Laut dem Landessozialgericht in Nordrhein-Westfalen muss der Staat Hartz IV-Empfängern keinen Computer finanzieren. Begründung: Für die Grundversorgung mit Informationen sei ein PC nicht notwendig. Gerade für Arbeitssuchende aber bedeutet dies ein weiteres Hindernis für den (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt.

Urteil zur Prozesskostenhilfe

Der Fall: Eine Hartz IV-Empfängerin beantragte die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines PC samt Zubehör. Dies wurde von der zuständigen Behörde abgewiesen. Gegen diese Entscheidung reichte sie im August 2009 Klage ein und beantragte zudem Prozesskostenhilfe. Das Sozialgericht Detmold gewährte diese nicht. Begründung: Die Erfolgsaussichten der Klage seien zu gering. Die Klägerin hatte damit argumentiert, dass ein Computer mit Internetanschluss zum sozial üblichen Standard gehöre und deshalb ein Anspruch darauf bestehe.

Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Entscheidend sei nicht die Verbreitung, sondern ob ein PC für eine „geordnete Haushaltsführung“ notwendig sei und ob der Leistungsempfänger ihn für ein an den „herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Leben“ benötige. Mit ihrer Beschwerde gegen diesen Beschluss scheiterte die Klägerin auch beim zuständigen Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW).

TV ja, PC nein

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass eine ähnliche Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt erfolgreich war. Mit derselben Argumentation der „Sozialüblichkeit“ wurde hier dem Kläger ein gebrauchtes Fernsehgerät auf Staatskosten gewährt.

Ein geordneter Haushalt könne heute noch ohne PC geführt werden, erklärte der Pressesprecher des LSG NRW Dr. Matthias Röhl auf Anfrage von politik-digital.de. Ein PC sei – anders als der fast durchweg in Haushalten vorhandene Fernseher – nicht für die Grundversorgung mit Informationen erforderlich. Für die Klägerin hätte zudem die Möglichkeit bestanden, die Computer in ihrem Bewerbungszentrum zu benutzen, so Röhl.

Digitaler Zugang wird erschwert

Die Argumentation der Richter wirft eine wichtige Frage auf: Inwieweit sind Arbeitssuchende auf das Internet angewiesen? Die vielfach schon gängigen digitalen Bewerbungswege werden für Hartz IV-Empfänger ohne eigene Internetanbindung durch ein solches Urteil erschwert. Dasselbe gilt für die Suche nach offenen Stellen in den Online-Stellenbörsen. Denn besonders in ländlichen Gebieten ist der Weg bis zur nächsten Servicestelle der Bundesagentur für Arbeit oft weit und verursacht zusätzliche Beförderungskosten.

Auch das Speichern vertraulicher Bewerbungsdaten ist an einem öffentlichen Computer nicht risikofrei möglich. Den Betroffenen wird es zudem erschwert, die Vorteile des freien Zugangs zu Wissen und der sozialen Vernetzung via Internet zu nutzen. Außerdem muss ein gebrauchter PC mittlerweile nicht mehr kosten als ein gebrauchtes Fernsehgerät.

Widerspruch zu politischen Programmen

Das Urteil steht oft auch im Widerspruch zu den netzpolitischen Leitlinien, die von der Politik kommuniziert werden. In Nordrhein-Westfalen, der Heimat der Detmolder Klägerin, forderten die Parteien zum Beispiel vor der Landtagswahl im Mai 2010 „Breitband für alle“. Auch die Digitale Agenda der EU-Kommission legt mit Bezug auf den flächendeckenden Web-Zugang eine klare Forderung auf den Tisch: „Jeder, ob jung oder alt, hat ungeachtet seiner sozialen Herkunft Anspruch auf den Erwerb der nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten, um am Digitalzeitalter teilzuhaben.“ Diese Forderung wird sich nur bedingt mit der IT-Infrastruktur der Bundesagentur für Arbeit realisieren lassen.

Einen interessanten Mittelweg geht in diesem Zusammenhang übrigens die ARGE Holzminden. Dort werden gebrauchte Computer aufgearbeitet und ALG-2 -Empfängern kostenlos überlassen.

Unter Mitarbeit von Benjamin Bergemann.

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