Neuer Ideal-Typus eines E-Government-Portales soll Partizipation und Transparenz fördern

Was bedeutet gutes E-Government? Diese Frage will die Bertelsmann Stiftung mit einer neuen Studie beantworten.
“Balanced E-Government” heißt das Werk, dass zusammen mit der Unternehmensberatung Booz, Allen und Hamilton entstanden ist und auf der gleichnamigen Tagung Anfang April in Berlin vorgestellt wurde.

Untersucht wurden zwölf E-Government-Portale aus Nordamerika und Europa, die anhand eines von der Bertelsmann Stiftung entwickelten
Ideal-Modells verglichen wurden. Verwaltungsportale, so die Grundannahme der Studie, sollten nicht nur Verwaltungsdienstleistungen anbieten, sondern auch den Bürgern Partizipationmöglichkeiten bieten. Erfolgreiche Portale sollten ein ausgewogenes Verhältnis zwischen E-Administration – die Abwicklung von Dienstleistungen öffentlicher Institutionen über das Internet – und E-Demokratie, die Information und Einflussnahme von Bürgern und Wirtschaft auf die Entscheidungsprozesse eben dieser Institutionen, finden.

Neu ist der Blick hinter die Kulissen. So berücksichtigt die Untersuchung, inwieweit die E-Government-Aktivitäten zu Effizienzsteigerungen führen, ob sie in ein schlüssiges Gesamtkonzept eingebettet sind, und wie die Unterstützung der Mitarbeiter für die Neuerungen gewährleistet wird.

Aus sechzig Beispielen hat die Bertelsmann Stiftung zwölf E-Government Portale ausgewählt. Die Zwölf Case Studies stammen aus den USA, Kanada und Europa und sollen ein möglichst breites Spektrum an Ansätzen auf den verschiedenen Verwaltungsebenen – von der Bundesregierung über die Regionalregierung bis hin zur Kommune – abdecken. So finden sich neben den Regierungsportalen UK Online, Estland und Firstgov aus den USA Beispiele aus den US-amerikanischen (Fairfax County), kanadischen (Ontario) und europäischen Regionen (Tameside, Hamburg).

Das von Bertelsmann entwickelte Referenzmodell wurde in fünf Kategorien abgebildet, die jeweils durch eine Reihe benotbarer Kriterien erfasst werden. Die fünf Bewertungskategorien bilden die geforderte Balance ab, zwischen der Lieferung effizienter Verwaltungsdienstleistungen (Nutzen, Effizienz und Change Management) und Möglichkeiten der Einflussnahme seitens der Bürger (Partizipation und Transparenz). Durch die Benotung der einzelnen Kriterien wird eine Quantifizierung der Kategorien erreicht, die einen direkten Vergleich zum Ideal oder zu anderen Portalen erlaubt.

Die Kategorie Nutzen bildet den vermuteten Bürgernutzen ab. Nach der Anlage der Studie steigt der Bürgernutzen mit der Anzahl der Dienstleistungen, die online verfügbar sind, sowie mit der Benutzerfreundlichkeit der Seite. Insbesondere die nordamerikanischen Portale stechen durch Nutzerorientierung hervor. So richtet sich das Portal der kanadischen Regierung an die Nutzergruppen canadians, non-canadians und canadian business, indem es für sie relevante Themen zusammenfasst. Eine Nutzerorientierung durch das Lebenslagen-Prinzip wird bei UK Online umgesetzt (having a baby, learning to drive); selten aber gehen die Inhalte über Informationen hinaus.

Der Aspekt der Effizienz beleuchtet, ob die Verwaltung in die Lage versetzt wird, über den Einsatz von E-Government Effizienzsteigerungen oder Kosteneinsparungen zu realisieren. Erfasst werden unter anderem der Grad der dafür nötigen Integration von EDV-Systemen und des Einsatzes von Standardsoftware. Inwieweit besteht bei den Portalen überhaupt ein Controlling von Aufwänden und Einsparungen, dass Rückschlüsse über die Veränderungen der Effizienz erlaubt? Im internationalen Vergleich fällt auf, dass die nordamerikanischen Angebote durchweg eine höhere Bewertung erzielt haben, was durch effizienzorientierte Managementansätze erklärt wird.

