Wieviel
digitalen Service bieten kommunale Verwaltungen?
Die
vorliegende Studie hat gezeigt, daß die kommunalen Verwaltungen
in Deutschland zunehmend an der Entwicklung entsprechender Angebote
arbeiten.
Wieviel digitalen Service bieten kommunale Verwaltungen?

Elektronische
Verwaltungsdienstleistungen werden von Politikern gefordert und von
Bürgern gewünscht. Mit der Verbreitung neuer Informationstechnologien
(IT) soll damit eine neue und
verbesserte Form der Bürger-Verwaltungs-Interaktionen erreicht werden.
Die vorliegende Studie hat gezeigt, daß die kommunalen Verwaltungen in
Deutschland zunehmend an der
Entwicklung entsprechender Angebote arbeiten. Eine Verbesserung der
Bürger-Verwaltungs-Interaktionen konnte mit ihnen aber bisher so gut
wie nicht erreicht werden.

Der Studie lag ein
Interaktionsbegriff zugrunde, der zwischen verschiedenen, grundsätzlich
aufeinander aufbauenden Stufen der Bürger-Verwaltungs-Interaktion
unterschied. Über die
erste Stufe A, dem Paar "Lesen – Veröffentlichen von Informationen",
hinaus boten nur 74 Kommunen Interaktionsmöglichkeiten auf höheren
Stufen an. Zum Vergleich: In Deutschland
gab es 1996 116 kreisfreie Städte sowie ca. 14.700 Gemeinden (ohne
Stadtstaaten) (Naschold/Bogumil 1998: 112). Bei den untersuchten
Angeboten wurden die Interaktionsformen B,
"Fragen – Antworten (via E-Mail)", C1, "holen/beschaffen von Formularen
– anbieten von Formularen", und C2, "schreiben/unterschreiben –
empfangen von Formularen", realisiert.
Weitergehende Interaktionsformen, wie C3, "bezahlen-verbuchen", C4,
"nachfragen/kontrollieren – verfolgen" und C5, "Leistung empfangen –
Leistung erbringen", sind in den von uns
untersuchten Angeboten nicht vollständig online realisiert worden.

Unter den interaktiven Angeboten
herrscht eine große Vielfalt und eine Tendenz zur Isolation. Fast immer
handelt es sich um vereinzelte Angebote. In der Regel sind es nur
wenige
Behörden in einer Stadt, die ein interaktives (im Sinne von Stufe B und
C) Angebot anbieten. Mal sind es die Entsorgungsbetriebe, mal die
Volkshochschulen, mal die
Einwohnermeldeämter. Dabei werden so gut wie nie alle Leistungen einer
Behörde online angeboten, auch wenn sie in ihrer Form durchaus der
jeweils angeboten Leistung entsprechen.
Typisch sind aus dem Aufgabenbereich der Einwohnermeldeämter ein oder
zwei Formulare – zumeist ein Antrag zu Lohnsteuerkartenanträgen oder
der Antrag auf ein Führungszeugnis.
Für den Bürger heißt dies, daß er keine stabile Erwartungshaltung
gegenüber dem Online-Angebot von öffentlichen Verwaltungen aufbauen
kann. Auch wenn er weiß, daß "seine" Stadt
oder Gemeinde Online-Formulare bereithält – und dies ist bereits die
Ausnahme -, kann er selten sicher sein, daß auch sein aktuelles
Anliegen unterstützt wird. Geweckte Hoffnungen zu
enttäuschen, kann schädlich sein. Dies ist zu bedenken, wenn Kommunen
ihre Angebote bereits als "virtuelle Rathäuser" anpreisen, obwohl "nur"
Vergnügungsanmeldungen,
Standesamtformulare, Parkausweise oder Wein (!) bestellt werden können.

