KabelsalatWir chatten mit Freunden in aller Welt, kaufen online ein und finden auf beinahe alle Fragen eine Antwort. „Ohne Internet geht es nicht mehr“, das würden sicher die allermeisten Bundesbürger unterschreiben. Laut (N)Onliner-Atlas 2013 sind 76,5 Prozent der Deutschen online, wir leben in einer digitalen Gesellschaft. Aber wie reagiert die Politik auf diesen elementaren Bestandteil unserer heutigen Lebenswirklichkeit?
Im großen Netzpolitik-Check zur Bundestagswahl hat die politik-digital.de-Redaktion sich die Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, FDP, Grünen, der Linken und der Piratenpartei angeschaut. Welchen Stellenwert haben digitale Themen bei Regierungs- und Oppositionsparteien und welche Standpunkte zur Netzpolitik vertreten diese im Wahlkampf? Die folgende Zusammenstellung der Positionen zu den wichtigsten Themen soll helfen, im netzpolitischen Dschungel nicht den Überblick zu verlieren.
Dabei haben wir uns auf die Programme zur Bundestagswahl konzentriert, auch wenn sie nicht immer die Mehrheitsmeinungen in den Parteien wiedergeben und auch nicht unbedingt die Politik der vergangenen Jahre widerspiegeln. Auch ist anzunehmen, dass zwischen links und rechts nicht immer dasselbe Verständnis verschiedenster Begriffe zugrunde liegt, sondern häufig viel Raum für Interpretationen bleibt.

Netzausbau

Netzausbau_t3nVor allem in ländlichen Gegenden ist das Internet auch im Jahr 2013 noch sehr langsam. Von flächendeckender Breitbandversorgung kann höchstens in den Städten die Rede sein, viele Menschen müssen sich weiterhin mit weniger leistungsfähigen Leitungen begnügen. Die Parteien zeigen in diesem Punkt weitestgehend Geschlossenheit. Die Forderung, das Breitbandnetz auszubauen, findet sich in allen Programmen. Bis es so weit ist, wollen Grüne und Linke den Übergang erst einmal mit WLAN überbrücken. Die Linke möchte den Netzausbau aus Sorge um eine zu geringe Refinanzierung aber nicht dem freien Markt überlassen. Sie will sich für eine Mindestgeschwindigkeit von 10 Mbits/Sekunde für die Datenübertragung einsetzen. Ebenso wie die Grünen und die SPD möchte die Linke eine Universaldienstverpflichtung für die Anbieter durchsetzen, damit diese auch in wirtschaftlich schwächeren Regionen für schnelle Netze sorgen. Wenn es nach der Linken geht, sollen zudem die „technischen Standards in regelmäßigen Abständen“ angepasst werden. Bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode möchten die Grünen flächendeckend Breitbandanschlüsse bereitstellen können. Darüber hinaus fordern sie als einzige Partei den Ausbau des Glasfasernetzes. Die CDU möchte eine flächendeckende Breitbandversorgung bis zum Jahre 2018 realisieren und zudem die  WLAN-Versorgung weiter ausbauen. Eine europäische Koordinierungsstelle soll nach dem Willen der Union eine Versorgung des ländlichen Raums sicherstellen. Und auch die Piratenpartei denkt global und strebt den gesamteuropäischen Netzausbau an.

Netzneutralität

Netzneutralität_t3nDie Pläne der Deutschen Telekom, künftig nach dem Verbrauch einer bestimmten Datenmenge die Geschwindigkeit der Übermittlung von DSL-Anschlüssen zu drosseln, begreifen fast alle Parteien als Eingriff in die Freiheit des Internets. Denn damit hätten Netzbetreiber die Möglichkeit, Inhalte unterschiedlich zu behandeln und zum Beispiel eigene Angebote bevorzugt zu behandeln. Die Festschreibung der Netzneutralität würde dies verhindern und eine Gleichbehandlung garantieren. Daher plädieren die drei Oppositionsparteien SPD, die Grünen und die Linke sowie die Piratenpartei ganz klar für eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität. Auch für die FDP stellt Netzneutralität das „Grundprinzip der Telekommunikationsregulierung“ dar, ohne dass sie sich in ihrem Programm klar für ein Gesetz ausspricht. Auch die Christdemokraten drücken sich wenig präzise aus; sie möchten „prüfen, ob der Gesetzgeber handeln muss, zum Beispiel zur Sicherung der Netzneutralität“.

