Über 800.000 Saarländer sind aufgerufen, am 5. September ihren neuen Landtag zu wählen. Insgesamt zehn Parteien treten beim Kampf um die 51 Sitze an. Mit dem Urnengang beginnt ein Reigen von Landtags- und Kommunalwahlen, der – glaubt man manchen Politikern – über das Schicksal Bundeskanzler Schröders und der Berliner rot-grünen Koalition entscheiden könnte. Ein Bericht über den Internetwahlkampf.

Laut ZDF-Politbarometer vom 20. August käme die CDU auf 50 Prozent, die SPD auf 31 Prozent, die Grünen auf sechs Prozent. Die FDP würde drei Prozent erreichen und die Vielzahl der sonstigen Parteien zusammen zehn Prozent.

SPD im freien Fall – Lafontaine mindert SPD-Chancen

Den Sozialdemokraten droht eine weitere schwere Schlappe: Nach 44,4 Prozent bei der letzten Wahl droht ihnen ein erdrutschartiger Verlust von gut 13 Prozentpunkten. Offenbar ist der ehemalige SPD-Parteichef Oskar Lafontaine mitverantwortlich für die Talfahrt der Saargenossen. Laut Forsa sehen 58 Prozent der Saarländer ihn als Belastung für die SPD. In sozialdemokratischen Reihen zeigt sich das gleiche Bild: 58 Prozent der SPD-Anhänger sind der Ansicht, dass sein Verhalten den Chancen der Saargenossen schadet.

Der Wahlkampf im Internet

Der saarländische Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) kann bei der Landtagswahl mit der absoluten Mehrheit rechnen. Könnten die Saarländer direkt ihren Ministerpräsident wählen, würde jeder Zweite den amtierenden Landesvater wählen. Ein Blick auf die
Hauptseite der Saar-CDU zeigt: Müller steht im Mittelpunkt des Wahlkampfes, mehrere Fotos zeigen sein Konterfei. Die Partei will mit seinem Amtsbonus punkten. Der Internetauftritt soll „modern“ und „newsorientiert“ sein. Die „News“ allerdings kommen zu kurz. Hilfreich ist eine Guided-Tour, auf der Peter Müller den Nutzer durch die Internetseite führt.

Auf seiner
persönlichen Seite menschelt es sehr. Er verrät, daß er schon immer gern Klarinette gespielt habe und die „Herr der Ringe“ Saga schon vor dem gleichnamigen Film toll fand. Müllers Homepage will modern aussehen. Mehrere Texte sind wenig lesefreundlich gestaltet. Die ersten Fotos dreier Rubriken zeigen einen unscharfen Ministerpräsidenten. Ist das modern?

Peter Müller schreitet durchs Tor der ZukunftZurück auf der Hauptseite heißt die CDU-Saar den Bürger willkommen zum Event-Wahlkampf, dessen Auftaktveranstaltung sich „Vision 2.0“ nennt. Auf einem Foto schreitet Ministerpräsident Müller durch einen Bogen aus Schwarzlichtlampen, daß laut Bildbeschriftung „das Tor zur Zukunft“ darstelle. Siegesgewiß läutet die CDU-Saar mit einer Lasershow die „zweite Zukunft ein“. Unter dem Motto „… Fortsetzung folgt“ präsentiert sie ihr Programm "Politik in drei Dimensionen": Das klingt modern.

SPD – sich stark machen

Die SPD wirbt um ihre Wähler auf einem eigens eingerichteten
Wahlkampfportal. Herausforderer Heiko Maas möchte vor allem sich und seine Partei „stark machen“, denn das hat sie laut Umfragewerten auch bitter nötig.

Die
Startseite der SPD hält eine Bannersammlung bereit, die auf die SPD-Kampagnen verweisen. Die mit roten Rosen gestaltete Seite besitzt als einzige Parteiseite ein Forum. Mutig, angesichts der Proteste gegen Hartz IV. Hier muß die Saar-SPD ausbaden, was die Bundes-SPD verbockt hat.

