Die Menschen gehen auf die Straße gegen Sozial- und Bildungsabbau. Die Universitäten werden bestreikt. Wie funktioniert die Koordination mit Hilfe des Internet?

Die hessische Landesregierung unter der Leitung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) führt unter dem Namen “Operation Sichere Zukunft” massive Kürzungen im sozialen und bildungspolitischen Bereich, sowie eine Einführung von Studiengebühren zur Finanzierung des maroden Landeshaushaltes durch. Die Landesregierung bezeichnete diese Maßnahmen als „Rasenmähermethode“, womit gemeint ist, dass alle Bereiche unter den Kürzungen leiden werden müssten. In der Realität sieht es aber so aus, dass vor allem die Sozial- und Bildungsbereiche empfindliche Einbußen hinnehmen müssten. So soll das Sozialbudget um
über 35% gekürzt werden. Das betrifft z.B. Schuldnerberatungsstellen, Eltern- und Erziehungsberatungsstellen, Familienbildungsstätten und Projekte zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, die ab 2004 keine staatliche Unterstützung mehr erhalten werden,
falls das Gesetz abgesegnet werden sollte.

Kein Geld für Bildung

Die Lage an den Hochschulen sieht ähnlich bedrohlich aus.

Die Landesregierung will ab 2004 Verwaltungsgebühren in Höhe von 50 EUR pro Semester für alle Studierenden und Studiengebühren von 500-1500 EUR pro Semester für sogenannte Langzeitstudierende erheben. Durch die als Verwaltungsgebühren getarnten Studiengebühren wird potentiellen Hochschulbesuchern der Einstieg ins Studium erschwert oder sogar verhindert. Denn wenn das Gesetz einmal abgesegnet wurde, steht der baldigen Erhöhung der Beträge nicht mehr viel im Wege. Die erhobenen Gebühren fließen fast komplett in den Landeshaushalt und die Universitäten, denen durch die Erhebung dieser Kosten ein Mehraufwand entsteht, erhalten nur einen kleinen Bruchteil der Gelder.

Die jetzt schon schwierigen Studienbedingungen werden noch zusätzlich dadurch verschärft, dass durch die “Operation Sichere Zukunft” 30 Mio. EUR im Hochschulsektor eingespart werden sollen und somit z.B. dringend benötigte Dozentenstellen nicht mehr besetzt werden können und kleinere Fachbereiche um ihre Existenz bangen müssen.


Spar Wars – The university streiks back“

Diese Umstände haben dazu geführt, dass die Studierenden hessenweit ihrem Unmut Luft gemacht haben. Auf ihren Vollversammlungen haben die Studierenden nahezu aller hessischen Unis, aber auch in weiteren Städten wie Bremen, Berlin, Bonn, Köln und Kiel den Streik beschlossen.

Die Koordination der Streikaktionen funktioniert mittlerweile nicht mehr ohne die Hilfe des Internet. Die Studierenden der Uni Marburg haben beispielsweise zu diesem Zweck die Site
www.education-project.de ins Leben gerufen, auf der die neuesten Veranstaltungen angekündigt werden und die vergangenen Aktionen mit Bildern und Artikeln abgerufen werden können. Außerdem verfügt die Site über ein Forum, in dem die über 70 Arbeitskreise, unter anderem zu Themen wie „Alternatives Lehrprogramm“ (von Studierenden und Lehrenden zum Thema Sozial- und Bildungsabbau), „Sozialabbau“ (Vernetzung mit außeruniversitären Gruppen), „Aktionen“ usw. ihre Arbeit koordinieren und vernetzen können. Durch einen Newsletter kann sich der interessierte Leser immer mit den neuesten Informationen versorgen lassen.

Aber auch andere Formen werden zur Vernetzung genutzt. Beispielsweise findet man unter
http://protest.blogger.de/stories/12228/ einen Webblog zum Thema Studiengebühren und Streikaktionen. Eine interaktive Form des Protestes im Internet bietet die Site
http://www.petitiononline.com/2311031/petition.html. Hier haben Studierende der Uni Marburg eine Online-Petition ins Leben gerufen, die sich gegen den geplanten Sozial- und Bildungsabbau richtet. Hier hat jeder Bürger die Möglichkeit, mit seiner Online-Stimme ein Zeichen zu setzen. Die Studierenden versuchen, bis zum 23.11. so viele Stimmen wie möglich zu sammeln und der hessischen Landesregierung zukommen zu lassen, bevor das Gesetz zur „Operation Sichere Zukunft“ verabschiedet wird.

Den Höhepunkt der Proteste dürfte die Großdemonstration in Wiesbaden am 18.11. bilden, zu der Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet erwartet werden. Der Aufruf zu dieser Demo wird nicht nur von den Studierenden, sondern auch von Institutionen wie DGB, GEW, IGM und ver.di
unterstützt.

Jemand zu Hause?

Wenn man einen Blick auf die „Gegenseite“ wirft, also auf
die Sites der hessischen Landesregierung oder des
hessischen Kultusministerium wird man erstaunt feststellen, dass man dort keinen Hinweis darauf findet, dass sich eine Protestaktion erhoben hat, die fast alle Bereiche der Bevölkerung betrifft. Das Thema „
Operation Sichere Zukunft“ besitzt zwar eine eigene Website, aber auch hier findet man keine Möglichkeit, seine Meinung zu artikulieren. Der Menupunkt „Forum“ ist als einziger nicht hinterlegt, im Bereich „Service“ wird einem nur das entsprechende Logo in verschiedenen Größen angeboten. Den Service, interaktiven Gedankenaustausch mit Betroffenen der Sparmaßnahmen oder Verantwortlichen führen zu können, sucht man vergebens.

Man kann also klar festhalten: 1:0 für die Studierenden!

Erschienen am 15.11.2003

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