Mit ihrer professionell geführten "Kampa" eroberte die SPD 1998 die Macht und setzte hierzulande neue Wahlkampf-Standards. Längst organisieren jetzt PR-Profis in den "War Rooms" die Außenwirkung von Köpfen und Programmen.

 

Bereits sicher ist, was die Verlierer der Bundestagswahl am Abend des 22. September in die TV-Kameras schimpfen werden: "Es ist uns nicht ausreichend gelungen, den Wählern unser zukunftsweisendes Programm zu vermitteln!" Bekannt ist auch, welche Medien Gerhard Schröder für wahlentscheidend hält: "
Bild, BamS, Glotze!" Doch von welchen Strategien versprechen sich die Wahlkampfmacher die größte Wirksamkeit? Die Planungen der beteiligten PR-und Werbe-Kreativen sind geheim. So sehen es die Verträge vor. Und genauso geheim sind auch auch die Honorarvereinbarungen. So wird gemunkelt, dass manche Agenturchefs erst am Wahlabend per Taschenrechner ermitteln können, was am Ende überhaupt hängen bleibt – im internationalen Maßstab wird politische Kommunikation in Deutschland lausig entlohnt. Doch zumindest zeichnet sich allmählich ab, in welche Richtung sich der Wahlkampf in seiner heißen Phase entwickeln wird: Gekämpft wird um die Wechselwähler, die immer zahlreicher werden, unsichere Kantoninsten, die nur schwer zu berechnen sind. Ausgemacht gilt dabei unter Experten, dass nicht Programme im Zentrum stehen, sondern der Zweikampf von Bundeskanzler Schröder gegen seinen Herausforderer Stoiber. Vordergründig wird es um wirtschaftspolitische Kompetenz und Arbeitsplätze gehen. Doch: Seit sich auch Schröder massiv über sozialdemokratische Spenden- und Korruptionssümpfe sorgen muß und die spektakuläre Insolvenz des von der bayrischen Staatsregierung gehätschelten Kirch-Konzerns Stoibers Überflieger-Image ankratzt, steht zu erwarten, dass die Verlierer noch einen weiteren Grund für ihr Scheitern nennen können: "Der politische Gegner hat eine Schmutzkampagne geführt!"

"Kampa 02 – Hat sich Schröder bewährt?

Für die Schröderpartei soll die Kampa, die diesmal "
Kampa ’02" heißt, den Kampf ums Kanzleramt gewinnen helfen. Offiziell lassen sich die Genossen ihren Wahlkampf 25 Mio. Euro kosten. Als Werbeagentur hat die SPD, wie bereits 1998, die Hamburger Agentur
KNSK engagiert, die schon rund 30 Kampagnen für die SPD organisiert hat. Den Online-WahIkampf der SPD betreut aber die Agentur
A&Bface2net. In der Wahlkampfzentrale an der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte werden die Aktivitäten der beiden Agenturen koordiniert. Dabei gilt die Zusammenarbeit zwischen Generalsekretär Müntefering, Bundesgeschäftsführer Matthias Machnig und KNSK-Chef Detmar Karpinski als eingespielt: "Wir sind bereit!" lautetete 1998 einer der erfolgreichen KNSK-Claims. "Wir wollen nicht alles anders, aber vieles besser machen", war ein weiterer Slogan, der damals die Stimmung vieler Wähler traf, die den Pfälzer Kohl nach 16 langen Jahren nicht mehr regieren lassen wollten. Damals lag der Wechsel in der Luft. Und in der Kampa 02 weiß man, worauf es auch diesmal ankommen wird: Auf den Kanzler. Denn der populäre Schröder liegt, trotz des Negativtrends der Rot-Grünen Koalition, in allen Umfragen vor dem Bayern Stoiber. Das ist das Pfund, mit dem die SPD wuchern wird. Und auch das Schröder-Image, das beim potentiellen Wähler verankert werden soll, steht laut Kampa 02-Mitarbeiter Malte Ristau fest: "Sicherheit im Wandel". Als nüchterne Leistungsbilanz soll die zurückliegende Legislaturperiode beschrieben werden: "Mehr Licht als Schatten." Denn ins ganz laute Horn können die Sozialdemokraten nicht mehr stoßen, seit Gerhard Schröder den Fehler beging, höchstens 3,5 Millionen Arbeitslose zur entscheidenden Meßlatte seines Erfolgs zu machen. Auch der Politik der "ruhigen Hand" hat Schröder – auf Drängen seiner Berater – öffentlich abgeschworen. Den Versuchen des Rivalen Stoiber, in seinem Revier, der "Neuen Mitte" Wählerstimmen zu wildern, begegnen die Kampa 02-Öffentlichkeitsarbeiter mit Spott: "Edmund, Essen ist fertig", lautete eines der ersten
Plakate, nachdem die Union die K-Frage geklärt hatte: Dem langezeit auffällig zurückhaltenden Bayern wird ein Teller Kreide offeriert. "Wir haben schon 1998 mit vielen Gesetzen der Wahlkampfwerbung gebrochen und einen der Markenindustrie angepassten Wahlkampf gemacht. Unsere Zusammenarbeit war hochprofessionell und hat Spaß gemacht hat", erklärte KNSK-Chef Karpinski die Motivation für sein erneutes Engagement für Schröders SPD. KNSK, Teil des BBDO-Netzwerks, zählt Unternehmen wie Daimler-Chrysler oder die Bertelsmann-Tochter Gruner & Jahr zu seinen Kunden. Eine der ersten PR-Maßnahmen in diesem Wahlkampf: Eine Anzeige in der "Bild"-Zeitung, die – statt einer Aufnahme von Edmund Stoiber -lediglich eine gähnend leere Fläche zeigt: "Endlich: Der Kandidat der CDU/CSU ist da. Leider nicht im Bild, da zu weit rechts", lautete der dazugehörige Text.

