Der Legislaturbericht der Digitalen Agenda ist erschienen. Die Bundesregierung will damit die Herausforderungen der Digitalisierung angehen. Aber handelt es sich um realistische Maßnahmen oder hohle Phrasen?

Das Wort „Agenda“ besticht in der politischen Rhetorik oftmals durch seinen kontroversen Einsatz. Das Agendasetting klingt erstmal verheißungsvoll nach der Neusprechvariante von Reformen und großen Tatendrang. Ob die Zielsetzungen und Erwartungen auch erfüllt wurden, zeigt sich aber oft erst aus der Retroperspektive. Die Digitale Agenda 2014 bis 2017 ist da keine Ausnahme. Entsprechend vorsichtig hat sich auch der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel 2014 bei ihrer Vorstellung auf der Bundespressekonferenz geäußert. Die Digitale Agenda solle zur Debatte über das strategische Programm zum Thema Digitalisierung einladen, aber eben keine vollendeten Antworten liefern, so Gabriel. Allerdings solle sich die Agenda mit den zentralen wirtschaftlichen Herausforderungen der Digitalisierung, den sicherheitspolitischen Konsequenzen und dem Ausbau der Infrastrukturen beschäftigen. Jetzt, vier Jahre später, pünktlich vor der anstehenden Bundestagswahl steht eine erste Bilanz der Digitalen Agenda als Hochglanzbroschüre zur Verfügung. Sieben Handlungsfelder werden abgedeckt; von der digitalen Transformation der öffentlichen Verwaltung, über Nutzungsmöglichkeiten in Bildung, Forschung, Kultur und Medien, zu der Implementierung von europäischen Rahmenbedingungen für ein gemeinsames Regelwerk im Netz. Doch fällt die Zwischenbilanz so erfolgreich aus, wie sie durch die Bundesregierung propagiert wird?

Dazu lohnt es sich, einige der Zielsetzungen genauer unter die Lupe zu nehmen:

Der Ausbau digitaler Infrastrukturen

Die Bundesregierung hat erkannt, dass ein Ausbau der digitalen Infrastrukturen notwendig ist, um eine flächendeckende Vernetzung zu gewährleisten. In dem „State of the Internet Report“ des US-Unternehmens Akami liegt Deutschland beispielsweise im Ländervergleich mit einer durchschnittlichen Downloadgeschwindigkeit von 15.3 Mbit/s auf Platz 25. Ganz vorne liegen Südkorea und Norwegen mit 23,5 bis 28,6 Mbit/s. Zielvorstellung der Bundesregierung ist es daher, bis zum Jahr 2018 eine durchschnittliche Downloadgeschwindigkeiten von 50 Mbit/s zu erreichen. Vor allem der Ausbau in ländlichen Gebieten soll dafür staatlich subventioniert werden. Außerdem sollen Breitbandverbindungen bei Bauarbeiten direkt mit verlegt und geprüft werden, „ob und in welcher Form privates Kapital für den Ausbau der passiven Breitbandinfrastruktur, z.B. für den Tiefbau, eingesetzt werden kann“. Letzteres ist nicht ganz unkritisch, denn als maßgebliches Innovationsforum wird die „Netzallianz Digitales Deutschland“ genannt. Dabei handelt es sich um eine Kooperation der größten deutschen Telekommunikationsunternehmen und Verbänden. In den Jahren 2015 und 2016 soll die Netzallianz jeweils 8 Milliarden Euro in schnelleres Internet investiert haben. Im Jahr 2014 gab es allerdings eine Kontroverse um die Einführung von „Qualitätsklassen“ für monetäre Gegenleistungen bei schnellen Internetverbindungen. Damit könnte die Netzneutralität in Gefahr geraten. Wer mehr Geld zahlt, bekäme auch eine höhere „Qualitätsklasse“ und damit eine schnellere Verbindung. Obwohl sich die Mitglieder der Netzallianz im Zuge der Kritik gegen eine Gefährdung der Netzneutralität ausgesprochen haben, bleibt mit ihrer maßgeblichen Mitwirkung an der Agenda ein fahler Beigeschmack. Außerdem ist bislang offen, welche Summen überhaupt für den Ausbau investiert werden sollen. Fraglich ist auch, ob es bis nächstes Jahr überhaupt gelingt, das im Koalitionsvertrag gesetzte Ziel, die „weißen Flecken“ in Deutschland mit einer 50 Mbit/s Geschwindigkeit auszustatten, einzuhalten. Bislang sei dies lediglich zu 75 % geschehen. Hinzu kommt, dass der Bundesverband Glasfaseranschluss (Buglas) schon 2010 forderte, dass das 50 Mbit/s Ziel nicht ausreiche und für Deutschland langfristig ein 100 Mbit/s Ausbau notwendig sei.

