In den USA finden am 6. November Präsidentschaftswahlen statt. Für den Posten des Regierungschefs kandidieren Amtsinhaber Barack Obama und sein Herausforderer, der Republikaner Mitt Romney. Wer der Richtige für den anspruchsvollen Job ist, sollen TV-Duelle zeigen. Die erste Debatte im aktuellen Wahlkampf fand Anfang Oktober in Denver statt. Es folgte ein Townhall-Meeting in Hempstead im Bundesstaat New York in der vergangenen Woche. Das letzte der insgesamt drei Events spielt sich heute Nacht ab. Eine gute Gelegenheit, mal einen Blick auf das spannende Medienformat zu werfen.

Duelle sind ein altes, gut dokumentiertes Format. Bereits das Alte Testament weiß vom legendären Kampf Davids gegen Goliath zu berichten. Weitere Assoziationen entstehen, denkt man nur an die blutigen Gladiatorenkämpfe im alten Rom, die Revolverduelle in unzähligen Wildwestfilmen oder das Rendezvous bewaffneter Adliger im Morgengrauen.
Im modernen Leben sind Duelle verboten und im Alltag eher selten zu beobachten. Zumindest die Sorte von Zweikämpfen, bei denen sich die Kontrahenten gefährlicher Waffen bedienen und ihren Streit um die persönliche Ehre letztgültig zu entscheiden versuchen. Erlaubt sind hingegen die nervenaufreibenden Wettkämpfe im Sport und natürlich die beliebten Kochduelle im Programm zahlreicher Fernsehanstalten. Bewaffnet mit Kochmesser und Suppenlöffel, wird dort allabendlich um die Wette geschnipselt und gebrutzelt. Und feinster kulinarischer Kampfsport betrieben. Am Ende entscheidet eine Jury aus Profiköchen oder ein Tribunal ausgewählter Zuschauer, wer die Disziplinen Vorspeise, Hauptgericht und Dessert für sich entscheiden konnte.

Und in der Politik? In zahlreichen Parlamenten rund um den Globus gibt es zwar hitzige Debatten und kämpferische Streitgespräche, aber einen echten Duell-Charakter haben diese Ereignisse nur selten. Deutlich häufiger finden sich solche Formate kurz vor Wahlen, wenn die Spitzenkandidaten der Parteien versuchen, die wahlberechtigten Bürger für ihre Ideen und Vorhaben zu begeistern. Dafür kleben sie Plakate, werben mit kurzen 30-Sekunden-Spots in Radio und TV oder präsentieren sich in einer der vielen politischen Talkshows. Und – das ist gute amerikanische Tradition zwischen Alaska und Florida: die Kandidaten treten vor die Kamera, um sich zu duellieren. Natürlich geht es auch dort stets unblutig zur Sache – gekämpft wird nicht mit Säbel oder Pistole, es zählt einzig das treffsichere und überzeugende Argument.

    
In den USA finden am 6. November 2012 Wahlen statt. Lesen Sie weitere Beiträge zum US-Wahlkampf in unserer Reihe #US2012
Als Geburtsstunde der TV-Duelle gilt das Aufeinandertreffen der beiden amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Richard Nixon und John F. Kennedy im Jahr 1960 – ein unrasiert und kränklich wirkender Nixon trifft auf den nicht nur jungen, sondern auch überaus smarten Herausforderer Kennedy. Nixon macht in dem Duell keine gute Figur und verliert schließlich auch die Wahl äußerst knapp. Bis sich das Debatten-Format im TV endgültig durchsetzen konnte, sollten allerdings noch ein paar Jahre vergehen. Ab Mitte der 1970er Jahre wurde es zum festen Bestandteil amerikanischer Wahlkämpfe.

In Deutschland waren es Gerhard Schröder und Edmund Stoiber, die sich im Jahr 2002 zum ersten Mal in einem so genannten Kanzlerduell gegenüberstanden und damit dem Format hierzulande eine gewisse Prominenz verliehen. Drei Jahre später sorgten Amtsinhaber Schröder und CDU-Frau Merkel mit ihrer Fernseh-Debatte für hohe Einschaltquoten.

Trotz grundsätzlicher Ähnlichkeiten unterscheidet sich das deutsche Kanzlerduell im Detail deutlich von seinem amerikanischen Pendant. Das liegt einerseits an den politischen Rahmenbedingungen – zwei starke Spitzenkandidaten, die im (de-facto) Zwei-Parteien-System der USA aufeinandertreffen -, aber eben auch an dem ungleich höheren Grad an Professionalität bezüglich Organisation und Durchführung solcher Großevents.

Anders als hierzulande werden die Rahmenbedingungen amerikanischer Rededuelle nicht zwischen den politischen Parteien und den Fernsehsendern in Hinterzimmern ausgehandelt, sondern sind mit der “Commission on Presidential Debates” (CPD) stärker institutionalisiert. Dabei sorgt die Organisation nicht nur für die Finanzierung solcher medialen Großereignisse, sondern garantiert auch einen strukturierten Ablauf, kümmert sich um die Gestaltung der Regeln und fungiert (sollte es zu Problemen kommen) als Clearing-Stelle zwischen den Kontrahenten.

Für die erste TV-Debatte im aktuellen Obama/Romney-Wahlkampf wurde ein Format von 90 Minuten ausgehandelt. Insgesamt sechs Themenblöcke à 15 Minuten wurden mit einer Eingangsfrage eröffnet, worauf jedem Kandidaten zwei Minuten für seine Antwort blieben. Um die Einhaltung der Regeln kümmerte sich ein Moderator, der wie ein Schiedsrichter im Boxring dafür zu sorgen hatte, dass der Redestreit auch einigermaßen fair abläuft.