Arena 02 – Stoibers Kompetenz-Team

Der Mehrheit der Union erschien, nachdem Edmund Stoiber das Kandidatenduell gegen Angela Merkel für sich entschieden hatte, der bayrische Ministerpräsident als neuer Hoffnungsträger. Doch bereits eine von Stoibers ersten Wahlkampfmaßnahmen erwies sich als wenig clever: Er präsentierte mit Franz-Josef Jung einen Wahlkampfmanager, der schon vor dem Start aufgrund seiner Rolle im hessischen Spendenskandal das Handtuch werfen musste. "Stoibers erster Flop!" frohlockte der Gegner. Mit Michael Spreng, von 1989 bis 2000 Chefredakteur der "Bild am Sonntag, war dann zumindest ein Wahlkampfmanager gefunden, dessen Medienerfahrung unbestritten ist. Wichtig für Stoiber, dem jene Fernsehtauglichkeit fehlt, die Schröder längst perfektioniert hat. "Ich soll Zerrbilder verhindern", erklärte Spreng seine Funktion in Stoibers Arena-Team. Doch auch einige TV-Auftritte von Edmund Stoiber misslangen gründlich. Dies gilt vor allem für seinen Auftritt bei Talklady Christiansen: Das Publikum erlebte einen unsischeren, stotternden Herausforderer, der sich in komplizierten Zusammenhängen verhedderte. "Sehr beruhigend!" spottetete daraufhin Franz Müntefering. Die medienwirksame Positionierung des Bayern wird – da sind sich die Insider sicher – sehr viel schwieriger, als das nach Stoibers offizieller Kandidatur die Optimisten in den Reihen der CDU/CSU geglaubt hatten.

Neue Wege bei der Union

Dabei begann in der Union begann lange vor dem jetzt anlaufenden Wahlkampf ein Umdenken in Sachen Werbung, PR und Kampagnenführung, verursacht nicht zuletzt durch Wahlerfolge der SPD. Während der Ära Kohl hatten die Christdemokraten auf die mittelständische Agentur von Mannstein aus Solingen gesetzt. Das Resultat war politische Kommunikation, die im Ruch des provinziellen stand. Doch die erfolgsverwöhnte CDU unter dem Pfälzer Schwergewicht versuchte, die durch amerikanische und britische Kampagnentechniken angereicherte Strategie der SPD als Medienblendwerk ohne inhaltlichen Gehalt abzuqualifizieren. Zwar ist nach dem Desaster von 1998 auch bei der Union ein Wahlkampfmanager wie Ex-Generalsekretär Peter Hintze nicht mehr vorstellbar. Doch der Vorwurf gegen Gerhard Schröder, als bloßer "Show-Kanzler" zu agieren, gehört in der politischen Auseinandersetzung noch immer zum CDU/CSU-Lieblingsrepertoire. Um an die Wahlversprechen des Niedersachsen zu erinnern, plakatierte die CDU auf riesigen Flächen die aktuellen Arbeitslosenzahlen. Ob die Entscheidung der Union, auf zwei Agenturen zu setzen, glücklich ist, wird man wohl erst nach Auszählung der Wahlurnen wissen. Zwar läuft die Gesamtheit der Herausforderer-Kampagne unter dem Obergegriff "Arena 02" und ist im Berliner Konrad Adeneauer-Haus angesiedelt. Verantwortlich für die Kampagne der CDU zeichnet
McCann-Erickson, der deutsche Ableger des 1911 gegründeten weltweiten Netzwerkes, zu dessen Kunden sonst Coca-Cola, Siemens oder Opel zählen. Über die geplanten Inhalte der CDU-Strategie gibt McCann-Erickson-Deutschlandchef Helmut Sendlmeier keinerlei Auskunft. Immerhin teilte er mit, dass seine Kreativ-Schmiede von den Christdemokraten unter 100 Agenturen für den Wahlkampf ausgewählt wurde. Doch die CSU bringt – über die Gründe gibt man keine Auskunft – zusätzlich noch die Münchner Agentur
Serviceplan in Stellung, die weiterhin Edmund Stoibers Auftritte in Bayern betreut. Die Abstimmungsprobleme – das hoffen vor allem die Gegner – sind bereits programmiert, ein kniffliger Nord-Süd-Balanceakt steht bevor. Dass die Union noch erheblichen Beratungsbedarf in Sachen Werbung und PR hat, bewies CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer bereits im letzten Jahr: Damals hatte er mit einem Plakat punkten wollen, das Kanzler Schröder als Fahndungsobjekt in einer Verbrecherkartei zeigte. Nachdem sich die Öffentlichkeit einhellig empört zeigte, verschwand der Entwurf schnell in der Mottenkiste.

