Arbeitsgruppe Politik und VerwaltungIm Fokus der Digitalisierungsdebatte steht zunehmend die Überwindung von Ängsten. Gerade in den ländlichen Räumen Deutschlands wird das Thema Digitalisierung oftmals noch mit großer Vorsicht betrachtet.  Wir haben den Experten Florian Apel-Soetebeer gefragt, wie dies geändert werden kann.

Dass die Digitalisierung gerade für die ländlichen Räume große Vorteile bringen kann, hat auch die 11. Initiative Digitale Region herausgefunden. Hierzu haben wir bereits vor ein paar Wochen berichtet, und mit Anja C. Wagner, Leiterin der Arbeitsgruppe Bildung, gesprochen. Florian Apel-Soetebeer leitete in der Initiative die Arbeitsgruppe “Politik und Verwaltung” und schildert uns seine Erfahrungen.

Sie beraten Landkreise und Kommunen dabei, digitaler zu werden und Technologien umzusetzen. Wie kann man sich das vorstellen?

Wir beraten auf allen Ebenen der Digitalisierung und übersetzen technische Innovationen in kommunales Handeln. Wir helfen einer Kommune herauszufinden, welches Maß an Technologie für sie sinnvoll ist. Es geht also nicht darum, jeden Trend mitzumachen und dann festzustellen, dass man damit noch ein bisschen hätte warten können. Im Moment ist bei uns beispielsweise das Thema Wissensmanagement sehr wichtig, und zwar innerhalb einer Kommunalverwaltung, aber auch im Austausch zwischen den Kommunen über solche Themen. Und da versuchen wir, die richtigen Ansatzpunkte für eine sinnvolle technische Unterstützung zu finden.

Austausch zwischen den Kommunen bedeutet also, dass eine Kommune, die von Ihnen beraten wird, ihr Wissen an eine andere weitergibt?

Wir organisieren auch selbst Erfahrungsaustausche zwischen Kommunen. Mit unseren Erfahrungen können wir aber auch viel erreichen, indem wir zwischen der Politik, der Verwaltung und weiteren Akteuren in der Stadt oder Region moderieren. Wir sind aber auch dazu da, die Kommunalverwaltung bei der Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie zur Seite zu stehen. Denn da die kommunale Personaldecke oft sehr dünn ist, fehlen dann die Mitarbeiter, um hier alles im Blick zu behalten und zu strukturieren.

Vermitteln Sie den Verwaltungsmitarbeitern in den Kommunen auch digitale Kompetenzen?

Wir versuchen lieber ein Stück davor anzusetzen. Also nicht bei der konkreten Technik, sondern bei einem generellen Verständnis von Digitalisierung und der Frage der Vernetzung. Wenn zum Beispiel in der Zukunft mehr Leute im Home-Office oder in Co-Working Spaces arbeiten, entsteht ein Bedarf an einer ganz anderen Infrastruktur. Das Verständnis dieser Wirkzusammenhänge ist der zentrale Ansatz.

Und wir versuchen deutlich zu machen, dass die Digitalisierung genauso wichtig ist wie der Schul- oder Straßenbau. Bislang galt, die Digitalisierung entscheidet keine Wahlen, aber sie wird das tun. Es wird passieren, dass Menschen ganz konkret sagen, hier können sie nicht wohnen, weil es keine Breitbandverfügbarkeit gibt. Und das sind dann reale Probleme, die sich vor Ort auswirken.

Gerade das Thema Breitband liegt aber doch eher auf Bundesebene, oder ist das auch eine Entscheidung der Kommunen?

Es ist wichtig, dass Breitbandinfrastruktur als Daseinsvorsorge anerkannt wird. Und das muss dann auch entsprechend irgendwo gesetzlich diskutiert werden. Konkrete Ansatzpunkte aber können Kommunen direkt angehen, wenn sie sich selbst engagieren und nicht auf die Unterstützung warten. Hier gibt es gute Beispiele u.a. von Landkreisen in Niedersachsen, die das selbst in die Hand nehmen und nicht auf die Telekom oder den Gesetzgeber warten…

Wichtig ist also, dass die Kommunen Eigeninitiative zeigen und nicht auf Anweisungen von oben warten?

Es gibt viele Handlungsspielräume, wo man konkret ansetzen kann. Es gibt Bereiche, in denen die Bundesregierung feststellt, dass die Kommunen nicht schnell genug sind. Und sich dann die Frage stellt, inwieweit IT-Themen zentralisiert werden sollten. Wir müssen daher genau beobachten, wohin der Gesetzgebungsprozess aktuell geht und sollten diese Diskussionen konstruktiv verfolgen anstatt zu blockieren. In Deutschland könnte schon viel mehr getan werden, wenn wir unser Denken ein bisschen anpassen würden und uns nicht von der Angst treiben ließen, sondern die Chancen darin sehen.

Ist Deutschland bei der Digitalisierung zu vorsichtig?  