Drei Phasen der Presidential Debate

Der amerikanische Journalistikprofessor Alan Schroeder gliedert den Debattenprozess in drei voneinander getrennte Analyseeinheiten. Er unterscheidet zwischen der so genannten pre-debate, also dem Vorlauf einer Debatte, der Durchführung (debate) und der post-debate, dem Zeitraum nach einem Rededuell.

Pre-Debate

Bei der klassischen Berichterstattung in Print, TV und Internet geht es vor einem Duell in erster Linie um die Diskussion des Formats, die Auswahl der Austragungsorte und die Frage, zu welchen Terminen die ausgehandelten Redeschlachten stattfinden sollen. Zudem fällt die Vorbereitung der Kandidaten in diesen Zeitabschnitt. Für die Duellanten heißt es nämlich: Ab ins Trainingslager, wo sie mit ihren Beratern intensiv an Rhetorik, Mimik und Gestik feilen können. Eine intensive Vorbereitung ist empfehlenswert, immerhin geben die Debatten den Kandidaten die Möglichkeit, ihre Botschaften ungefiltert an die Zuschauer zu senden. Freilich: Eine allzu intensive Vorbereitung birgt die Gefahr, dass die Reden sehr statisch wirken und die Duellanten den Eindruck hinterlassen, nur den Text aufzusagen, den sie vorher mühsam eingeübt haben.

Debate

Während das Rededuell noch in vollem Gange ist, findet bereits in zahlreichen Blogs und in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter ein intensiver Austausch darüber statt, wie sich die Kandidaten bei ihrer verbalen Auseinandersetzung anstellen. Bei Twitter geht es dann gerne auch mal um die Zukunft von “Bibo aus der Sesamstraße” oder einen rätselhaften “Aktenordner voller Frauen“. Überall dort, wo sich ein Kandidat einen Fauxpas erlaubt oder hinter die auswendig gelernten Wahlkampfbotschaften blicken lässt, entspinnen sich Diskussionen, die von den traditionellen Medien reflektiert und als Spin im Anschluss an die Debatte weiterverbreitet werden. Im Gegensatz zu Rededuellen früherer Tage rückt die Phase der Debatten-Analyse somit zeitlich deutlich nach vorne.

Schaut man sich die Duelle im amerikanischen Fernsehen an, so verwundern zudem die vielen Informationen, die dem Zuschauer neben dem eigentlichen Fernsehbild angeboten werden. Fokus-Gruppen, die von den TV-Sendern zusammengestellt wurden und das Duell am Computer verfolgen, entscheiden per Knopfdruck und in Sekundenschnelle, ob das Argument eines Kandidaten zünden konnte oder ein rhetorischer Fehlschlag war. Wie Herzfrequenzkurven flimmern solche spontanen Erhebungen über den Bildschirm und geben Auskunft über den Zustand der Redeschlacht. Die Zuschauer vor den Fernsehgeräten bekommen Erregungskurven zu sehen, die Zustimmung und Missfallen visualisieren.

Post Debate

Die Debatte ist gelaufen, die Schlacht allerdings noch lange nicht geschlagen. Als Kandidat zeigt man sich an diesem Punkt natürlich hoch zufrieden mit dem Verlauf der Diskussion und tritt mit einem siegesgewissen Lächeln vor die Linsen der anwesenden Journalistenschar. Das ist auch der große Moment der Spin-Doktoren, also jener Spezies von Beratern, die den Medienvertretern ihre Sicht des Debattenverlaufs in die Kladde beziehungsweise ins Notebook diktieren. Der Kampf um die Deutungshoheit hat begonnen und nichts wird unversucht gelassen, um die Wählermeinung zu beeinflussen.
Dazu gesellen sich Schnellumfragen, die die meisten großen US-Fernsehsender mittlerweile fest in ihr Programm integriert haben. Eil- und Sondermeldungen informieren über das Urteil der befragten Wählergruppen. Ergänzt werden solche (in der Regel nicht repräsentativen) Umfragen durch die Kommentare anerkannter Politikexperten.

Die entscheidende Frage am Schluss: Wer hat gewonnen?

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=iNhUI8ktHuw] Die spannende Frage nach dem Sieger solcher Duelle ist übrigens nicht immer leicht zu beantworten. Viele Journalisten, die am Tag nach dem ersten TV-Duell zwischen Barack Obama und Mitt Romney in ihren Zeitungen über das Fernsehereignis berichteten, sahen den republikanischen Herausforderer als klaren Sieger. Nach dem zweiten Aufeinandertreffen, während eines Townhall-Meetings, vermeldeten die Medien ein Comeback Obamas. Dieser konnte, so die Expertenmeinung, seine Niederlage aus erster Runde überwinden und liege nun wieder auf Augenhöhe mit seinem Herausforderer Romney. Ein klassisches Unentschieden also. Und damit ein Cliffhanger, den sich kein Drehbuchautor hätte besser ausdenken können.
Ob Romney im letzten Duell die Sache endgültig für sich entscheiden kann oder ob Obama nach seinem letzten Debatten-Triumph wieder zur alten Form zurückgefunden hat, wird man heute Nacht verfolgen können. Beide Kontrahenten treffen dann ein letztes Mal an der Lynn University in Boca Raton in Florida aufeinander. Möge der Bessere gewinnen.