Interview mit Felix Kolb, Pressesprecher von Attac Deutschland

In Genua legt sich der physische Staub, den die Proteste um das G8 Treffen
aufgewirbelt hatten. Die Demonstranten steigen in ihre Busse gen Heimat, die
Bestürzung um den Grad der Gewalttätigkeit der Auseinandersetzungen,
die ein Todesopfer forderten, bleibt. Auch vom Ausgang der Verhandlungen sind
die Globalisierungsgegner enttäuscht: "Dieser Gipfel hat an der Politik
der G8 nichts, aber auch wirklich gar nichts geändert" so Felix Kolb von
Attac.

attac-logoVon
den rund 500 deutschen Mitgliedern der 1998 in Frankreich gegründeten Organisation
sind ungefähr 150 nach Genua gefahren, um dort friedlich zu demonstrieren.
Insgesamt rund 100.000 Globalisierungsgegner protestierten gegen eine globalisierte
neoliberale Wirtschaftspolitik und für nachhaltige soziale Entwicklung
weltweit. Die Ausschreitungen forderten 500 Verletzte, brachten 126 Verhaftungen
und für die Stadt Genua 100 Millionen Mark Sachschaden. Kurz nach dem Gipfel
sprach politik-digital mit dem Pressesprecher von Attac Deutschland, Felix Kolb.


politik-digital: Herr Kolb, der Gipfel in Genua geht zu Ende, ein Gipfel,
dessen Inhalte und Ergebnisse in der Berichterstattung von den gewaltsamen und
tödlichen Ausschreitungen überschattet wurden. Wie ist das Resümee
von Attac?

Absperrung vor der roten Zone, Genua
Felix Kolb: Gemischt. Zunächst sind wir bestürzt über
die Schüsse und den Tod von Carlo Giuliani. Auf der anderen Seite macht
sich Unmut darüber breit, dass die G8-Staaten unsere inhaltliche Kritik
im Kern weiter ignorieren. Die Überlegungen zur Gewaltprävention für
die nächsten Gipfel sind bisher rein technischer Art, nicht inhaltlich.
Es wird beraten, ob die Gipfel kleiner werden sollen, ob sie kürzer werden
sollen aber nicht, ob die Themen des massiven, weltweiten Protests vielleicht
einbezogen werden müssten.

politik-digital:Dass der Protest der Globalisierungsgegner auch gewalttätiges
Potenzial hat, zeichnete sich schon in Göteborg ab. Wie hat Attac versucht,
für Genau vorzubeugen?

Felix Kolb: Nach dem Gipfel in Göteborg hat Attac ein Diskussionpapier
zur Gewaltdebatte verabschiedet. Dort haben wir ausführlich dargestellt,
wieso für uns Gewalt kein Mittel der politischen Auseinandersetzung ist,
und habe unsere Kritik an militanten Vorgehen erläutert.

politik-digital:Wissen Sie, wer die Gruppen waren, die in Genua in
der Innenstadt fernab von der roten Zone randaliert haben, gibt es da Erkenntnisse?

Felix Kolb: Nein. Wer das genau ist, ob die organisiert sind, weiss
keiner so genau. In Genua sind diese Leute einfach aufgetaucht und haben die
Stimmung angeheizt. Meines Wissens haben sie an den Vorbereitungstreffen des
Genua Social Forums nicht teilgenommen und waren deshalb nicht in die Strukturen
integriert.

politik-digital:Die friedlichen Demonstranten geraten unweigerlich
mit in den Sog der Kritik an der Gewalt. Wie wollen Sie in Zukunft protestieren,
ohne sich dem Vorwurf und den harschen Kontrollen auszusetzen?

Felix Kolb: Wir werden verstärkt auf eigene Aktionen setzen, versuchen
Themen von uns aus zu besetzen. Ein Beispiel dafür wird eine geplante Protestaktion
gegen die Privatisierung der Krankenversicherung sein, mit der wir die Entstehung
eines Systems der Zwei-Klassen-Medizin verhindern wollen. Ein andere Attac-Aktion
ist für den 6. Oktober in Luxemburg geplant, dort wollen wir gegen die
Möglichkeiten von Geldwäsche und Steuerflucht protestieren, die Luxemburg
Unternehmen und reichen Personen bietet. Mit diesen eigenständigen Aktionen
wollen wir vermeiden, immer nur im Zuge der Veranstaltungen anderer aufzutreten.

politik-digital:Heißt das, der Protest auf den Gipfeln rückt
in den Hintergrund?

Felix Kolb: Nein, das kann nicht sein. Die Gipfel sind Fokussierungspunkte
für unsere Themen und für diejenigen, die wir mit dem Protest erreichen
wollen. Wir müssen jetzt erstmal das Geschehene überblicken, analysieren,
und dann sehen wir weiter.

politik-digital:Könnte eine von einigen G8-Mitgliedern angedachte
Integration von Globalisierungsgegnern in die Beratungen ein Angebot sein?

Felix Kolb: Eine solche Einladung ist zwiespältig. Man muss aufpassen,
dass das nicht zu einem Alibi wird, wir sitzen dabei und sind dadurch mundtot
gemacht. Wir wollen, dass unsere Themen diskutiert werden. Und selbst wenn das
passiert, muss man aufpassen. Denn eine Kurskorrektur seitens der G8 muss nicht
heißen, dass Protest überflüssig wird. Das sieht man schon an
der Regierungsbeteiligung der Grünen, dadurch sind Proteste gegen Atom
z.B. auch nicht hinfällig geworden.

politik-digital:Wie sieht es bei Attac mit Protestplänen für
das Internet aus? Wären Angriffe und Demos im Netz eine Alternative?

Felix Kolb: Aktionen im Netz sind für uns grundsätzlich denkbar.
Gut die Hälfte der internen Kommunikation läuft bei uns über
eMail, das ist sehr wichtig. Allerdings ist der soziale Kontakt auch unerlässlich,
denn bei unseren Aktionen ist das gegenseitige Vertrauen, das durch persönliche
Begegnung entsteht, sehr wichtig. Internet und reale Begegnungen ergänzen
sich wunderbar.

politik-digital:Attac hat sich von dem gewalttätigen Protest distanziert.
Wo positioniert ihr euch als NGO (Non-Governmental Organisation)?

Felix Kolb: Wir sehen uns in der Tradition des zivilen Ungehorsams
der sozialen Bewegungen. Wir halten symbolische Gesetzesübertretungen für
legitim, wenn wir beispielsweise bei einem Regierungsgebäude Hausfriedensbruch
begehen, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Gewaltanwendung lehnen
wir aber ab.