Der Europarat hat vergangene Woche vier grundlegende Papiere zur Netzpolitik verabschiedet, die den ungehinderten Zugang zum Netz besser schützen sollen. Die Dokumente sollen den Standpunkt des Europarats beim heute beginnenden "Internet Governance Forum" (IGF) im kenianischen Nairobi abstecken.

Der Europarat vereinigt neben den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union noch weitere 20 europäische Staaten, darunter auch Russland und die Türkei. In diesem Forum werden Debatten über allgemeine europäische Fragen vor allem im Bereich der Menschenrechte und der Achtung demokratischer Grundsätze geführt. Vergangene Woche nahm sich das Ministerkomitee netzpolitischer Themen an.

Die Empfehlungen zum Schutz von Universalität, Integrität und Offenheit des Internet thematisieren insbesondere Maßnahmen zur Pflege der grenzübergreifenden Netzinfrastrukturen. Dabei gelte es, großflächige Netzausfälle sowie negative Effekte nationalstaatlicher Netzregulierung zu verhindern. Der Zugang und die Nutzung des Internet würden häufig durch technische, aber auch mutwillig verursachte Störfälle beeinträchtigt. Ende März legte beispielsweise eine 75-Jährige Frau durch den Diebstahl eines Glasfaserkabels den Netzzugang in Armenien und Georgien für einige Stunden lahm. Bislang war kein Staat offiziell verpflichtet, gegen derartige Vorfälle präventive Sicherheitsmaßnahmen zu veranlassen. Die Empfehlungen legen den Staaten daher nun nahe, unter Einbeziehung relevanter zivilgesellschaftlicher Interessenvertreter entsprechende Sicherheitspläne zu entwickeln. Das jeweilige nationalstaatliche Handeln solle dabei jedoch nicht den transnationalen Internetverkehr beeinträchtigen.

Die nun formulierte Erklärung zum Schutz von Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit im Internet wurde dementsprechend von den Bedenken getragen, dass Zensuraktivitäten einzelner Staaten auch den Informationszugang anderer Länder beschränken könnten. Im Gespräch mit heise.de nannte Jan Malinowski, Chef der Abteilung Informationsgesellschaft, Medien und Datenschutz beim Europarat, Armenien als Negativbeispiel. Aufgrund der Beschränkungen der türkischen, iranischen und russischen Behörden gebe es dort lediglich einen gefilterteten Zugang zum Netz. Unter anderem behindere das Europaratmitglied Türkei den Informationsfluss in Bezug auf den Völkermord an den Armeniern. Die Mitgliedsstaaten des Europarates sollen daher generelle Filtermaßnahmen unterlassen und staatliche wie private Zensur verhindern. Staatliche Zugangsbarrieren für bestimmte Inhalte kollidierten mit der Informations- und Meinungsfreiheit und seien lediglich zulässig, wenn sie mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Einklang gebracht werden können.

Ferner empfiehlt das Ministerkomitee, den bislang gültigen Begriff der Medien deutlich breiter zu fassen und um weitere Online-Formate zu erweitern. Die Empfehlung umfasst dabei auch einen potenziellen Katalog an Kriterien zur Einstufung als Medium. Die Periodizität des Inhaltes, der Anspruch, den öffentlichen Diskurs mitzugestalten, und die Einhaltung von Mindeststandards in Sachen Verantwortlichkeit und Transparenz seien dabei genauso wichtig wie die Beachtung von journalistischen und ethischen Standards. Durch die Ausweitung des Medienbegriffs könnten soziale Netzwerke oder Whistleblower-Seiten künftig Privilegien klassischer Medien, wie das Recht auf Quellenschutz, erhalten. Andererseits müssten diese sich dann auch an klare Regeln, wie die Achtung der Privatsphäre oder der Würde eines Menschen halten. Auf die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Kommunikationsstrukturen in sozialen Netzwerken geht die Empfehlung allerdings nicht ein.

Die abschließend formulierten Prinzipien zur Netzpolitik fassen die grundlegenden Gedanken der Mitgliedsstaaten nochmals zusammen. So soll unter anderem die Universalität des Netzes bei gleichzeitiger Achtung der sprachlichen und kulturellen Diversität gefördert werden.

Die Vorschläge des Europarates sollen im Rahmen des von heute bis Freitag stattfindenden Internet Governance Forum (IGF) in Nairobi diskutiert werden. Das im Jahre 2006 von den Vereinten Nationen initiierte Forum führt verschiedenste Interessenverteter zusammen und findet dieses Jahr unter dem Motto "Internet als Katalysator des Wandels: Zugang, Entwicklung, Freiheiten und Innovationen" statt.