Die kleinen Parteien im Wahlkampf Südwest

Orchideen
im Parlament sind selten: zu empfindlich, zu kleinwüchsig, zu exotisch.
Orchideen im Netz sind hingegen eigentlich am richtigen Platz, denn im
WWW können Exoten den gleichen Raum beanspruchen wie der Mainstream,
zarte Pflanzen gedeihen auf digitalem Humus besonders gut. Die meisten
der Orchideen-Parteien, die nächste Woche im Südwesten auf den
Wahlzetteln stehen, nutzen das Internet allerdings nur unzureichend zur
Selbstdarstellung. Und im Gegensatz zur Pflanzenwelt sind nicht alle
politischen Orchideen eine optische und inhaltliche Zierde.

In Baden-Württemberg und
Rheinland-Pfalz gehen neben den "großen" Volksparteien auch zahlreiche
kleine zugelassene Parteien auf Stimenfang, einen eigens konzipierten
Wahlkampfauftritt im Web hat keine von ihnen. Grund dafür mögen die
knappen Budgets der "Orchideen" sein, die bei Landtagswahlkämpfen in
der Regel zwischen 01% und 1,5% der Stimmen für sich verbuchen können.

Die "größten Kleinen"…

sind zumindest in Prozentpunkten die politisch umstrittenen Republikaner.
Die württembergischen Reps,
deren Fraktionschef Rolf Schlierer gleichzeitig Bundesvorsitzender ist,
haben die Startseite ihres Auftritts immerhin mit einer Tabelle
versehen, auf der alle Kandidaten verlinkt sind. Leider sind die
meisten Informationen zu den Kandidaten dürftig. Ebenso dürftig ist der
ästhetische Anspruch, den die Macher an die eigene Site gestellt haben:
der Gestaltungswille offenbart und erschöpft sich in Gestalt eines
Plüschlöwens und eines flimmernden, unübersichtlichen Schriftbildes.
Navigation: Fehlanzeige. Da hilft es auch nicht, dass der Programmierer
der Seite das bewegte Bild für sich entdeckt hat. Bewegt man sich über
den "nächste Seite" Button durch das Angebot, kommt der Surfer auf eine
Zwischenseite, um von dort zu einer weiteren Zwischenseite zu gelangen,
um von dort auf einer weiteren – ja was eigentlich?- Übersichtseite zu
landen. Und hier geht es richtig los: sechs verschieden Schriftbänder
rattern über den Bildschirm, flankiert von einer Riege putzig über die
Site tanzender Löwen, gerahmt von immerhin drei rotierenden Bildchen,
kommentiert von einer freundlichen Frauenstimme. Inhaltlich bietet die
Seite alle notwendigen Features: von den Wahlprogrammen über Reden und
Berichte bis zu Foren und Terminen ist an alles gedacht worden. Wer
sich also von dem Animations-Overkill nicht abschrecken lässt, kann
sich so über die fragwürdige Rechts-Partei informieren.

In Rheinland-Pfalz präsentieren sich die Reps
im Netz etwas weniger krawallig; hier herrschen Recht und Ordnung.
Gleich von der Homepage des Landesverbandes führt ein Button zum Wahlkampfüberblick.
Die Wahlkampfthemen und die Kandidaten werden kurz vorgestellt und für
den engagierten vaterländischen Wahlhelfer gibt es eine geschmacklich
streitbare Plakatschau. Der Auftritt ist zwar nicht übermäßig originell
aber grundsolide.

 

Die Ergenisse der Orchideen bei den letzten Landtagswahlen

  Baden-Württemberg Rheinland-Pfalz
REP 9,1 3,5
Die Grauen 0,3 0,7
ÖDP 1,5 0,5
NPD 0,4
Naturgesetz 0,1 0,3
PBC 0,5 0,2
Tierschutz 0,2


Die ÖDP

Die Ökologisch-Demokratische Partei hat die Wahl zum Anlaß genommen, endlich einen Webauftritt für die Landesverbände Rheinland-Pfalz und Baden Württemberg
zu finanzieren. Ungefähr 5000 Mark hat die optisch ansprechende Site
der Württemberger gekostet. Leider findet der User erst nach einigen
Klicks auf die Wahl-relevanten Seiten. Die Liste der Kandidaten
ist auch nicht mehr als eine reine Auflistung. Möchte man mehr über die
Wahlkämpfer erfahren, muss man eine ermüdende Klick-Reise unternehmen.
Unter "die ÖDP" gelangt man zu einem Link "Regional". Dieser führt dann
auf die regionalen Seiten der konservativen Ökopartei, auf denen die
jeweiligen Kandidaten vorgestellt werden. Wählerfreundlich wäre ein
Link zu Programm und Kandidaten schon auf der Homepage.

Die Tierschützer

Die anderen Aspiranten auf Promille bei der Wahl am 25. März geben sich in Sachen Wahlkampf noch zugeknöpfter: Die Tierschutzpartei
hat unter "Baden Württemberg" eine Visitenkarte ins Netz gestellt,
unter der Rubrik "Wahl" findet sich zwar allerhand Programmatisches,
von der Landtagswahl 2001 allerdings keine Spur. Da bleibt zum
Stimmenfang nur der Kleber am Tapetentisch in der Fussgängerzone.

