Thema Vorratsdatenspeicherung (VDS)

Nach den Anschlägen in Madrid und London von 2004/2005 arbeiteten die SPE und die EVP gemeinsam die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) aus, die 2006 in Kraft trat (2006/24/EC). Polizei und Geheimdienste sollten damit in die Lage versetzt werden, Gefahren durch mutmaßliche Terroristen besser abwehren zu können. Anfang April dieses Jahres wurde die EU-Richtlinie durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gekippt. Die Grundrechtseingriffe seien in ihrer jetzigen Form unverhältnismäßig, urteilten die Richter. Auch wissenschaftlich sei es nicht erwiesen, dass die Vorratsspeicherung von Daten notwendig ist, um Verbrechen im Internet verfolgen zu können.

Diese Auffassung findet sich auch bei den Parteienverbänden wieder. SPE und ALDE bezweifeln, dass die VDS notwendig ist. Aus diesem Grund müsse – wenn überhaupt – zunächst geklärt werden, ob die damit verbunden Ziele nicht auf anderem Wege erreicht werden könnten. Die GRÜNEN halten die VDS grundsätzlich für unvereinbar mit den Grundrechten in der EU und sträuben sich gegen jede mögliche Neuauflage der Richtlinie. Auch die LINKEN wollen keine VDS und setzen sich dafür ein, bestehende Regelungen in EU-Mitgliedsstaaten abzuschaffen (Deutschland ist der einzige EU-Staat, in dem keine VDS erlaubt ist). Auch die PIRATEN wollen die Speicherung von Daten nur bei Anfangsverdacht erlauben. Allein für die EVP ist VDS ein effektives Mittel der “Terrorbekämpfung”. Sie hält daher an der Richtlinie fest, zeigt sich aber offen für eine Revision (Anm. d. Red.: Diese Aussage wurde vor dem Urteil des EuGH gemacht).

Thema Urheberrecht im digitalen Zeitalter

Insbesondere für die Kreativ- und Kulturwirtschaft ist das Internet als Medium von zentralem Stellenwert. Viele ihrer Produkte werden mittlerweile ausschließlich online vertrieben und veröffentlicht. Doch bisher sind das Urheberrecht sowie die Verfolgung von Verstößen gegen das Urheberrecht in allen EU-Staaten unterschiedlich geregelt. Eine Harmonisierung des Urheberrechts und der juristischen Verfolgung auf dem europäischen Markt scheint dringend geboten. Wollen die Parteien dies? Und auf wessen Seite stellen sie sich – auf die der Kulturschaffenden, der Verbraucher oder der Rechteverwerter?

Viele Parteien geben diesem Thema eine große (europäische) Bedeutung. So auch die SPE, die sich gegen nationale Rechtsrahmen und für einen einheitlichen Markt in der Sache ausspricht. Sie verweist auf die Infosoc-Richtlinie (2001/29/EC), die einige Urheberrechte regelt. Der Zugang zu Kultur müsse allen EU-Bürgern ermöglicht werden, und der Schutz der Kulturschaffenden müssen ebenso garantiert werden. Ähnlich sehen das die ALDE und die GRÜNEN. Sie fordern, ein harmonisierter Markt müsse Autoren und Konsumenten gleichermaßen gerecht werden. Die ALDE betont die Bedeutung des Themas für Bildung und Forschung. Die GRÜNEN wollen die Dauer des Schutzes von Werken verstorbener Autoren senken, die zuletzt sogar auf 70 Jahre erhöht worden war, nennen aber keine konkrete Jahreszahl. Das File-Sharing-Verbot für private Zwecke müsse – so die GRÜNEN – aufgehoben werden und die Abmahnungen von Usern ein Ende haben. Öffentlich finanzierte Werke sollen unter eine freie Lizenz gestellt werden.

