Die Republik Korea ist bei der diesjährigen Computerspielmesse Gamescom vom 15. bis 19. August in Köln offizielles Partnerland. Ein Grund für politik-digital.de, das Technik- und “Gamingland” Südkorea einmal genau zu betrachten: Zwischen Technikwahnsinn und dem Kulturgut Videospiele könnte Deutschland vielleicht noch etwas von Südkorea lernen.

Samsung und LG, zwei südkoreanische Unternehmen, deren Erfolg viel mehr Aussagekraft hat, als man zunächst denkt. Sie stehen für die Technikfixiertheit eines Landes, das nur ein Drittel so groß ist wie Deutschland, aber mehr Einwohner hat als Spanien. Dass zwei der international größten Technologie-Unternehmen aus Südkorea stammen, ist kein Zufall. Wenn man durch die schillernde Metropole Seoul streift, dann mag das auf der Hand zu liegen, einige Kilometer weiter östlich in der tiefsten Provinz jedoch würde man die digitale Begeisterung der gesamten Bevölkerung nicht auf Anhieb erkennen.

“Early Adopters” im Land der Morgenstille

Ob Megacity oder Einöde, Südkorea gilt als technikversessen. Wie Spiegel Online kürzlich berichtete, fängt diese Begeisterung schon in der Schule an, wo zukünftig gebundene Bücher, Stifte und Kreidetafeln durch E-Books, virtuelle Tastaturen und digitale Whiteboards ersetzt werden sollen. Die Kinder in Südkorea werden also schon früh auf Technologie getrimmt. Aktuelle technische Spielereien wie Smartphones und Tablets sind nicht nur Status-Symbole, sondern “Must-haves” in einer Generation, die als “Early Adopters”, also Menschen, die die neuesten technischen Errungenschaften nutzen, bezeichnet wird.

Der Staat fördert die Begeisterung für Technik, wo immer er kann. So ist Südkorea beispielsweise beim Thema Breitband-Internetanschluss führend auf der Welt: Fast 100 Prozent der Koreaner verfügen über einen solchen Anschluss. Selbst in den entlegensten Provinzen gibt es Highspeed-Internet. Die koreanischen Kinder leben buchstäblich in der Online-Welt, ob zu Hause, in der Schule oder in der U-Bahn. Smartphones, Tablets & Co sind nicht mehr wegzudenken aus dem Leben der Südkoreaner. Ähnliches gilt auch für Computer- bzw. Videospiele.

Computerspiele als Kulturgut und Wettkampfdisziplin?


Das ist in Deutschland anders: Zwar sind Computer- bzw. Videospiele seit 2008 offiziell als Kulturgut anerkannt, doch haben sie hierzulande längst noch nicht den Stellenwert von Filmen, geschweige denn von Musik, Theater oder Büchern. In der Politik wird nach wie vor viel über die Kulturrelevanz von Computerspielen diskutiert. Das größte Problem dürfte die pauschale Gleichsetzung von Computerspielen mit “Killerspielen” sein. Die Argumentation von Kritikern, die Spiele seien oft gewaltverherrlichend, betrifft jedoch nur wenige Ausnahmen.

Immer dann, wenn in den Medien von Amokläufen berichtet wird, wie bei dem von Winnenden 2009, wird darauf verwiesen, dass der Täter “Ego-Shooter” gespielt hat. Auf diese Weise werden medial Vorurteile aufgebaut, gegen die Computerspiel-Liebhaber immer noch ankämpfen müssen. Laut einer Studie des Verhaltenspsychologen Christopher Ferguson von der Universität Texas beispielsweise besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen realen Gewaltausbrüchen und sogenannten “Killerspielen”. Beim Thema Brutalität einiger Computerspiele muss man nur auf die von Filmen verweisen. Wohingegen das Argument der künstlerischen Freiheit bei Computerspielentwicklern aber sehr viel weniger zu greifen scheint als bei Filmregisseuren.

Südkorea könnte für Deutschland bei diesem Thema als Vorbild fungieren. Die Koreaner haben das “Gaming”, das Spielen von Strategie- und Sportspielen oder Ego-Shootern, längst als Subkultur und Kulturgut angenommen. Die junge koreanische Bevölkerung geht sogar noch einen Schritt weiter und verehrt “Gamer” wie Hollywoodstars: Zocken wird als berufliche Perspektive in Erwägung gezogen, Computerspiele werden als Sport aufgefasst. Selbst staatliche Fernsehsender können sich dem “Gaming”-Fieber nicht entziehen, so berichten sie regelmäßig live von nationalen und internationalen Wettkämpfen. In Südkorea haben Computerspiele folglich den Status einer Wettkampfdisziplin und einer Massensportart. Gamer werden von staatlicher Seite gar durch Steuererleichterungen bei Gewinnausschüttungen unterstützt, eine “Sportförderung” für Computerspieler gibt es hingegen auch in Südkorea nicht.

Südkoreas Suchtproblem

Obwohl als Kulturgut akzeptiert, sieht die südkoreanische Regierung das “Gaming” auch mit gemischten Gefühlen. Denn insbesondere die ärmere Bevölkerung verfällt zunehmend der Online-Spielsucht. Aus diesem Grund hat das koreanische Ministerium für Kultur, Sport und Tourismus im Juni ein System vorgestellt, mithilfe dessen Eltern entscheiden können, wie lange ihre Kinder Onlinespiele spielen dürfen. Das “Game Hour Selection System” blockiert Spieleseiten im Internet, um so die Suchtgefahr einzuschränken. Damit ergänzt das neue System eine bereits bestehende Kontrollfunktion zum Abschalten von leicht süchtig machenden Onlinespiel-Webseiten zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens für Jugendliche unter 16 Jahren.

Videospielsucht ist also auch in Korea ein großes Thema in der Politik wie in der Gesellschaft. Doch auch wenn die Gefahr zweifellos besteht, sollte diese Erkenntnis nicht gegen das “Kulturgut Computerspiele” sprechen. Denn Sport und Filme können ein ähnliches Suchtpotential entfalten. Trotzdem schwebt ein Schatten über den Computerspielen. Der Grund dafür ist eine andere Perspektive der Gesellschaft bei der Betrachtung von Videospielen. Oft als “unnütze Zeitvertreibung” bezeichnet, werden Computerspiele nur selten als das angesehen, was sie oftmals sind: künstlerische Werke wie Musik, Film oder Theater.

Der Radiojournalist Christian Schiffer forderte unlängst auf dem Debattenportal des Deutschlandfunk, dass “weniger über Grafik als über Ästhetik gesprochen werden muss, weniger über die künstliche Intelligenz der Computergegner als darüber, welche politischen und gesellschaftlichen Botschaften das Spiel vermittelt”. Vielleicht kann das Beispiel Südkorea als weltweit fortschrittlichstes Gamerland dabei helfen, Spieler, Spielentwickler und -liebhaber anders einzuschätzen.

Anlässlich der Gamescom 2012 wird politik-digital.de in der kommenden Woche weitere Beiträge veröffentlichen, die sich mit dem Thema „Gaming” und Politik auseinandersetzen.