Mit dem Großflächenplakat „Deutschlands Zukunft in guten Händen“ strebte die CDU eine Mobilisierung zum Wahlkampfendspurt an. Doch der Schuss ging nach hinten los. Nun spottet die Netzgemeinde über die „Merkelraute“ und die CDU muss sich eingestehen, dass selbst eine Volkspartei dem Klicktivismus nicht entkommen kann.

Es sollte der krönende Abschluss eines modernen Wahlkampfes werden. Stolz präsentierte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe am 2. September das 2.378 Quadratmeter große Riesenposter gegenüber des Berliner Hauptbahnhofs. Neben dem Schriftzug „Deutschlands Zukunft in guten Händen” zeigt das Plakat 2.150 einzelne Hand-Motive von CDU-Mitgliedern und Unterstützern, die sich gemeinsam zu Angela Merkels bekannter Raute zusammensetzen. „Das Mosaik veranschaulicht: Wir sind gemeinsam erfolgreich – im Wahlkampf und für unser Land!“, schreibt Gröhe auf seiner Facebook-Seite.
Doch bereits kurz nach der offiziellen Vorstellung entdeckte die Netzgemeinde das Plakat als Steilvorlage für Parodie und Witz. Zu einladend war das Motiv für Fotomontagen, die das Merkelsche Markenzeichen anderen zwielichtigen Personen zuweisen. Vom Dr. Evil aus Austin Powers über Montgomery Burns von den Simpsons bis hin zur Mutter aller Memes Grumpy Cat – die Liste der kreativen Adaptionen ist lang, sie werden in einem Tumblr-Blog unter dem Hashtag Merkelraute gesammelt. Was als Sinnbild der Personalisierungsstrategie der CDU geplant war, scheint nun als erstes deutsches Bundestagswahlkampf-Mem in die Geschichte einzugehen.
Merkelraute_neu

“Licht aus, Spot an”, so heißt das Motto unserer Kolumnenreihe “Wahlspots”, in der ausgewählte Autoren ihren Fokus auf spannende Phänomene und Geschichten des aktuellen Bundestags-wahlkampfs richten. Wöchentlich erscheinen die Texte sowohl auf politik-digital.de als auch auf cicero.de.

Angekommen im digitalen Zeitalter sind unter „Internet Memen“ Inhalte in Form von Videos, Bildern, GIFs, Hashtags oder auch einzelnen Wörtern zu verstehen, die sich viral verbreiten und dabei immer wieder und weiter von anderen Nutzern verändert werden. In den Wahlkampftrends sind Meme dabei an der Schnittstelle zwischen Entertainisierung und „Negative Campaigning“ zu verorten. Dank Witz, Spott und Humor kann so eine breite Masse für politische Inhalte zumindest kurzfristig begeistert werden. Nicht verwunderlich ist aber auch, dass diese neuen digitalen Formen politischer Partizipation immer wieder Kritiker auf den Plan rufen, die die Oberflächlichkeit dieses „Klicktivismus” hervorheben. Ein Mausklick vermag die kurzfristige Unterstützung einer Aktion darstellen, bildet aber keine Garantie dafür, dass sich der Internetnutzer tatsächlich inhaltlich mit der Sache beschäftigt.
Doch seien wir mal ehrlich. Das Zeitalter, in dem trockene, inhaltliche Auseinandersetzungen die Wahlkampfführung prägten, ist schon lange Geschichte. Die WählerInnen wollen begeistert, unterhalten und miteinbezogen werden. Wer zudem glaubt, dass Meme aus reiner Unterhaltungslust und fernab von politischem Zusammenhang entstehen, der irrt. Der US-Präsidentschaftswahlkampf 2012 zeigte, dass Meme durchaus in der Lage sind, politische Debatten zu beeinflussen: So fanden Themen wie die Lohnungerechtigkeit für Frauen oder die Finanzierung von öffentlichen Rundfunkprogrammen ihren Weg in den Wahlkampf dank Internet-Memen zu den Schlagwörtern „binders full of women“ oder „Big Bird“.
Für das Wahlkampfteam rund um Gröhe bleibt im Fall der „Memefication“ der eigenen Inhalte jedenfalls kaum ein Gegenmittel. Da die Interaktivität und Dezentralität des Internets schwer vorherzusagen sind, können Wahlkämpfer die Meme nicht selbst planen und noch weniger stoppen. Sie können allenfalls mit Humor darauf reagieren – oder müssen es einfach aussitzen. Ein Ziel hat die CDU mit dem Riesenplakat jedenfalls erreicht: Das Netz spricht über sie.

Nina Keim bloggt unter anderem auf Amerika Wählt über Wahlkämpfe in den USA.
Bilder: m.p.3. via flickr, Rainer Sturm via pixelio.de; www.9GAG.com

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