Nestle UtansStatt sein Image mit der Hashtag-Kampagne #FragNestlé aufzupolieren, beantwortet der Konzern momentan hunderte kritische Fragen auf Twitter. Wir haben den Kommunikationsexperten Christof Fischoeder zu Sinn und Erfolg der Kampagne befragt.

In der Marketing-Abteilung des weltweit agierenden Konzerns Nestlé dürfte so mancher in den letzten Tagen seinen Job verloren haben, könnte man meinen. Unter dem Hashtag #FragNestlé hatte das Unternehmen als Reaktion auf einen ARD-Markencheck dazu aufgerufen, Fragen an das Social-Media Team zu stellen. Statt braver Fragen zufriedener Kunden folgte jedoch ein Shitstorm höchster Qualität. Hat sich Nestlé, wie manche Medien vermuten, verschätzt oder hat der Konzern, wie andere Medien urteilen, erfolgreich den direkten Austausch mit kritischen Meinungen gesucht? Kommunikationsexperte Christof Fischoeder kommt zu einem positiven Urteil.

Handelt es sich, wie bei vielen Portalen berichtet, um ein PR-Desaster oder um eine erfolgreiche Kampagne?

Nestlé ist es gelungen, die Kontrolle zu erhalten in einer potentiell chronischen Situation. Mit dem Wissen um die kritische Öffentlichkeit und ihren Reaktionen auf dem Fernsehbericht, hat Nestle mit der Twitter Aktion einen Kanal geöffnet, den Rahmen aufgespannt und die Möglichkeiten definiert, wie Kritik stattfindet.

So haben sie aus einer potentiell kritischen Kommunikationssituation einen kontrollierten Prozess gestaltet. Ob das strategisch geplant war oder nicht, kann ich nicht sagen, erfolgreich war es.

Aus meiner Erfahrung heraus wird dabei das schwierigste gewesen sein, das Management davon zu überzeugen, die Kritik offen und direkt aufzunehmen und zu beantworten.

An wen richtet sich die Kampagne? An darüber berichtende Journalisten, an die Öffentlichkeit? An konkrete Twitterer und deren Follower?

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Christof Fischoeder, Kommunikationsberater

Die Kampagne richtet sich an die Kunden, die kritische Öffentlichkeit und die Medien.

Einige Medien behaupten, Nestlé hätte bereits mit derartig negativen Reaktionen auf seine Kampagne gerechnet. Wieso hat Nestlé sie trotzdem gestartet? Welchen Vorteil erhofft sich das Unternehmen von dieser negativen Aufmerksamkeit?

Negative Berichte schaffen keine positive Aufmerksamkeit. Aber kontrolliertes Senden der jeweilig eigenen Botschaft ist nicht negativ. Genau das ist Nestlé gelungen, weil sie kritische Fragen beantworten konnten und so möglicherweise eine noch kritischere Situation verhindert haben. Nestlé hat also die Situation weitgehend kontrollieren können.

Wird die Kampagne den Ruf von Nestlé nachhaltig beeinflussen? Wenn ja, wie?

Ob das langfristig negative Auswirkungen hat, wird man an Umsatz und Gewinn spüren. Bisher hatten negative Kampagnen allerdings kaum einen Einfluss darauf.

Wie beurteilen Sie Aufwand und Ertrag dieser Kampagne verglichen mit klassischen PR-Maßnahmen?

Wenn mit klassischen PR-Maßnahmen Media Relations gemeint sind, dann ist der Ertrag sicherlich nicht schlecht, immerhin berichten alle.

Im Vergleich zu Einzelgesprächen, Veranstaltungen, Diskussionsrunden, Stakeholder-Relations, Produktion und Distribution von Eigenmedien etc., ist der Aufwand sicherlich gering und somit der Ertrag hoch.

Werden wir diese Art der Kommunikation auf Augenhöhe zukünftig öfter sehen? Für welche Firmen, Parteien etc. kommt diese aufwändige Marketing-Arbeit in welchen Situationen in Frage? 

Solche und ähnliche Maßnahmen haben wir in den letzten Jahren doch schon öfter erlebt. Wie gesagt, halte ich den Aufwand überschaubar. Man setzt ein Krisenteam für einige Zeit an die Social-Media-Kanäle und definiert vorher seine Botschaften und Antworten auf mögliche kritische Fragen.

Die Herausforderung liegt vielmehr im strategischen Befähigen der Unternehmenskultur und -struktur, auf diese Art mit Krisen umzugehen.

Die Stiftung Warentest hatte sich neulich ebenfalls die Mühe gemacht, verärgerten Kunden zu antworten. Solches Community Management lässt sich nicht dauerhaft durchführen. Besteht nicht die Gefahr, dass User erst recht verärgert sind, wenn temporär engagiert kommuniziert wird, ansonsten aber nur die klassische Einbahnstraßenkommunikation vorherrscht?

Was ist denn einzuwenden, wenn ein Unternehmen sich nicht permanent sondern partiell öffnet und das auch kommunikativ belegt? Das ist besser als wenn sie es nie tun würden. Einige haben die Hoffnung, dass sich Nestlé Jetzt verändern wird. Das wiederum werden sie nur dann tun, wenn die Konsumenten ihr Verhalten, sprich ihre Einkaufszettel  ändern. Solange dies nicht geschieht, hat Nestlé keinen Anreiz sich zu ändern. Das gilt für alle Unternehmen.

Eine Institution die Stiftung Warentest steht in einer ganz anderen Rolle der Öffentlichkeit gegenüber. Außer ihrer Reputation haben sie kein Produkt. Wenn die Stiftung Warentest also Kunden verärgert, verliert sie sie.

Über die Ressourcenbereitstellung in Unternehmen oder Stiftungen wird ja auch strategisch entschieden. Insofern ist es eine Frage der Wirkung, die nach außen erreicht werden soll. Ob dabei User verärgert werden, ist dieser Frage untergeordnet.

 

Bild: Greenpeace Switzerland(CC BY-NC 2.0)

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