Mit Bildern wird nicht nur geworben, mit Bildern wird gewonnen! Der
amerikanische Präsidentschaftswahlkampf ist auch ein Wettbewerb um das überzeugendste Image.

Seit Beginn des Massenwahlkampfes und den ersten Kandidatenporträts auf Plakaten für den späteren Gewinner der
Wahl des Jahres 1828 – den Demokraten Andrew Jackson – haben sich neun verschiedene Bildstrategien herausgebildet,
die auch noch im neuen Jahrtausend, in unterschiedlichen Kombinationen, Verwendung finden. Im Vorwahlkampf 2000
konnten bislang jedoch lediglich vier Bildstrategien beobachtet werden: die Helden-, die Ahnen-, die "Common-man"-
und die Negativ-Strategie. Während das Demokratische Duell zum "Super Tuesday" Anfang März
schon entschieden zu sein scheint – für den gegenwärtigen Vizepräsidenten Al Gore, gegen den sich als
Sportstar und ehemaligen New York Knicks-Helden präsentierenden Ex-Senator Bill Bradley – bleibt das Rennen
zwischen dem selbsterklärten Gewinner George Bush jun. und dem Überraschungsverfolger John McCain
noch für kurze Zeit spannend.

"natural born hero" vs. "presidential son"

Was die Heldenstrategie für das Amt des Präsidenten so attraktiv macht, ist die mit diesem Image verknüpfte
Führungskompetenz und Amtsautorität. Commander McCain, Richard Nixon (1973)
Normalerweise eher eine typische Amtsinhaberstrategie, kann das überzeugende Heldenimage eines
Outsider-Kandidaten seine innerparteilichen Mitbewerber in arge Bedrängnis bringen, wie dies die
Kandidatur des Republikanischen Senators und Vietnam-Veteranen John McCain
anschaulich illustriert. Der Journalistenliebling verfolgte von Anfang an eine
Kriegsheldenstrategie
,
die auf seiner fünfeinhalbjährigen Gefangenschaft in Vietnam basiert.
Anfänglich belächelt und von George Bush jun. nicht ernst genommen,
änderte sich diese Einstellung nach McCains überwältigendem Sieg in New
Hampshire. McCains Lebensgeschichte macht ihn zum idealen Heldentypen,
der keine Strategie konstruieren muß. Allerdings – und dies ist in den
an Delegiertenstimmen zahlreichen Staaten Kalifornien, New York und
Florida ein Hindernis – McCain ist landesweit nicht so bekannt wie
Bush. Aber auch hinsichtlich "name recognition" holte McCain dank der
ausführlichen Berichterstattung über ihn auf. McCains bevorzugte Themen
sind Reformen, besonders die Reform der Wahlkampffinanzierung, für die
er zusammen mit dem Demokratischen Senator Feingold schon seit Jahren
kämpft. Als "natural born hero" stellte er für den Frontrunner Bush
zunächst ein heißes Eisen dar, denn wer Helden mit Steinen bewirft,
wird selbst erschlagen. Angreifbar machte sich McCain erst während des
Wahlkampfes in South Carolina und dies durch seinen eigenen Fehler.
Dort schaltete er Negativ-Spots, in denen er – wenig überzeugend – Bush
jun. mit dem parteipolitischen Erzfeind Bill Clinton verglich. Das kam
bei den erzkonservativen Südstaatlern, die immer noch die Flagge der
konföderierten Sklavenhalter hissen, gar nicht gut an. Denn das war
nicht die feine Art eines "Southern gentleman".

Die Familie Bush (1956)
Bush als leibhaftiger Sohn von Clintons Amtsvorgänger setzte von Anfang an auf sein Geld und die Bekanntheit seines Namens.
Der texanische Gouverneur bediente sich der naheliegenden Ahnenstrategie,
zumal es ein historisches Vorbild der Vater-Sohn-Nachfolge gibt: Der
sechste Präsident der Vereinigten Staaten, John Quincy Adams, war der
Sohn des zweiten Präsidenten, John Adams. Ob dies allein zum
endgültigen Sieg ausreicht, ist allerdings höchst zweifelhaft. Neben
einem beispiellosen finanziellen Polster von über 70 Millionen Dollar
(das mittlerweile auf magere 10 Millionen geschrumpft ist) und der
direkten Erbschaftslinie zum Präsidentenamt, warb George Bush jun. vor
allem auf negative Weise und diskreditierte seinen überraschend starken
innerparteilichen Konkurrenten John McCain erfolgreich im
rechtskonservativen Republikanischen Spektrum. Bushs sonstige
Wahlkampfauftritte und Photo-ops gehören eher in die Rubrik
"belanglos". Neben dem obligatorischen "babykissing" und
"elderly-hugging" zeigte er sich auf einem Pressetermin auch mit
Feuerwehrhelm als Freund der "firefighters". Wer hat schon etwas gegen
Kinder, Alte und Feuerwehrmänner? Warum man Bush wählen soll, wird aus
diesen, für die Kameras inszenierten Auftritten, allerdings kaum
deutlich.