Die Bewertung der Online-Angebote
orientierte sich in der Untersuchung an zehn Kategorien: Breite und
Tiefe des Angebotes; Transparenz; Suchmöglichkeiten;
Benutzerfreundlichkeit;
Elektronische Korrespondenz; Design und Aufbau der Formulare;
Vertrauenswürdigkeit; Datensicherheit und Datenschutz; Technische
Voraussetzungen für die Nutzung und
Nutzungsvorteile. Für eine detaillierte Zusammenfassung der
Erkenntnisse aus dieser Bewertung sei auf die entsprechenden Abschnitte
in Kapitel 4 verwiesen.

Auf der Interaktionsstufe A, die
vorbereitenden Charakter für die weiterführenden Interaktionsstufen
hat, sind die Quantität und Qualität der angebotenen Informationen
entscheidend.
Etwa gut die Hälfte der untersuchten Angebote bot Informationen aus
allen Verwaltungsbereichen an. Bei den grundlegenden Informationen wie
Öffnungszeiten, Adressen, usw. boten nur
zehn Städte ausführlichere Informationen als übliche
Telefonbucheinträge an. Auch die "Was-erledige-ich-wo?"-Listen sind
längst nicht in allen Kommunen Standard. Vor diesem
Hintergrund unterscheiden die Webseiten sich kaum von den
Behördenübersichten in den Gelben Seiten. Berücksichtigt man die
gelegentlich mangelnde Transparenz und
Vertrauenswürdigkeit der Angebote, ist fraglich, ob die Online-Medien
gegenüber den Printmedien nutzer-freundlicher gestaltet sind. Gute
Suchmaschinen, der vorsichtige Einsatz von
Frames, spezielle Ausfüllhilfen und die "Link"
(Verbindungs)-Möglichkeiten des Hypertexts, sowie besondere Hilfetexte
können die Benutzungsfreundlichkeit eines Online-Angebotes
gegenüber schriftlichen oder telefonischen Alternativen der
Anliegensverfolgung verbessern; was anhand von Beispielen aufzeigbar
wäre. Leider gibt es ebensoviele Negativ-Beispiele, in
denen sich eine gewisse Technikverspieltheit kontraproduktiv auswirkt.

Auf der Interaktionsstufe B
dominieren zentrale EMail-Adressen, die Anlaufstelle für
unterschiedlichste Fragen, Anregungen und Kritik sind. Dabei bleiben
zielgenaue Anfragen die
Ausnahme. Die elektronische Erreichbarkeit innerhalb kommunaler
Verwaltungen ist sehr unterschiedlich und damit für den Bürger
schwierig nachzuvollziehen. Dazu kommen oft lange
Antwortzeiten (länger als eine Woche). In solchen Fällen können
Anliegen mit Telefon, Fax oder sogar "Snail-Mail" schneller und
präziser verfolgt werden. Einige Kommunen teilten uns
erst auf unsere Anfrage hin mit, daß bei ihnen Formulare auch per EMail
bestellt werden können. Es stellt sich die Frage, warum darauf nicht
auf den entsprechenden Informationsseiten
hingewiesen wird.

Daß die Interaktionsstufe C nur
im Bereich "Formulare herunterladen – veröffentlichen" und "Online
abschicken – empfangen" angeboten wird, wurde bereits erwähnt. Eine
vollständige
Anliegensverfolgung inklusive ihres Abschlusses "online" ist nicht
möglich. Dafür kann bei vergleichsweise weniger komplexen
Bestellvorgängen (z.B. von Informationsmaterial u.ä.) oder
Anmeldungen wenigstens die Antragstellung komplett online erfolgen –
die Bestätigung der Anmeldung oder die Zusendung des
Informationsmaterials erfolgt dann per Post. Fast alle
Online-Angebote der Stufe C können alternativ auch schriftlich und
telefonisch erledigt werden. Insofern ist es besonders ärgerlich, daß
nur in Ausnahmehilfen gute Hilfestellungen,
erläuternde Informationen o.ä. genutzt werden. Dadurch werden die
spezifischen Vorteile des Online-Mediums verspielt.

