(Artikel) In einer aktuellen Studie versuchen Kölner Marktforscher, Internetnutzer in Kategorien einzuteilen und zahlenmäßig zu erfassen. Internetnutzer lassen sich jedoch nicht so einfach in Schubladen stecken, findet Meike Ullrich.

Der Begriff „Web 2.0“ für das Mitmach-Internet hat mittlerweile nicht nur den Einzug in traditionelle Medien gefunden, sondern beschäftigt auch zunehmend die Wissenschaft. Das Kölner Markt- und Meinungsforschungsinstitut
result research hat einen Versuch gestartet, das Phänomen „Web 2.0“ und seine Nutzer zahlenmäßig zu erfassen und zu kategorisieren. Die Ergebnisse in einer neuen
Studie mit dem Titel „Web 2.0 – Begriffsdefinition und eine Analyse der Auswirkungen auf das allgemeine Mediennutzungsverhalten“ veröffentlicht.

Auch diese Studie beginnt mit der entscheidenden Frage: Was versteht man eigentlich unter Web 2.0? – Web 2.0 ist Mitgestaltung im Netz und öffentliche Kommunikation, so die einfache Antwort. Web 2.0 Angebote zeichnen sich typischerweise durch einen hohen Gestaltungsgrad bei der die Produktion von Inhalten sowie einen erheblichen Kommunikationsgrad mit öffentlichen Informationsaustausch aus. Diese zwei Dimensionen, Gestaltungs- und Kommunikationsgrad, prägen den Begriff und seine Erscheinungsformen. Aber am Anfang stehen zunächst immer die Fakten.

Zahlen, bitte!

Wie viele Leute nutzen das Web 2.0? Auf Grundlage der
ARD/ZDF-Onlinestudie 2006 enthält die Studie reichlich Zahlen zum Gebrauch der Angebote: 80% der Onliner nutzen innerhalb einer Woche keine Web 2.0 Anwendungen, 11% nutzen diese ein- oder mehrmals pro Woche und immerhin 9% fast täglich. Darunter sind überdurchschnittlich viele Männer und die Altersgruppe der 14-29-Jährigen ist am stärksten vertreten. Das formale Bildungslevel der Web 2.0 -Nutzer ist überdurchschnittlich hoch und der größte Teil der Nutzer befindet sich noch in der Ausbildung.

Die Web 2.0-Nutzer werden einer aktiven und einer passiven Nutzergruppe zugeordnet. Zu der Gruppe der Aktiven zählen Nutzer, die mehr als einen Beitrag oder mehr als fünf Kommentare und Diskussionsbeiträge pro Monat in Videocommunities, Fotocommunities, Social-Networking-Sites, Weblogs, Podcast-Angeboten oder Wikis veröffentlichen.

Zu den passiven Nutzern zählen solche, die seltener oder auch nie Beiträge auf den entsprechenden Seiten veröffentlichen oder auf den Websites kommunizieren. Das Ganze wird wieder mit Zahlen untermauert: 20% der Onliner nutzen Web 2.0 Angebote. Das sind 12% der Gesamtbevölkerung. 57% der Nutzer sind aktiv, 43% nutzen die Angebote nur passiv.

Von Produzenten und Unterhaltungssuchern

Wer steckt nun hinter diesen ganzen Zahlen und den vielen Begriffen wie Onliner oder aktive und passive Nutzer? Um diesem Rätsel auf die Schliche zu kommen, versucht die Studie Web-2.0-Nutzer zu kategorisieren und acht verschiedenen Typen heraus zu arbeiten. Dabei spielen erneut die Dimensionen Gestaltungsgrad und Kommunikationsgrad eine wichtige Rolle.

Den Anfang machen die Produzenten. Sie nutzen die Möglichkeiten des Web 2.0 in erster Linie dazu, Inhalte zu veröffentlichen. Oft gehen sie einer freischaffenden Tätigkeit nach und sehen das Internet als Plattform ihre Werke zu verbreiten. Der Community- und Kommunikationsaspekt steht dabei im Hintergrund. Den Selbstdarstellern liegt in erster Linie die Präsentation der eigenen Person am Herzen. Beispiele dafür sind Blogger oder MySpace-Nutzer. Eine weitere Gruppe bilden die spezifisch Interessierten, die einem ganz bestimmten Interesse oder Hobby nachgehen oder Gleichgesinnte treffen. Für die Netzwerker steht die Kommunikation im Vordergrund. Der Austausch mit Anderen ist für sie von großer Bedeutung. Beispiele dafür sind Social Networking Plattformen oder Foto- und Videocommunities wie Flickr oder YouTube.