Die Partei Bibeltreuer Christen

Die Bibeltreuen Christen (PBC)
wenden sich mit ihrem Wahlprogramm an Christen aller Bekenntnisse. Die Seite
ist zwar kein Augenschmaus, aber die Fundamental-Christen haben sich inhaltlich
einiges einfallen lassen. Neben den üblichen Gundsätzen und Programmen
bietet die Partei Bibeltreuer Christen einen wöchentlichen Chat, einen
Newsletter, ein Diskussionsforum, ein Bibelregister in verschiedenen Sprachen
und ein Abstimmungstool. Hier kann man die Seite bewerten und wird dazu umgehend
zur "Christlichen Suchmaschine"
Fish.net
weitergeleitet. Der Informationsgehalt zur Wahl im Südwesten
tendiert dagegen gen Null. Hinter den Links zu den Landesverbänden verbirgt
sich lediglich ein Photo der treuen Christen und die jeweilige Kandidatenliste.
Der Link, der "weitere Informationen" verspricht führt leider ins Leere.
Beten alleine hilft nicht.

Graue Panther

Die Grauen Panther
nennen sich zwar die "Partei der Generationen", die Partei der
Generation@ sind sie aber garantiert nicht. Die wenigen Informationen
sind alle auf eine Seite mit einer schwer auffindbaren aol-Adresse
gepackt. Wer gerne endlos scrollt, wird hier seine Freude haben.
Hyperlinks haben die Panther noch nicht erfunden oder schon wieder
abgeschafft und das Thema Landtagswahl wurde ausgeklammert. Schade,
denn die politischen Ziele der "Unruh-Partei" hätten schon
interessiert, zumal der baden-württembergische auch der einzige
Landesverband ist.

Deutsche Kommunistische Partei

Weit links im
Online-Orchideen-Garten wächst die orthodox-kommunistische DKP, zu
sagen, dass sie dort auch gedeiht, wäre übertrieben. Anscheinend muss
seit dem Fall der Mauer gespart werden, auch programmatisch: die
letzten Einträge zu inhaltlichen Fragen stammen aus dem Jahr 1998. Immerhin leistet sich der Landesverband Baden Württemberg eine eigene Website. In Rheinland-Pfalz tritt die DKP nicht an. Bei den schwäbischen Kommunisten gibt Links zu den es sechs Wahlkreisen,
in denen Kandidaten antreten, einige Positionspapiere zum Herunterladen
und eine Auflistung der Kandidaten. Der Klassenkampf ist so wohl nicht
zu gewinnen, der Einzug in den Landtag auch nicht.

Die Naturgesetzpartei

Yogi-Flieger ins Parlament: auch die Naturgesetzpartei,
die uns zu jeder Bundestagswahl mit ihren lustigen TV-Spots entzückt,
existiert noch. Die Partei die auf ein "Neues Bewusstsein" in der
Politik setzt und Spiritualität statt Ideologie fordert, scheint sich
um die Landtagswahl, bei der sie in Baden Württemberg dabei ist, wenig
zu kümmern. Die Wahlinformation ist vermutlich rein spirituell und
deswegen nicht sichtbar, immerhin Telefon hat der Landesverband
Baden-Württemberg, so viel war zu erfahren. Diese wahlkämpferische
Enthaltsamkeit mag damit zusammenhängen, dass die Naturgesetzpartei
keine deutsche Erfindung ist und deshalb vor allem bei den
Europaparlamentswahlen in Aktion tritt.

Freie Wählergemeinschaft

Mit einem professionellen Webauftritt glänzen die freien Wähler in Rheinland-Pfalz,
die dort in Städten und Gemeinden mehr Mandate halten, als FDP und
Grüne gemeinsam. Die Wählergruppe versteht sich nicht als Partei,
sondern als Bürgerinitiative, deren Ziel es ist, die Politik weniger
bei professionellen Parteien und stärker beim engagierten Bürger zu
verankern. Da die Wählergemeinschaft keine Partei ist, fungiert in
gewisser Weise die gesamte Seite als Wahlkampf-Bastion. Unter dem
Navigationspunkt "Wahlbezirke" präsentieren sich die einzelnen
Kandidaten der FWG, leider wenig ausführlich porträtiert. Die
politischen Grundsätze sind kurz skizziert, auch hier wären
detailliertere Informationen wünschenswert. Zu den einzelnen
Regierungsbezirken gibt es jeweils schön gestaltete Karten, die leider
ohne nähere Erläuterung wenig Nutzen bringen. Die schöne optische
Gestaltung käme mit mehr Inhalt besser zur Geltung. Auch in Punkto
Interaktivität könnte die Freie Wählergemeinschaft, die ihre Chancen,
die 5% Hürde zu nehmen "als äußerst positiv" einstuft, noch nachlegen.
Ausser der Möglichkeit, eine Mail zu schicken, wird bei den Freien
Wählern in dieser Rubrik nichts geboten.

Rechtsaußen: NPD

Nicht nachlegen sollte hingegen die
National Demokratische Partei (NPD)
,
die, mit einem Fuß schon vorm Bundesverfassungsgericht stehend,
trotzdem noch in Rheinland-Pfalz antreten darf. Die rechtsradikale
Partei bestreitet ihren Wahlkampf, indem sie sich auf der Bundesseite
über an ihr verübtes Unrecht beklagt und den ahnungslosen Surfer mit
Spendenbettelei nervt. Vielleicht ist die inhaltliche Diaspora ein Akt
der Gnade, denn auf diese Weise bleibt einem das Wahlkampfprogramm der
Deutschtümler erspart.