Ein Banner verweist auf die persönliche Homepage des Herausforderers, die mit großflächigen Fotos gestaltet ist. In freundschaftlichen Worten kommt der „Mensch“ dem Nutzer näher. Das Ziel dieser Seiten: Eine enge Bindung zum potenziellen Wähler schaffen. Eine Personifizierung und Emotionalisierung der Politik, wie sie bereits zur Bundestagswahl 2002 zu beobachten war. Nur: Maas wird es schwer haben. Er tritt als junger Politiker gegen einen mit Amtsbonus ausgestatteten, amtierenden Ministerpräsidenten an und muß die Bundespolitik Schröders verteidigen. Darüber hinaus zweifelt Maas, ob die Wahlkampfhilfe des Querulanten Lafontaine ihm nicht mehr schadet als nützt: «Lafontaine hat uns nicht geholfen», zitiert ihn die Neue Züricher Zeitung (NZZ).

Grüne können es in den Landtag schaffen

Die Umfragewerte für die Grünen sagen einen Zugewinn von knapp drei Prozentpunkten auf insgesamt sechs Prozent der Stimmen vorher. Damit würden Bündnis90/Die Grünen nach 1994 zum zweiten Mal ins Landesparlament einziehen.

Grüner Rasen statt Spitzenkandidaten

Grüner Rasen statt eines Spitzenkandidaten begrüßt den Bürger auf der
Wahlkampfplattform der Grünen. Die Partei setzt nicht auf einen personalisierten Wahlkampf, sondern auf Programmatik. Sie verzichtet auf der Startseite auf Fotos der Kandidaten und wirbt stattdessen mit 10 politischen Forderungen. Am 24. August – 10 Tage vor der Wahl – waren die Kandidaten noch nicht abzurufen, die Seite befand sich noch im Aufbau. Kurz vor Redaktionsschluß sind nun unter dem sperrigen Begriff „Landesliste“ die Kandidaten zu sehen, sie werden mit kurzem Text und Foto vorgestellt.

Auflockernd wirkt die Spieleecke, die dem Nutzer eine Möglichkeit bietet, den textlastigen Seiten zu entfliehen. Der Kinospot der Grünen liegt zum Download bereit. Ein Abstecher über den Terminkalender lohnt sich. Amüsant: Neben der politischen Agenda und Wahlveranstaltungen sind die Olympischen Sommerspiele in Athen und die Rollski Weltmeisterschaften vermerkt.

FDP ohne Internetwahlkampf

Wer nicht Müller, Maas oder die Grünen wählen will, könnte auf die Idee kommen, die Liberalen seien eine Alternative. Wer ist der Spitzenkandidat und wie lautet das Programm? Klar – ein Blick ins Internet klärt schnell die Fragen – sollte man meinen. Aber mitnichten. Denn der Mut scheint die Saar-Liberalen verlassen zu haben, zumindest im Internet.
Die Hauptseite des Landesverbandes verrät auf den ersten Blick kaum etwas über die bevorstehende Wahl: Kein eingängier Wahlslogan und keine Wahl-Sonderseite. Zwei Fotos ohne Bildunterschrift verweisen auf die Seiten von Jorgo Chatzimarkakis, der kürzlich in die Europapolitik ging, und auf Landeschef Christoph Hartmann, der ein Bundestagsmandat inne hat. Wer ist der Spitzenkandidat? Chatzimarkakis Seite erweist sich als veraltet, letzte „aktuelle“ Einträge sind auf Anfang Juni datiert. Landeschef Hartmann führt zwar auf seiner Seite Homepage einen Weblog, eine tagesaktuelle Form der Homepage. Doch der letzte Eintrag ist vom 10. August: „Besuch von Conny“. Ein Link auf den obligatorischen „Wahl-O-Mat“ der Bundeszentrale für politische Bildung verweist noch am deutlichsten auf die bevorstehende Wahl. Kampf um jede Stimme? Im Internet jedenfalls nicht. Laut Forsa würden sich die Liberalen zwar leicht auf vier Prozent verbessern, der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde ist unsicher.

Die Protestwelle wird größer

Gefahr drohe vom politischen Rand, vor allem von der rechtsradikalen NPD, die mit einer Mischung von linken und fremdenfeindlichen Parolen für sich werbe und nun das Protestpotenzial voll ausschöpfe, schreibt die NZZ. Auf ihrer
Internetseite beruft sich die NPD auf Umfragewerte des ZDF, wonach die sonstigen Parteien einen Zuspruch von 10 Prozent erhalten. Welche Parteien darunter fallen, ist jedoch nicht aufgeschlüsselt. Zumindest zur Kommunalwahl 2004 fielen landesweit nur 1,2 Prozent der Stimmen auf die rechte Partei. Daher ist ein Sprung über die 5 Prozent-Hürde nicht zu erwarten. Trotzig behauptet die NPD: „Wir sind die echte Opposition!“

 

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