Die Schnittmenge der ersten vier Typen bilden die Profilierten. Sie nutzen die Möglichkeit der Kommunikation und Mitgestaltung in gleichem Maße. Die übrigen drei Typen gehören zur Gruppe der passiv partizipierenden Web 2.0 – Nutzer. Darunter fallen die Kommunikatoren, die kein Interesse daran haben, gestaltend tätig zu werden oder eigene Produkte zu veröffentlichen. Auch die Infosucher beschränken sich darauf, die Angebote rein betrachtend zu nutzen. Als klassisches Beispiel gehören hierzu die Wikipedia-Leser. Außerdem sind auch die Unterhaltungssucher, die sich beispielsweise Videos auf YouTube anschauen, passive Nutzer des Web 2.0.

Auf Grundlage einer Onlinebefragung kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass sich die meisten Web 2.0 – Nutzer zu den Gruppen der Kommunikatoren, Unterhaltungssucher und Infosucher zählen lassen. Dadurch wird deutlich, dass immer noch ein großer Teil der Nutzer zu den passiv Partizipierenden gehört. Anzumerken ist aber, dass es auch viele Überschneidungen zwischen den einzelnen Typen gibt und Nutzer mehreren Kategorien zugeordnet werden konnten. Gerade diese Überschneidungen werfen einige Probleme auf. Ist es wirklich möglich, Nutzer in diese Gruppen einzuteilen? Sicherlich gibt es viele Nutzer, die ihre Online-Aktivitäten in jede dieser Kategorien einordnen könnten. Auch Blogger lesen in Wikipedia-Einträge und auch Videofilmer schauen nicht nur ihre eigenen Videos auf entsprechenden Plattformen an. Gerade bei sehr aktiven Nutzern wird man Gemeinsamkeiten mit jeder Kategorie der Typologie erkennen können. An dieser Stelle der Studie gibt es sicherlich noch Forschungsbedarf.

Medien 2.0 – ohne Fernseher, Zeitung und Radio?

Die zunehmende Nutzung von diesen Angeboten wirft die interessante Frage auf, ob dadurch neue Formen der Mediennutzung auftreten und inwiefern bereits bestehende Angebote beeinflusst werden. Als Vorteile des Internets werden bei der durchgeführten Umfrage vor allem die 24-stündige Erreichbarkeit und die hohe Kommunikationsdichte genannt. Die freie Wahl des Angebotes und die aktuellen Informationen werden als weitere Vorzüge des Mediums genannt. Das Fernsehen hingegen verliert als Informationsdienst an Boden. Vielmehr dient es häufig als Entspannungshilfe und zur Unterhaltung.

Die Tageszeitung genießt hingegen weiterhin einen hohen Stellenwert und wird in erster Linie für ihre vertiefenden Hintergrundinformationen geschätzt. 54% aller Web 2.0 – Nutzer lesen mindestens fünf Mal pro Woche eine Tageszeitung und verbinden damit auch eine ruhige, ritualisierte Nutzungssituation. Das Radio dient weiterhin als Begleitmedium und wird häufig auch über das Internet per Webradio gehört. Das Internetradio bietet vor allem auch viele zielgruppenspezifische Programme, die verstärkt nachgefragt werden. Auch andere Angebote wie MP3, Videos oder DVD werden immer häufiger genutzt. Die gesteigerte Nachfrage der neuen Medien heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass klassische Medien verdrängt werden. Auch, wenn das Internet als Medium und auch als Transportweg von Medien immer mehr an Bedeutung gewinnt, haben klassische Medien weiterhin inhaltliche oder situative Stärken. Leider kommt der Aspekt der Mediennutzung in der Studie etwas zu kurz. An vielen Stellen würde man gerne noch mehr erfahren und Thesen untermauert sehen. Im Großen und Ganzen ist die Studie aber ein erster Versuch, das Web 2.0 und seine Nutzer quantitativ zu erfassen und daraus entsprechende Schlüsse über Nutzertypen und Auswirkungen aufzustellen.

„Web 2.0“ Begriffsdefinition und eine Analyse der Auswirkungen auf das allgemeine Mediennutzungsverhalten.
Grundlagenstudie des Markt- und Meinungsforschungsinstituts result in Zusammenarbeit mit der Medienforschung des Südwestrundfunks.