Die C-Angebote demonstrieren
ähnlich wie auf den anderen Interaktionsstufen in der Zusammenschau
Vielfalt und im Einzelfall Isolation. Hinzu kommt eine große Varianz in
der
technischen Bereitstellung. HTML-Formulare unterschiedlichster
Komplexität und mit verschiedensten Formen der Eingabeunterstützung
stehen neben Dokumenten, die mal als
HTML-Seite, mal als Word-Dokument, komprimiert oder als PDF-Dokument
heruntergeladen werden können. Dies alles setzt eine gewisse
Vertrautheit der Bürger mit typischer
Browser-, Textverarbeitungs- und File-Transfer-Software voraus.

Inhaltlich lassen sich bei diesen
Angeboten gewisse Schwerpunktsetzungen erkennen, die einer
Stabilisierung der Nutzererwartung förderlich sind. Häufig sind
Bestellmöglichkeiten von
entweder touristischen oder wirtschaftsbezogenen
Informationsbroschüren. Weitere Online-Formulare sind am ehesten bei
Leistungen des Einwohnermeldeamtes bzw. der Bürgerämter,
der Abfallentsorgung, der Kfz-Anmeldung oder den Bildungseinrichtungen
zu vermuten.

Von besonderer Bedeutung sind bei
einigen Anliegen die Vorschriften zur Wahrung der
Rechtsverbindlichkeit. Oft erklären die Kommunen mit ihnen die nur
teilweise mögliche
Online-Erledigung dieser Anliegen. Ummeldungen können nur vorbereitet,
müssen aber beim Bürgeramt noch unterschrieben werden,
Ausweisverlustanzeigen können ausgedruckt,
müssen aber persönlich beim Einwohnermeldeamt abgegeben werden. Was bei
einigen Kommunen heruntergeladen werden kann, ist bei anderen Kommunen
bereits online abschickbar.
Dies unterstreicht die Spielräume, die bei interaktiven
Online-Angeboten vorhanden sind und nur von den wenigsten Kommunen
genutzt werden.

Fast widersprüchlich mutet es an,
daß einerseits eine "noch ungeklärte rechtliche Situation" als
Entschuldigung für unvollständige Angebote in Anspruch genommen wird,
andererseits aber
das Thema Datenschutz und Datensicherheit auf den Webseiten praktisch
vernachlässigt wird. Technische Möglichkeiten wie SSL-Verbindungen oder
die Vergabe von Pin-Nummern,
die bei anderen, kommerziellen Electronic Commerce-Anwendungen wie z.B.
Flugbuchungen längst benutzt werden, finden keinen Einsatz bei den
Kommunen.

Die interaktiven Online-Angebote
sind in Deutschland bisher nicht über das Stadium des Experimentierens
hinausgekommen. Dies soll nicht die Leistung derjenigen schmälern, die
die zur
Zeit vorgefundenen Online-Angebote entwickelt und aufgebaut haben.
Häufig scheinen jedoch einzelne Prestigeprojekte der Verwaltung zu
reichen, um sich mit einem "virtuellen Rathaus"
gegenüber der Öffentlichkeit zu profilieren. Es ist nur selten
ersichtlich, ob und wie diese Angebote erweitert werden sollen. Eine
langfristige Verbesserung der
Bürger-Verwaltungs-Interaktionen kann nur dann erreicht werden, wenn
die bestehenden Angebote, die in einzelnen Ansätzen durchaus
vielversprechend sind, in umfassendere,
konsequent aus Sicht der Bürger entwickelte Konzepte eingebunden
werden. Dazu ist eine Analyse und Konzentration auf diejenigen
Qualitäten, die eine Online-Interaktion zwischen
Bürgern und Verwaltung nützlich machen, notwendig.