Datenschutz

Datenschutz_t3nDer Umgang mit persönlichen Daten im Internet bleibt nach verschiedenen Datenschutzskandalen der vergangenen Jahre ein heißes Thema, das uns auch in der kommenden Legislaturperiode beschäftigen wird. Das schlägt sich erwartungsgemäß in den Wahlprogrammen nieder. Eine einmütige Forderung aller sechs Parteien lautet daher, dass persönliche Daten nur nach ausdrücklicher Einwilligung gespeichert und verwendet werden dürfen. Die Nutzer sollen weitestgehend autonom über eigene Daten im Internet bestimmen können, Persönlichkeitsrechte sollen gestärkt werden. Die FDP, die Linke, die Grünen und die Piratenpartei setzten sich für die Verwendung datenschutzfreundlicher Technik („Privacy by Design“) ein. Unterschiede gibt es bei diesem Thema im Detail: Die CDU/CSU vertraut auf das Verantwortungsbewusstsein von Unternehmen, Behörden sowie Nutzern und kündigt an, mit gesammelten Daten die „Umsetzung neuer, innovativer Projekte“ vorantreiben und die Nutzung von Daten fördern zu wollen. Über den Zweck wird der Leser des Wahlprogramms im Unklaren gelassen.
Die SPD formuliert wolkig, man wolle in Sachen Datenschutz weiterhin auf das Know-How von Experten aus der Netz-Community setzen, und tritt für unabhängige Datenschutzbeauftragte ein. Die Grünen plädieren für eine anonyme Kommunikation durch Verwendung von Pseudonymen. Die FDP schlägt vor, das Thema Datenschutz künftig im Justizministerium anzusiedeln und per Gesetz mehr Datensicherheit am Arbeitsplatz herzustellen. Die Linke spricht sich offen für ein Exportverbot von Hard- und Software aus, die dazu geeignet sind, Internetnutzer auszuspionieren. Die Piratenpartei beweist Weitsicht und möchte das Thema auf europäischer Ebene anpacken: Sie will dem EU-Datenschutzbeauftragten bei Verstößen die Möglichkeit zu Sanktionen in Form empfindlicher Geldstrafen geben.

Vorratsdatenspeicherung

Vorratsdatenspeicherung_t3nDer Staat hat für die Sicherheit der Bürger zu sorgen. Doch nicht erst seit den Enthüllungen über PRISM und Tempora stellt sich die Frage, wie weit die Überwachung gehen und der Staat in die Privatsphäre eindringen darf. Die Vorratsdatenspeicherung (VDS), also das Speichern personenbezogener Daten ohne Anfangsverdacht, wird teilweise sehr kritisch gesehen. Die Grünen, die Linke und die Piratenpartei lehnen diese Form der Datenspeicherung rundheraus ab, die FDP möchte sie nicht anlasslos, sondern nur bei konkretem Verdacht anwenden. Die SPD legt Wert darauf, die Speicherung von Verbindungsdaten ausschließlich zur Verfolgung schwerster Straftaten anzuwenden; ausdrücklich abgelehnt wird im Wahlprogramm der SPD auch eine Speicherung von Bewegungsprofilen. Ambivalent erscheint dagegen die Haltung der CDU/CSU: Waren diese immer schon Verfechter der anlasslosen Speicherung von Verbindungsdaten, so taucht der Begriff „Vorratsdatenspeicherung“ im aktuellen Wahlprogramm, das erst nach den Enthüllungen von Edward Snowden verabschiedet wurde, gar nicht mehr auf. Stattdessen heißt es, dass „Mindestspeicherfristen für Verbindungsdaten […] notwendig“ seien, um schwere Straftaten zu verhindern. Hier liegt der Verdacht nahe, dass Merkel und Co. lediglich einen anderen, vermeintlich harmloseren Namen gewählt haben, der ein altes Phänomen beschreibt. Auch die Dauer der Frist wird von der CDU nicht näher definiert. Es wird nur auf die EU-Richtlinie verwiesen, die eine Speicherung zwischen mindestens sechs Monaten und höchstens zwei Jahren vorsieht. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Vorratsdatenspeicherung auch auf europäischer Ebene gekippt wird.
(*Hier wird kein Status Quo gekennzeichnet, denn die aktuelle Rechtslage ist unklar, seitdem das Bundesverfassungsgesetz 2010 das geltende Gesetz zur VDS verworfen hat.)