Kantig in den Wahlkampf

Wie aber soll nun Edmund Stoiber positioniert werden? Stoiber muss die wahlentscheidenden Wähler der Mitte erreichen. Kann er sich dabei von Positionen entfernen, die bislang sein rechtskonservatives Image prägten? Was würde zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit bei der eher traditionellen Anhängerschaft führen? "Gefragt ist das Echte und Authentische, nicht das Inszenierte!" kündigt Michael Spreng an. So soll Stoiber als authentischer Leistungsträger präsentiert werden. Auffällig allerdings, dass nicht erst seit dem Kirch-Dilemma auf allzu deutliche Hinweise auf die wirtschaftspolitischen Erfolge in seiner bayrischen Heimat verzichtet wird. Zuviel bayrisches Lokalkolorit, dass wissen die PR-Strategen kommt bundesweit nicht besonders gut an – und verprellt besonders die Wähler im Osten. Erste Resultate der Unions-Kampagne werden jetzt in allen Landeshauptstädten plakatiert: Als
"Kantig, Echt, Erfolgreich" wird Edmund Stoiber präsentiert, die Werbekampagne soll Stoiber als "Gegenmodell" zu Gerhard Schröder präsentieren. Der Bundeskanzler soll dagegen "als abgeschmirgelter Darstellertyp" wirken, so Michael Spreng bei der Präsentation der Plakate Anfang April in Berlin. Den Blickfang bilden , neben zwei Portrait-Ansichten, Stoibers Hände. Sie sollen laut Spreng "die Tatkraft des Kandidaten symbolisieren". Allerdings konnten sich CDU und CSU zwar bei den Fotos, nicht aber bei der Grafik auf ein gemeinsames Erscheinungsbild einigen: Während die Bayern kursive Schrift und einen breiten schwarz-rot-gold-Balken zu sehen bekommen, fällt die Schrift und der nationale Bezug im übrigen Deutschland insgesamt etwas kleiner aus. Michael Spreng ficht das allerdings nicht an. Er erkennt in dem überlebensgroßen Edmund Stoiber-Plakat, das nun das Konrad-Adenauer-Haus ziert, vor allem die Tatsache bestätigt, dass "Edmund Stoiber in Berlin angekommen" sei. Und wofür soll der kantige, der echte, der erfolgreiche Stoiber im Bewußtsein potentieller Wähler stehen? "Edmund Stoiber ist der Mann, der sich treu bleibt, der sich auch als Kanzlerkandidat nicht verbiegt!" Zwar weiß Edmund Stoiber als ehemaliger Wahlkampfmanager von Franz Josef Strauß, dass seine Profilierung nach rechts zu seiner Niederlage führen könnte. Sollte sich aber zeigen, dass Stoiber gegenüber Schröder weiter an Boden verliert, können sich Insider doch noch einen populistischen Stoiber-Schachzug vorstellen. Stoibers Wahlkampfthese wäre dann: "Deutschland ist kein Einwanderungsland". Das mit rot-grüner Mehrheit unter spektakulären Umständen bereits verabschiedete Zuwanderungsgesetz, dass Bundespräsident Johannes Rau heute unterzeichnete, wäre dann wieder ein Thema.

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PR-Profis im Wahlkampf 2002: FDP, B`90/Die Grünen und PDS

Der Artikel erschien am 3. Mai 2002 im
PR Report.

 

Erschienen am 20.06.2002