Wie Deutschland von Mexiko und Südkorea lernen kann

“Die Gefahr von Korruption wird weder gesenkt noch gesteigert dadurch, ob öffentliche Beschaffung online oder auf traditionellem Wege erfolgt”, so

Frank Bonaldo von der Pressestelle des Bundeswirtschaftsministeriums.Gegensätzlicher Meinung ist jedoch Dr. Michael Wiehen, Rechtsanwalt in München und Vorstandsmitglied von Transparency International Deutschland, ein auch in Deutschland bekanntes NGO, das sich weltweit gegen Korruption und für eine transparente Verwaltung engagiert. Das Internet spielt dabei für Transparency International eine sehr bedeutende Rolle. Laut Micheal Wiehen sei das Internet die vielleicht stärkste “Waffe” im Kampf für mehr Transparenz überhaupt.

In Mexiko, Chile, Kolumbien oder Südkorea werde E-Procurement bereits erfolgreich als Mittel zur Korruptionsbekämpfung eingesetzt.

So wickelt die Stadt Seoul ihr gesamtes Beschaffungswesen über das Internet ab. Jedermann hat freien Zugang zu den entsprechenden elektronischen Marktplätzen und alle Interaktionen zwischen der öffentlichen Verwaltung und Privatfirmen werden über das Netz erledigt und dokumentiert. Für Michael Wiehen liegt der Zusammenhag zwischen einem transparenten Beschaffungswesen und Korruptionsbekämpfung auf der Hand: “Wenn jedermann auf Echtzeitbasis im Internet nachschauen kann, welche Angebote zu welchem Zeitpunkt von welcher Behörde ins Internet gestellt werden und man ebenfalls sehen kann, wer die Mitbewerber sind, ist die Möglichkeit das Verfahren zu manipulieren, sehr gering. Korruption kann somit sehr effektiv unterbunden werden.”

Neben dem verstärkten Einsatz von E-Procurement durch die öffentliche Verwaltung wünscht sich Transparency International auch die rasche Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes durch die Bundesregierung. “Informationsfreiheit und elektronische Beschaffung stehen in unmittelbaren Zusammenhang und sind Teil einer modernen Verwaltung”, betont Michael Wiehen.

Doch während das Akteneinsichtsrecht noch auf sich warten lässt, laufen zumindest die ersten Pilotprojekte des Bundes zur elektronischen Beschaffung. Vorreiter ist in diesem Fall das Projekt
e-Vergabe.

Die Privatwirtschaft ist in Sachen E-Procurement schon viel weiter. Laut einer im
Handelsblatt genannten Studie ist die Effizienz der Beschaffung der entscheidende Schlüssel für jede Strategie zur Kostensenkung und eine notwendige Vorbereitung auf den kommenden Aufschwung, so die Meinung von mehr als 70 Prozent der dort Befragten. 56 Prozent der in Deutschland befragten “chief financial officer” (CFOs) gehen davon aus, dass Unternehmen mit einer nachhaltigen Beschaffungsstrategie eine bessere Ausgangsposition für den kommenden wirtschaftlichen Aufschwung haben.

So schmückten sich zunehmend Unternehmen mit einem eigenen Informationsportal zum Thema elektronische Beschaffung. Erklärtes Ziel bei Siemens etwa ist es, binnen drei Jahren die Hälfte des weltweiten Einkaufsvolumens von ca. 35 Milliarden Euro pro Jahr elektronisch über den gemeinsamen Marktplatz ”
Click for suppliers” abzuwickeln.

Auch für Siemens steht der Transparenzgedanke neben der Kosten- und Zeitersparnis im Vordergrund: “Prozessketten werden kompatibel, kürzere Informationszyklen steigern die Markttransparenz, Plattformen bündeln Bedarfe über Grenzen und Zeitzonen hinweg, einheitliche Standards schaffen die Voraussetzung für globales Handeln, gemeinsam genutzte Systeme verwischen die Grenzen zwischen den Handelspartnern”, steht in den Leitlinien der Firma Siemens zur elektronischen Beschaffung. Und weiter heißt es dort: “Wer auf hochdynamischen Zukunftsmärkten bestehen will, muss heute dafür die Voraussetzungen schaffen: Eine vernetzte, elektronisch unterstützte Organisation, in deren Mittelpunkt die Beziehung zu ihren Kunden und Lieferanten steht.”

Dieses Motto sollte sich laut Transparency International auch der Bund zu eigen machen. Transparente Kundenbeziehungen seien schließlich ein äußerst wirksames Mittel gegen Korruption und Steuergelderverschwendung. Dieser Meinung ist auch der Bund der Steuerzahler: “Die schädlichen Folgen der Korruption werden in letzter Konsequenz von der Allgemeinheit getragen, bluten müssen also die Steuerzahler”, lautet das treffende Zitat von Karl Heinz Däke, dem Präsidenten des Steuerzahlerbundes.

Auch für Professor Birger Pridatt, von der Universität Witten-Herdecke, ist “E-Procurement ein Instrument antikorruptionaler Art, weil es Transparenz erzeugt und legitimieren lassen muß, warum welche Geschäfte gemacht werden”, wie er im Interview gegenüber politik-digital erläuterte. Link Für Professor Priddat hat die demokratische Öffentlichkeit natürlich ein Recht zu beobachten, wie die Verwaltung, die ja in ihrem Auftrag arbeite, mit den Steuergeldern umgehe: “Wer sich hier gegenstellt, muß sich fragen lassen, warum er in einer Demokratie nicht mit offenen Karten spielen will”.

Damit es nicht soweit kommt, dürfen auch wir uns mal ein Beispiel an Südkorea oder Mexiko nehmen und sollten von den dort gemachten positiven Erfahrungen mit elektronischer Beschaffung profitieren.

Erschienen am 10.05.2002