Spezifische Vorteile der
Online-Medien werden zu nachlässig oder nicht genutzt. Wenn der
Informationsgehalt auf den Webseiten nicht über die einschlägigen
Eintragungen in den
Telefonbüchern hinausgeht, sind letztere für die meisten Bürger in der
Regel schneller, einfacher und billiger zu benutzen. Spezifische
Vorteile der Online-Präsentation, wie die
Möglichkeiten der Stichwortsuche, die auf den Tag genaue Aktualität
oder die Verknüpfung mit weiterführenden, erläuternden und erklärenden
Informationen, können nur bei einer
sorgfältigen Redaktion der Verwaltungsseiten gewährleistet werden.

Technische und rechtliche Hürden
werden vorschnell als Entschuldigung für minderwertige Online-Angebote
in Anspruch genommen. Eine Verbesserung der
Bürger-Verwaltungs-Interaktion kann auch bei einzelnen
Interaktionsstufen sinnvoll sein, wenn sie entsprechend in die
Anliegensverfolgung eingebunden sind. Häufig zeigen auch
Angebote in anderen Städten zu ähnlichen Problemlagen, daß mehr möglich
ist als dem Bürger auf den jeweiligen Web-Seiten gezeigt wird. Ein
Vergleich der Ummeldemöglichkeiten in
Oldenburg, Mannheim, Vechta und Münster kann diese Zusammenhänge an
einem praktischen Beispiel verdeutlichen (s. Kap 4.10.).

Die Online-Angebote werden nicht
aus Bürgersicht, sondern zu sehr aus der Verwaltungsperspektive
erstellt. Interne Organisationspläne beeinflussen den Aufbau der
Webseiten. Das
Ressortprinzip begünstigt Einzellösungen. Typisch ist z.B. die
Online-Ummeldung bei den Stadtwerken, ohne daß diese mit einer
Ummeldung beim Einwohnermeldeamt verknüpft wird.
Aus Bürgersicht muß es aber darum gehen, die notwendigen Anliegen nach
Lebenslagen, und nicht nach Ämtern, zu integrieren
("one-stop-government").

Eine Verknüpfung der
Online-Angebote mit anderen Maßnahmen zur Verbesserung der
Bürger-Verwaltungs-Interaktion ist notwendig. Webseiten können das
Prinzip der in immer mehr
Städten verfolgten Einrichtungen von "Bürgerämtern" sinnvoll ergänzen.
Einige der innovativsten Angebote fanden wir in Städten, in denen es
solche Bürgerämter gibt.

Ein Austausch über mögliche
Lösungen wird unter den Städten und Gemeinden nur in Ausnahmefällen
praktiziert. Das Rad wird an vielen Stellen neu erfunden. Dabei ließen
sich schon
aus denjenigen Angeboten, die bis heute realisiert worden sind,
nützliche Anwendungen zusammenstellen, die eine Steigerung der
Bürger-Verwaltungs-Interaktion bedeuten würden. Im
Falle eines Umzuges könnte der Bürger seine Wohnung, den Hund, Strom,
Wasser und Mülltonne in einem Zug allein von seinem PC (und mit einem
Gang zum Briefkasten) ummelden.

Die Online-Angebote bedürfen
einer Organisation, die die Interessen, Bedürfnisse und Fähigkeiten der
Bürger ernst nimmt. Dazu sind verwaltungsinterne und
verwaltungsübergreifende
Kooperationen notwendig. Auch eine Reihe externer Faktoren sind zu
berücksichtigen, wie insbesondere der Vernetzungsgrad und die
Medienkompetenz der Bürger. Auf sie kann in
dieser Studie nicht eingegangen werden. Statt dessen soll die
vorliegende Erhebung dazu beitragen, Stärken und Schwächen der
bestehenden Online-Angebote aufzuzeigen, und damit in
einer relativ frühen Phase der Entwicklung Perspektiven eröffnen, wie
"virtuelle Rathäuser" im Sinne einer Verbesserung der
Bürger-Verwaltungs-Interaktion erfolgreich weiterentwickelt
werden können.