Jucker CommissionAm Mittwoch präsentierte der designierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seine Idee der zukünftigen Europäischen Kommission. Neben Unmut und Verwunderung über Personalia und seine Pläne zur Neustrukturierung werfen die Entscheidungen des Luxemburgers auch Fragen hinsichtlich der europäischen Digitalpolitik auf.
Dass er dem Thema Digitales eine hohe Priorität einräumen würde, hatte Jean-Claude Juncker bereits im Juli verkündet, nachdem sich der Europäischen Rat auf seine Person als neuen Kommissionspräsidenten geeinigt hatte. Dass er jedoch auch die inhärente Struktur der Europäischen Kommission insoweit umkrempeln würde, dass sie gleich einen ganzen Kompetenzstrang digitaler Themen beinhalten würde, hielt er – soweit möglich – bis zur endgültigen Bekanntmachung am Mittwoch zurück. So lohnt es, zwei Eigenheiten der neuen Kommission, die im November ihr Amt antreten wird, näher zu beleuchten.
Erstens: Es wird neben dem ersten Vizepräsidenten und der Außenbeauftragten fünf Vizepräsidenten geben, die mit einem spezifischen Projekt befasst sein werden, das sich aus einigen der Dossiers der übrigen 20 Kommissare speist. Im vorliegenden Fall wird der Este Andrus Ansip für den Digitalen Binnenmarkt zuständig sein. In dieser Funktion wird er zwischen den jeweiligen Kommissaren und dem Kommissionspräsidenten koordinieren und gleichzeitig eine entsprechende Veto-Position im Hinblick auf die politische Agenda der Kommission vorhalten.

Oettinger ist kein Kommissar zweiter Klasse

Junckers starker Fokus auf den Connected Digital Single Market“ bemühte bereits vor Monaten das immerwährende europäische Wachstumsnarrativ, womit er die Arbeit der zukünftigen Kommission bereits auf die Erfüllung der „Europa 2020“-Strategie einnordete. Die Kombination aus dem Maßnahmenpaket zum „Connected Continent“ sowie zum „Digital Single Market“ führt uns zum zweiten Punkt: Günther Oettinger. Der vormalige Energiekommissar wird nach dem Festhalten der Bundesregierung an seiner Person in der neuen Kommission für das Thema Digitale Wirtschaft und Gesellschaft zuständig sein. Wer nun mit Verdruss auf den Stellenwert dieses Postens in einer ex-ante kritisierten Zwei-Klassen-Kommission schaut, sollte nicht außer Acht lassen, dass insbesondere digitale Themen wie Industrie 4.0 und Breitbandausbau eine spezifisch deutsche Relevanz besitzen. Die Besetzung dieses Themas muss Deutschland also nicht zum Nachteil gereichen, zumal die Kommissare formell der Europäischen Union und nicht den Mitgliedstaaten verpflichtet sind. Von daher bleibt abzuwarten, wie Oettinger sein Amt und die Förderung der digitalen Wirtschaft mit Leben füllen wird. An Aufgaben mangelt es in seinem Portfolio nicht. Dort ist unter anderem von einer Modernisierung des Urheberrechts, dem Ausbau einer qualitativ hochwertigen, digitalen Netzinfrastruktur, Meinungsfreiheit, eGovernment, Cyber Security, Datenschutz und einer Internet Governance Agenda die Rede. Mithilfe der beiden Gremien „European Commission Directorate General for Communications Networks, Content & Technology“, kurz „DG CONNECT“, sowie der Generaldirektion Informatik, kurz „DG DIGIT“, sollen noch in den ersten sechs Monaten der neu eingesetzten Kommission erste legislative Schritte in Richtung Digitaler Binnenmarkt vorbereitet werden.

Gebündelte Kompetenz für digitale Themen

Daneben stellt sich die Frage, welche weiteren Kommissare zum Portfolio Digitaler Binnenmarkt beitragen werden. Die Polin Elzbieta Bienkowska, zukünftige Kommissarin für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und Mittelstand, ist zumindest mit einem Teil ihres Themenspektrums ebenso vorgesehen wie die für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten zuständige Belgierin Marianne Thyssen und die für Justiz und Verbraucher eingesetzte Tschechin Vĕra Jourová. Weitere Kommissare, die dieses Portfolio unterstützen, sind der Franzose Pierre Moscovici (Wirtschaft und Finanzen), die Rumänin Corina Cretu (Regionalpolitik) und Phil Hogan aus Irland (Landwirtschaft).
Der für Forschung, Wissenschaft und Innovation zuständige Portugiese Carlos Moedas ist nicht explizit genannt, wird aber aufgrund des Themas „eSkills“ nicht außen vor bleiben können. Trotz dieser personellen Vielfalt werden insbesondere die Kommissare Oettinger und Ansip eng zusammenarbeiten müssen: Oettinger, um seine (digitale) Agenda durchzusetzen, und Ansip, um die administrativen Ressourcen zur Umsetzung des Digitalen Binnenmarktes in Anspruch zu nehmen. Dazu gehören neben der Neubewertung des Safe Harbour-Abkommens und der Durchsetzung der europäischen Datenschutzrichtlinie insbesondere die Stärkung eines harmonisierten europäischen Regulierungsrahmens für digitale Inhalte, Dienstleistungen und Infrastrukturen. Zusätzlich zur Förderung von Innovation und Forschung sowie der Digitalisierung analogen Rechts muss daher auch der Wettbewerb auf dem europäischen Telekommunikationsmarkt überdacht werden. Im Angesicht globaler Entwicklungen und der Performanz anderer Märkte in Ost und West muss die Europäische Kommission Europa offensiv als digitalen Wachstumsmarkt etablieren und dabei auch global digitale Champions hervorbringen.
Als Teil der Digitalen Agenda ist der Digitale Binnenmarkt nur ein Element zur Erreichung der „Europa 2020“-Ziele. Die Frage ist also auch, wie die Digitale Agenda für Europa in den neuen Strukturen der Europäischen Kommission weiterentwickelt wird und welche Kompetenzen und Ressourcen hierbei mobilisiert werden können. Im Einklang mit den Bedürfnissen zunehmend digitalisierter Gesellschaften sollten die Potenziale, die Europas Digitalwirtschaft zu bieten haben, auch europäisch gebündelt und gefördert werden. Die Priorität, die Juncker durch ein entsprechendes Vizepräsidenten-Ressort hierauf gesetzt hat, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Kooperation der zuständigen Kommissare zugunsten eines kompetenten und umfassenden Konzepts wäre der erste Schritt auf dem richtigen Weg.
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