Die vergangene Woche eignet sich gut für eine kurze Betrachtung aktueller Entwicklungen bei der Durchführung politischer Wahlen. Während in Deutschland die Wahlen nach “Hausmacher Art” durchgeführt werden (Mitgliederbefragung der Hamburger SPD), ist in Estland die weltweit erste Parlamentswahl mit der Möglichkeit zur digitalen Stimmabgabe über die Bühne gegangen – Wahlen als “Molekulargastronomie”, wenn man so will.


Probleme bei der Umsetzung gab es aber nicht etwa bei den innovativen Esten, sondern bei den bodenständigen Hamburgern: ca. 1.000 Stimmzettel waren bei der “Wahlurnen-Affäre” verschwunden, von Manipulationsversuchen der Online-Wahl ist bislang nichts bekannt.
Interessant ist die “Begleitmusik” solcher Ereignisse, denn die öffentliche Diskussion um die Einführung neuer Technologien bei politischen Wahlen kreist in der Regel um die Sicherheit und Manipulationsanfälligkeit von digitaler Stimmabgabe oder elektronischen Wahlmaschinen. Zu gerne wird dabei vergessen, dass die “traditionellen” Verfahren der Stimmabgabe auch fehler- und fälschungsanfällig sind. Die Abstimmung mittels Wahlurne oder Wahlbrief ist nicht automatisch sicherer als der Einsatz neuer Medien, wie das Beispiel der Hamburger SPD zeigt. Bei der Modernisierung eines zentralen Verfahrens demokratischer politischer Systeme gibt es noch viel zu tun – das Verlassen alter Denkpfade ist ein erster Schritt: Nicht immer sind es junge Wahlsysteme oder technologische Innovatoren, die einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen.
Vielleicht hätten ein paar Wahlbeobachter auf dem Weg ins Baltikum eine Zwischenstation in der Hansestadt einlegen sollen.
Eine längere Fassung des Posting gibt es hier.

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