In der Kategorie Partizipation wird gemessen, ob die Portale die politische Kommunikation unterstützen und Bürgerbeteiligung ermöglichen. Zunächst aber liegt der Augenmerk auf einfachen Fragen, ob bei der Planung der E-Government-Aktivitäten die Bedürfnisse der User berücksichtigt werden, oder ob die Nutzer über die vorhandenen Dienstleistungen durch Marketing und PR informiert werden. Das ideale E-Government Portal ermöglicht den Bürgern auch, auf die Entscheidungsprozesse der Organistaionen Einfluss zu nehmen und in Foren oder moderierten Chats am politischen Leben teilzunehmen. UK Online ist ein Vorreiter bei der Umsetzung von E-Demokratie. So können die Bürger auf der Webseite zum Beispiel zu laufenden Gesetzgebungsverfahren Stellung nehmen.

Eng verbunden mit dem Thema der Partizipation ist die Transparenz der staatlichen Insitutionen gegenüber den Nutzern der Portale. Auffällig ist, dass die Bewertungen in diesem Bereich gegenüber den Kategorien Effizienz und Nutzen zurück bleiben. So sind Aktualität der Portale, eine umfassende Privacy Policy und eine verständliche Darstellung der Abläufe innerhalb der Organisation noch nicht selbstverständlich.

Im Bereich Change Management erfasst die Studie auf der Meta-Ebene das Management des Themas E-Government innerhalb der Organisationen. Positiv schlägt bei der Bewertung zu Buche, wenn die E-Government Aktivitäten in die Gesamtstrategie der Organisation eingebettet sind und durch professionelles Projektmanagement umgesetzt werden. Höchste Punktzahl erhält auch eine regelmäßige Information und Schulung der internen Mitarbeiter, die Widerständen gegenüber der Einführung von E-Government vorbeugen sollen.

Das Fazit der Studie ist überwiegend positiv. Der Ausbau der online verfügbaren Dienstleistungen ist in vollem Gange. Die Studie, die auch im Selbstversuch durch interessierte Kommunen unter
www.begix.de durchgeführt werden kann, bietet dank ihrer ausgewogenen Anlage ein umfassendes Mittel der Evaluation und Steuerung von E-Government-Aktivitäten. Insbesondere bringt sie die Interdependenz zwischen Partizipation und effizienter Verwaltung ans Licht; ein Spannungsverhältnis, bei dem es nicht zwingend ein Optimum gibt. Denn einerseits verursachen Partizipationsmöglichkeiten der Verwaltung zusätzliche Kosten, andererseits können gerade sie spektakuläre und kostspielige Fehlentscheidungen vermeiden helfen.

Diskussionswürdig ist allerdings die Überzeugung, dass auch Verwaltungsportale nur durch die Verwirklichung von gesteigerten Formen von Partizipation durch Foren und Anhörungen zu guten Angeboten werden können. Aber ist der Bürger wirklich geneigt, sich an einem Ort aktiv am politischen Leben zu beteiligen, den er eigentlich nur aufgesucht hat, um seinen Pass zu verlängern? Dieses Bild von Bürgern erinnert an die Zeit, als man noch daran glaubte, dass hoch engagierte Konsumenten in Marken-Communities beispielsweise über Kellog’s Cornflakes diskutieren würden. Diese Erwartung wurde enttäuscht: die Konsumenten waren letztendlich, bis auf wenige Ausnahmen, nicht interessiert genug. Woher kommt die Erwartung, dass Menschen, die wenig Lust haben, über ihr Frühstück zu debattieren, dieses über Verwaltungsdienstleistungen machen möchten? Hier besteht noch Forschungsbedarf. Welche Nutzertypen gibt es und was sind ihre Präferenzen? Wichtig ist ihnen hingegen, und dies wird von der Studie auch hinreichend berücksichtigt, die Möglichkeit des direkten Kontakts, des Feedbacks und der Verbesserungsvorschläge.

Erschienen am 25.04.2002