"Kinder sind unsere Zukunft" ist in politischen Debatten eine viel zitierte Plattitüde. Doch wie können Jugendliche zu politischer Beteiligung animiert werden und welche Bedingungen müssen hierfür geschaffen werden? Das am Montag veranstaltete Werkstattgespräch "ePartizipation Jugendlicher" suchte Antworten auf diese Fragen.

Jugendliche und soziale Medien: Beinahe reflexartig wird dieses Thema in den Medien unter dem Stichwort "Facebook-Partys" zusammengefasst. In seinem Impulsvortrag warnte Jürgen Ertelt, Koordinator des Projektes "Youthpart: Internationaler und nationaler Erfahrungsaustausch sowie Modellentwicklung für mehr Jugendbeteiligung in der digitalen Gesellschaft", vor den Gefahren einer solch einseitigen Wahrnehmung. Man dürfe sich nicht auf die Risiken des Netzes beschränken. Vielmehr sollten die Potenziale sozialer Medien genutzt werden. Dabei müssten die Besonderheiten der jugendlichen Zielgruppe jedoch berücksichtigt werden. Im Rahmen der Partizipationsforschung und der Jugendarbeit seien in diesem Zusammenhang bereits wichtige Erkenntnisse getroffen worden. Beispielsweise würde die Trennung zwischen Online- und Offline-Welt bei Jugendlichen auf Unverständnis treffen. "Diejenigen, die wir erreichen wollen, vollziehen diese Trennung nicht", so Ertelt. Die Kommunikationsstrategien von Organisationen oder Politikern müssten Jugendlichen in ihrer Umgangsweise mit sozialen Medien entgegenkommen. Eine Nutzung von Facebook und Co. als einseitiger Informationskanal sei kontraproduktiv und würde von den Jugendlichen mit Missachtung gestraft. Die Partizipation Jugendlicher bedürfe daher zweier Lernprozesse: Einerseits müssten die Jugendlichen "Beteiligung lernen", andererseits müsse es aber auch in Politik und Verwaltung einen anderen Umgang mit den Ergebnissen bürgerlicher Beteiligung geben.


"Youthpart" als europäische Jugendstrategie

2009 verabschiedeten die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine Jugendstrategie, welche die jugendpolitische Zusammenarbeit bis 2018 regeln soll. Mehr Chancengleichheit im Bildungswesen und mit Blick auf den Arbeitmarkt sowie die Förderung des gesellschaftlichen Engagements und der Teilhabe junger Menschen an politischen Prozessen wurden als zentrale Ziele ausgegeben. In Deutschland arbeiten mehrere Institutionen an der Umsetzung dieser Strategie. Das Werkstattgespräch "ePartizipation Jugendlicher" am Montag markierte den Start für das bis 2014 laufende "Youthpart"-Projekt, welches von der IJAB- Fachstelle für internationale Jugendarbeit verantwortet wird. Mit diesem Projekt wird eine wichtige Lücke geschlossen: In den meisten Beteiligungsprozessen werden Jugendliche bislang nicht als spezifische Zielgruppe definiert und angesprochen. Nicht nur politische Entscheidungsträger entscheiden über die Köpfe der Jugendlichen hinweg – auch in Bürgerinitiativen bleibt ihr Mitgestaltungspotenzial marginal. Die bestehenden Beteiligungsangebote bedürften daher einer didaktischen Weiterentwicklung, die verständliche Zugänge für alle Jugendliche ermöglicht. Mit "Youthpart" sollen innovative Verfahren zur besseren Einbindung der Jugendlichen im internationalen Vergleich identifiziert, weiterentwickelt und in einer Datenbank eingepflegt werden. Wie jugendgerecht sind die bestehenden Verfahren? Wie kann Beteiligung für Jugendliche einfacher gemacht und ausgebaut werden? Das sind die Leitfragen, an denen sich die Projektkoordinatoren Jürgen Ertelt und Nadine Karbach orientieren und die sie nicht nur Kindern und Jugendlichen, sondern auch an Politik und Verwaltung stellen.

Vertreter aus Estland, Finnland, Großbritannien und Österreich stellten modellhafte Initiativen vor, wobei sich recht unterschiedliche Herangehensweisen offenbarten. Liis Kuusk vom estnischen Jugendarbeitszentrum referierte über die rege Beteiligung estnischer Jugendlicher an Jugendräten und Jugendparlamenten. Politik- und Wahlsimulationen seien in dem kleinen baltischen Land sehr populär. Ein nachahmenswertes Projekt ist auch die estnische Initiative "participation metro" – ein detaillierter Übersichtsplan über sämtliche Partizipationmöglichkeiten für Jugendliche.

Timm Davies aus Großbritannien teilte die in Deutschland vorherrschende Meinung, dass Bürgerbeteiligung vor allem auf kommunaler Ebene erfolgreich sein könne. Die fehlende Verbindung zwischen Jugendlichen und den politisch Verantwortlichen sei gleichwohl das größte Problem. Jugendliche wollten Facebook und Skype zur politischen Kommunikation nutzen, die Verwaltung sträube sich jedoch dagegen. Insgesamt habe es in den letzten zehn Jahren zwar Fortschritte in der Beteiligung Jugendlicher gegeben, die Finanzkrise habe aber einige Vorhaben scheitern lassen.

Zentrale Fragen und Antworten

In mehreren Diskussionsrunden wurden schließlich zentrale Fragen der Onlinepartizipation Jugendlicher diskutiert: In welchen Bereichen müssen Jugendliche noch unterstützt werden? Welche Themen sind den Jugendlichen wichtig? Wie können die Ergebnisse jugendlicher Beteiligung nachhaltig genutzt werden? Welche Bedingungen müssen die Online-Verfahren erfüllen?

Der erste Schritt des eigentlichen Partizipationsprozesses sei die Themenfindung, die durch die Jugendlichen selbst erfolgen müsse. Beteiligungsmöglichkeiten sollten selbstverständlich nur dort geschaffen werden, wo Interessen von Jugendlichen tangiert werden. Manche Diskutanten plädierten für eine redaktionelle Betreuung der Diskussionen der Jugendlichen. Die Debatten könnten dadurch strukturiert und besser nachvollzogen werden. Andere lehnten diesen Vorschlag aus Kostengründen und der mangelnden Vereinbarkeit mit der Idee eines deliberativen Diskurses im Netz ab. In jedem Fall müsse es auch strukturierte Rückkoppelungsmechanismen geben. Ergebnisse, Nutzen und die Umsetzung der Ideen der Jugendlichen sollten ihnen auch aufgezeigt werden. Außerdem müssten Institutionen lernen, Beteiligung "auszuhalten"- Medienkompetenz solle folglich nicht nur Jugendlichen, sondern auch den politischen Entscheidungsträgern vermittelt werden.

Dass Jugendliche alles andere als politikverdrossen sind und sich an gesellschaftlichen und politischen Prozessen beteiligen wollen, stand am Ende für alle Teilnehmer fest. Ein von Jürgen Ertelt zitierter Tweet brachte diesen Fakt auf den Punkt: "Ihr werdet euch noch wünschen, wir wären politikverdrossen." Denn wenn wirklich "Wirksamkeitsverdacht" bestehe, würden sich Jugendliche zwangsläufig beteiligen.

(Fotos: Cathrin Olbrich)