Bildung- und Forschung

Die digitale Agenda sieht auch eine Bildungsoffensive vor, um die Digitalisierung in der Forschung und auf dem Arbeitsmarkt zu lancieren. Zusammen mit den Bundesländern soll eine Strategie für digitales Lernen entwickelt werden. Technikfolgenabschätzungen zum ethischen Handeln sollen durch ein unabhängiges öffentliches Institut erfolgen. Insgesamt zielt die Agenda mehr auf wissenschaftliche und wirtschaftliche Bildungsmaßnahmen ab. Zu einer schulischen Integration eines verstärkten Informatikunterrichts und der politischen Debatte um die Digitalisierung äußert sich die Bundesregierung hier nicht. Das ist eine verpasste Chance, denn der „Digital Divide“ – also die Spaltung zwischen Fachleuten und Anwendern, denen das nötige technische Know-how fehlt, wächst. Die umfassende Ausbildung von Lehrkräften für die Vermittlung relevanter Kenntnisse ist entscheidend, um Lernende auf einen Arbeitsmarkt vorzubereiten, der immer häufiger Grundkenntnisse der Informatik voraussetzt. Außerdem hilft die Beschäftigung mit Digitaltechnologien dabei, mündigere Verbraucher zu schaffen.

Digitale Sicherheit

In dem Bereich der digitalen Sicherheit will die Bundesregierung Deutschland zum „Verschlüsselungsstandort Nr. 1“ machen, um die Kommunikation von Bürgern und Unternehmen gleichermaßen zu schützen. Dieses Versprechen mutet komisch an, wenn man sich die jüngsten Vorstöße der großen Koalition für mehr Überwachungsmaßnahmen ansieht. Darunter fällt zum Beispiel die Ausweitung der Anwendung umstrittener Staatstrojaner gegen Smartphones und andere Geräte über einen Verfahrenstrick bei der Gesetzgebung. Trotz des weltweiten Debakels mit der Wanna-Cry Ransomware, eine Schadsoftware, die auf NSA-Technologie zurück geht, will die Bundesregierung in der Strafverfolgung das Wissen um Sicherheitslücken systematisch aufkaufen und ausnutzen. Das dadurch neue Unsicherheitsfaktoren entstehen wird scheinbar billigend in Kauf genommen. Ein anderes Beispiel ist die anlasslose Vorratsdatenspeicherung (VDS) von Metadaten, die durch den Entscheid des Oberverwaltungsgerichtes in Münster und die Bundesnetzagentur gekippt wurde. Auch Telekommunikationsunternehmen kritisieren den Gesetzesentwurf zur VDS, da sie die Sicherheit ihrer Kundendaten nicht mehr garantieren könnten. Mit Entschädigungsklagen der Unternehmen für damit zusammenhängende Zwangsinvestitionen ist zu rechnen. Es wird daher schwierig, das in der Agenda angesprochene Vertrauen und den Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten, wenn die Bundesregierung auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen mit mehr kontroversen Überwachungsmaßnahmen reagiert.

Fazit

Insgesamt scheint die Digitale Agenda wenig Antworten auf die konkrete Ausgestaltung und Finanzierung der angesprochenen Maßnahmen zu geben. Stattdessen lesen sich die Beschreibungen der einzelnen Handlungsfelder eher wie eine Mischung aus einer Bestandsaufnahmen aller bisherigen Probleme und einem zeitlich gesehen zu optimistischen Wunschzettel. Auch die widersprüchlichen Lösungen – vor allem im Bereich der digitalen Sicherheitspolitik – sind zu kritisieren. Dass sich die Kompetenzen für die Handlungsfelder zudem immer noch über die Institutionen (BMWi, BMI, BMVI) zersplittern, erschwert das Einhalten des sehr optimistischen Zeitplans noch zusätzlich. Gabriel hatte also Recht: Die Agenda liefert keine vollständigen Antworten – und die Antworten, die sie liefert sind dürftig. Die Skepsis, dass dieser Legislaturbericht kurz vor der Wahl vor allem eine Rechtfertigung für den Status Quo der Digitalpolitik darstellt, lässt sich jedenfalls nicht entkräften.

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