Das Thema ist vielschichtig. Ich finde es ein bisschen platt, immer nur von der “German Angst” zu reden. Aber: Ja, gerade auf der persönlichen Ebene ist beim Einzelnen noch viel Sorge da. Das muss man ernst nehmen, denn es ist sinnlos, etwas technisch zu ermöglichen, wenn die Menschen dann nicht mitmachen. Diese Angst abzubauen und gleichzeitig ein Grundverständnis zu entwickeln, ist ein sehr dickes Brett, aber es funktioniert nur im konkreten Diskurs. Ich glaube, wir haben viele junge und kreative Politiker, die teils auch in der Initiative Digitale Region dabei waren und sich ganz konkret überlegen, wie sie in ihrem kleinen Gestaltungsraum vorangehen können. Solche Leute können die Menschen direkt erreichen, besser als bspw. ein Bundesministerium das kann.


Florian Apel-Soetebeer
ist Geschäftsführer der City & Bits GmbH. Er berät Kreise, Städte und Gemeinden bei der Digitalisierung ihrer Verwaltung. In der Colab-Initiative „Digitale Region“ hat er die Arbeitsgruppe Politik & Verwaltung geleitet.

In der Initiative Digitale Region waren sie verantwortlich für die Arbeitsgruppe Politik & Verwaltung. Was sind Ihre Ergebnisse?

Die Digitale Region ist die Folge-Initiative zu dem Smart Country Projekt, an dem ich auch schon mitgearbeitet habe. Das Format gefällt mir, weil es unabhängig von wirtschaftlichen Interessen ist. In unserer Arbeitsgruppe haben wir in kurzer Zeit sehr viel gearbeitet, Leute motiviert, und sind zu spannenden Ergebnissen gekommen. Vor allem war uns wichtig, dass wir nicht einfach noch ein Papier produzieren wollten, das dann irgendwo rumliegt, sondern einen Diskurs anregen. In allen Bereichen der Initiative war die Handlungsebene vor Ort das Wichtige. Daraus kann die Politik ihre Schlüsse für ihre gesetzgeberischen Tätigkeiten ziehen, vor allem aber sollen die Praktiker vor Ort motiviert werden, einfach anzufangen. Dazu haben wir konkrete Fragen und Ansatzpunkte erarbeitet.

Vor Ort nach Lösungen zu suchen war ja gerade bei den drei Workshops ein Thema, die von der Initiative begleitet wurden. Welche konkreten Maßnahmen setzen die Regionen jetzt um?

In Wennigsen weiß ich es genauer als in den anderen Regionen. Dort prüfen sie, ob das Gemeinschaftshaus auch als Coworking Space genutzt werden kann. Gerade bei solchen Projekten merkt man, dass es eigentlich wirklich nicht viel dazu braucht: WLAN, bestenfalls Breitband Internet und vielleicht irgendetwas zum Mittagessen in der Nähe. Und man muss eine Nutzungsregelung schaffen, um auch irgendwie die Unkosten reinzubekommen. Aber der Raum ist da, er muss nur neu definiert werden. Und das ist mit vielen Sachen so – letztendlich hängt auch viel an der Kreativität der Politik und Akteuren vor Ort.

Sie haben viel mit den Bürgern vor Ort geredet. Gab es da Momente, in denen Sie bei den Leuten auf Unverständnis gestoßen sind?

Ja, das war manchmal der Fall. Wir waren zum Beispiel in einer Tierhandlung, wo die Leute draußen saßen und rauchten, als wir uns vorgestellten. Und da war zuerst ein wahnsinnig großes Misstrauen. Die haben uns angeschaut als wären wir die Zeugen Jehovas und gefragt, wieso wir denn nicht normal arbeiten und was wir verkaufen wollen. Und dann musste ich erst mal erklären, dass ich Berater bin und damit auch mein Geld verdiene, aber dass ich diese Initiative ehrenamtlich mache.

Und beim Thema Digitalisierung war oft schon eine gewisse Sorge da, dass der Einzelhandel durch Internetbestellungen kaputt geht. Das ist sicher ein Problem, aber gleichzeitig auch die einzige Chance – und hier kann auch eine Kommune sehr gut handeln. Mit einer digitalen Plattform könnte ein lokaler Einzelhandel im Grunde das gleiche Sortiment anbieten wie Amazon, indem nicht im Lager vorhandene Produkte innerhalb von 24 Stunden geliefert werden. Denn gerade solche Geschäfte sind für eine Region überlebenswichtig. Ohne Begegnungszonen ist eine Innenstadt tot und verliert eigentlich jegliche Attraktivität. Und dann ziehen die Leute in die Städte, da muss ich als Kommune einfach handeln.

Also ist das Elementare, diesen Denkanstoß zu geben, damit die Leute das Dorf am Leben erhalten?

Genau! Aber andererseits eben auch die Vernetzung in der Regionen: beim Carsharing hat ein Dorf vielleicht nicht genug Menschen, dass sich das lohnt, aber mit zehn Dörfern schon.

 

Titelbild: Arbeitsgruppe Politik & Verwaltung by Martha Friedrich, Erklärfilmstudio, licenced CC-BY 4.0

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