Reform oder Remake?

Dabei hätte auch McCain eine, wenn auch konstruierte, Ahnenstrategie zum Einsatz bringen können, tat es aber zu
spät und nicht visuell. Wieder auf widrigem Wahlkampfterrain, diesmal bei den christlichen Virginiern,
Ende Februar, berief sich McCain zum ersten Mal explizit auf sein präsidentielles Vorbild:
"we are the party of Theodore Roosevelt, not special interests". Was sich zunächst ganz harmlos anhörte, war Sprengstoff
im Kontext der Christlichen Rechten, einer von dem Geistlichen Pat Robertson aus Virginia ins Leben gerufenen
erzkonservativen Lobbygruppe, die schon immer gegen McCains Wahlkampfreformen waren, weil damit der Einfluß von
Interessengruppen wie der "Christian Right" empfindlich beschnitten würden. Im Bild tauchte der immer noch populäre
und ebenfalls als Kriegsheld bekannte 26. Präsident der USA, dem die Teddybärenindustrie ihre Daseinsberechtigung verdankt,
bislang noch nicht auf. Ein würdiger Ahne für McCain wäre er allemal, denn er gehörte zu dem "Progressive Movement"
innerhalb der Republikanischen Partei, das vor exakt einhundert Jahren seine reformerische Hochphase erlebte.
Teddy Roosevelt war 1900 Vizepräsident unter Präsident McKinley. Nach dessen Ermordung im Jahre darauf wurde
Roosevelt sein Nachfolger. Auch heute noch einer der populärsten U.S.-Präsidenten, könnte sich exakt einhundert Jahre
später nicht nur McCain, sondern auch Vizepräsident Al Gore bemüßigt fühlen, das Bärenmaskottchen als Ahnenutensil
in die Internet-Campaign-Shops aufzunehmen.

Wer hat Angst vorm "Common man"?

Al Gore in Vietnam (1971)Während McCain ein Selfmademan ist,
stammen sowohl Bush als auch Gore aus dem politischen Establishment. Albert Gores Vater war lange
Zeit Senator von Tennessee, ein Amt, in das ihm sein Sohn nachfolgte. Als eher steif und
langweilig verschrien, versuchte sich Gore an den Heldentrubel um McCain anzuhängen und veröffentlichte ein Foto
aus seiner Zeit als Militärberichterstatter in Vietnam, wo er sechs Monate lang diente, zwischen Dezember 1970
und Mai 1971. In Tropenbekleidung mit Marschgepäck und geschultertem Gewehr zielte die Fotografie darauf ab, die
populären Basketballattitüden
seines damals noch scharfen Konkurrenten Bill Bradley zu
konterkarieren. Die Imagewende vom Washington-"geek"-politician zum
"native son" brachte eine konsequent angewandte "Common-man"-Strategie,
innerhalb derer Anzüge, Krawatten und weiße Hemden tabu waren. Um das
traditionell den Vorwahlkampf eröffnende ländliche Iowa zu gewinnen,
trat Gore mit Cowboystiefeln, Jeans und braunem Baumwollhemd in
Scheunen und auf Schweinefarmen auf. Dort propagierte er sein astreines
"Pro-Farming"-Abstimmungsverhalten im Kongress. Die Anbiederung an die
"Common men" funktionierte und sie betrachteten Gore als einen der
ihren. Bill Bradley war in Iowa von Anbeginn chancenlos, nicht weil man
in Iowa kein Basketball spielt, sondern weil er als Senator des eher
auf Industrie, Handel und Dienstleistungen setzenden Ostküstenstaats
New Jersey auch schon mal gegen "farm subsidies" gestimmt hatte.

Bill Bradley im Trikot der New York Knicks
McCain hat sein Helden- und Reformerimage, Bush das Geld und die Unterstützung des Republikanischen Establishments.
Wer gewinnt, bleibt weiterhin spannend. Die politischen Bildstrategien dienen jedoch nicht nur den einzelnen
Kandidaten. Sie sind vielmehr Teil eines die Nation umfassenden Rituals. In der Präsidentenwahl wird dem Volk
als Souverän und zugleich dem Föderalismus Reverenz erwiesen. Die visuellen Strategien helfen dabei, die
Gegenwart mit der Vergangenheit zu verbinden. Insofern ist der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf ein immer
wiederkehrendes Ritual der Erneuerung. Die Bilder, die dabei hervorgebracht werden, eröffnen Zugänge in das politische
Leben und damit die Teilhabe am Gemeinwesen – und das auch noch auf unterhaltsame Art.