Die LINKEN wollen eine Kultur des Teilens ermöglichen. Inwiefern sie sich eine Harmonisierung des Urheberrechts in der EU wünschen, bleibt aber unklar. Für Verstöße gegen das Urheberrecht würden die bestehenden Strukturen des Zivilrechts ausreichen, so dass nationale Gerichte auch Verstöße in grenzüberschreitenden Fällen verfolgen könnten. Die PIRATEN fordern die Abschaffung von Monopolen. Denn große Internet-Unternehmen seien die Profiteure der derzeitigen Regelung. Sie wünschen sich einen ausgewogenen Schutz im Sinne aller. In einer „digitalen europäischen Gesellschaft“ dürfe der Austausch von kulturellen Gütern nicht durch nationale Grenzen gebremst werden. Auch die EVP möchte das Urheberrecht modernisieren und dafür sorgen, dass sowohl Verbraucher und Unternehmen sowie Künstler Vertrauen in das Internet als Vertriebsweg haben. Die EU müsse aktiver im Bereich der Internet Governance werden und einen umfassenden rechtlichen Rahmen dafür schaffen, Copyright-Verstöße im Netz künftig zu verhindern.

Thema E- und Open-Government

Im Gegensatz zum Deutschen Bundestag arbeitet das EU-Parlament erstaunlich transparent. Alle Sitzungsprotokolle und Dokumente sind online verfügbar. Auch sämtliche Dokumente der EU-Kommission können abgerufen werden. Für die Arbeit des mächtigen Europäischen Rates, durch den u. a. Gesetzesinitiativen eingebracht werden, gilt dies jedoch nicht. Das ist sicherlich einer der Gründe dafür, dass der Eindruck, die EU habe ein „Demokratiedefizit“, mittlerweile weit verbreitet ist. Das Internet bietet viele Möglichkeiten der politischen Partizipation und könnte daher helfen, diesen stark vereinfachenden Vorwurf abzubauen. Wie stehen die Parteien zu dem verstärkten Einsatz von Neuen Medien, um die politische Kultur zu verändern?

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Die EVP beansprucht für sich, der erste europäische Parteiverband zu sein, der einen „Beteiligungsprozess“ (über die Plattform up2youth) für sein Aktionsprogramm 2014-2019 einführte. Sie hätten mehr als 40.000 Vorschläge ausgewertet und die besten als Anhang in ihr Wahlprogramm mitaufgenommen. Auf die Frage nach anderen Formen der Partizipation oder Transparenz bleibt die EVP uns eine Antwort schuldig. Die SPE und die ALDE wollen, das alle Daten und Dokumente zugänglich gemacht und Neue Medien dafür eingesetzt werden, die Distanz zwischen Bürgern und EU-Instanzen zu verringern. Bottom-up-Prozesse, also politische Prozesse, die aus der Zivilgesellschaft heraus initiiert werden, sollen dadurch leichter möglich gemacht werden. Die PIRATEN gehen noch weiter und fordern gar die Schaffung eines unabhängigen Organs, welches sicherstellt, dass die Dokumente tatsächlich zugänglich sind. Auch für sie gilt, dass die Top-down-Kommunikation im EU-System mittels Neuer Medien überwunden werden sollte. Für die LINKEN steht die Vereinfachung bürokratischer Verfahren für EU-Bürger im Vordergrund (welche das auf EU-Ebene sein sollen, ist nicht ersichtlich). Wichtig sei, dass dabei keine kommerzielle Software zum Einsatz komme, sondern solche mit offenen Standards. Die GRÜNEN unterstützen die Idee, interne Datensysteme Dritten zugänglich zu machen, wie z. B. der Nichtregierungsorganisation votewatch.eu, schlagen aber keine konkreten Online-Projekte vor. Dass sie den Einsatz des Internets für sinnvoll halten, haben sie mit ihrem Projekt Green Primaries demonstriert. Hierbei waren alle EU-Bürger aufgerufen, das Spitzenkandidaten-Duo online zu wählen.

Die Idee, Europawahlen online abzuhalten, unterstützt jedoch keiner der Parteienverbände. Es überwiegen Bedenken mit Blick auf die Gefahr der Manipulation. In manchen EU-Mitgliedsstaaten (z. B. in Estland) ist es allerdings bereits möglich, online für das Europäische Parlament abzustimmen.

                                                                                                                   (Fortsetzung auf Seite 3)

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