkt, die präzise genug formuliert sind, dass sie überhaupt bewertet werden können. Für die übrig gebliebenen Vorhaben wollen wir dauerhaft und so objektiv wie möglich dokumentieren, ob sie ganz oder teilweise umgesetzt wurden oder nicht und woran die Umsetzung scheiterte.
politik-digital.de: Was wollen Sie erreichen und wie wollen Sie das erreichen (bzw. wie arbeiten Sie)?
Momentan sagen 80% der Deutschen laut Forschungsgruppe Wahlen, dass sich die Parteien nicht an ihre Wahlkampf-Ankündigungen halten, wenn sie nach der Wahl an die Regierung kommen. Lediglich 18 Prozent glauben, dass die Wahlkampfversprechen dann auch eingehalten werden.

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Symbole neben den Versprechen zeigen ihren jeweiligen Bearbeitungsstatus an

Wir möchten überprüfen ob das stimmt und mehr noch allen die Möglichkeit geben das überprüfen zu können.
Wir glauben, dass das System der repräsentativen Demokratie langfristig nicht funktionieren kann, wenn es vor Wahlen nicht deutlich unterscheidbare politische Angebote gibt – und diese dann hinterher auch wenigstens der Richtung nach umgesetzt werden. Sonst verliert unser System mit konkurrierenden Parteien und Ideen ihren Sinn. Wir wollen sicherstellen, dass die Bürger als Souverän über die Richtung der Politik bestimmen können. Dazu müssen die politischen Vertreter ernst gemeinte Vorhaben formulieren und die Bürger müssen deren Umsetzung vergleichen können. Das lässt sich nur mit einer systematischen Dokumentation dieser Vorhaben und ihrer eventuellen Umsetzung erreichen.
 
politik-digital.de: Wie entstand die Idee zu Ihrem Projekt? Gab es Vorgängerprojekte?
Wir wollen eine genauso verlässliche und populäre Quelle für die Beobachtung des politischen Geschehens in Deutschland sein, wie es der Dienst “Obameter” der Tampa Bay Times in den USA vorgemacht hat, der uns als Inspiration für unser Projekt diente. Dort kann man nachlesen, dass Präsident Obama erstaunlich viele seiner Ankündigungen umsetzen konnte – zumindest abgeschwächt als Kompromiss. Und wer das nicht glauben will, der hat die Möglichkeit, bei jedem einzelnen Thema genauer nachzulesen, ob und wie aus Vorhaben konkrete Gesetze und Maßnahmen geworden sind. Genau das wollen wir nun auch in Deutschland anbieten.
politik-digital.de: Warum nutzen Sie das Internet für Ihre Ziele? Warum glauben Sie, dass das Internet ein Potential für mehr Transparenz und Partizipation bietet?
Die Stärken des Internets sind essenziell für unser Projekt: Wir können zu geringen Kosten ein großes Publikum erreichen, die Inhalte aktuell halten, können ohne physische Beschränkungen die Umsetzung jedes Vorhabens dokumentieren und den politisch interessierten Bürgern die Möglichkeit geben, sich einzubringen, mitzudiskutieren, die Umsetzung mitzuverfolgen und sich mit ihrem Fachwissen einzubringen.
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Eine Statusleiste bietet einen schnellen Überblick über die bisherige Regierungsarbeit

Jedes Medium, dass sich aufs Internet konzentriert, wie etwa vox.com, versucht, diese Stärken maximal auszunutzen. Wir auch und wir freuen uns daher über weitere Mitstreiter. Designer, Programmierer, Autoren sind herzlich eingeladen, mit uns zusammenzuarbeiten. Auch anonym kann man uns mit Informationen unterstützen.
 
 
politik-digital.de: Können Sie sich (netz-)politische Entwicklungen vorstellen, die Ihre Arbeit fördern oder behindern könnten?
Wir sind ja weniger ein datengetriebenes Projekt, dass etwa stark davon abhängt, welche Daten die Bundesregierung oder untergeordnete Behörden veröffentlichen oder nicht. So lange also die Bundesregierung mit Journalisten kommuniziert und in irgendeiner Form ihre Arbeit rechtfertigen muss, gibt es also eine Basis für unser Projekt.
Nichtsdestotrotz versuchen wir aber die Entwicklung hin zur Veröffentlichung öffentlicher Daten für unsere Arbeit zu nutzen. Wir möchten in den kommenden Monaten die bestehenden Werkzeuge wie fragdenstaat.de, offenesparlament.de und offenerhaushalt.de stärker nutzen und wenn möglich in unsere Webseite integrieren.
Wichtiger für unsere Arbeit wäre, dass Onlinemedien in der Gesellschaft stärkere Akzeptanz fänden. Ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass das hierzulande im gleichen Maß wie in den USA der Fall ist. Dort gibt es seit kurzem mehrere journalistisch ambitionierte politische Newsseiten, die nur noch im Internet veröffentlichen wie qz.com, vox.com, fivethirtyeight.com, die nicht einfach nur schneller als die klassische Zeitung sein wollen, was auch die deutschen Onlinenachrichten gut schaffen, sondern die versuchen, inhaltlich besser zu sein als die klassische Zeitung.
politik-digital.de wünscht viel Glück!
Hier geht’s zur Website von Wahlversprechen: https://www.wahlversprechen2013.de/
Der Code für das Projekt ist Open Source und veröffentlicht unter: https://github.com/stheophil/wahlversprechen
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Das Wahlversprechen-Team (v.l.n.r.): Sebastian Theophil, Jan Falk und Henning Brinkmann

 
Bilder: © Sebastian Theophil
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