Der Münchner Kreis wird 30. Obwohl von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, wirkt er dennoch bis tief in die Gesellschaft hinein. Die hiesige Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte, die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes oder die Digitalisierung von Rundfunk und Fernsehen sind nur einige der zentralen Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit, die ohne Mitwirken des Münchner Kreis kaum denkbar gewesen wären.

Der Münchner Kreis wurde im September 1974 auf Initiative von Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und den Medien mit Unterstützung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gegründet. Professor Jörg Eberspächer, Münchner Kreis-Vorstand und Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationsnetze an der TU München: „Vor fünf Jahren hat der Münchner Kreis sein 25-jähriges Bestehen im Rahmen einer Fachkonferenz und einer großen Festveranstaltung gefeiert. In diesem Jahr werden wir bei unseren Herbstveranstaltungen auf die ,30’ zwar aufmerksam machen, aber nicht förmlich feiern – man kann und sollte das nicht alle fünf Jahre tun. Aber wir freuen uns sehr darüber, dass dieses Datum von außen bemerkt wird.“

Die gemeinnützige übernationale Vereinigung richtet regelmäßig Mitglieder- und Fachkonferenzen sowie internationale Kongresse aus, die jeweils vom Forschungsausschuss sorgfältig vorbereitet werden. Die Ergebnisse werden anschließend entsprechend publiziert. Bei aktuellen Anlässen wendet sich der Münchner Kreis mit Memoranden oder in Form von Dokumentationen auch direkt an die Öffentlichkeit. Als Ziele werden die Erforschung und der Betrieb von Kommunikationssystemen sowie deren Nutzung genannt. Ganz besonderes Augenmerk richtet der Kreis dabei jedoch auf die menschlichen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Probleme, die mit Einführung moderner Kommunikationstechniken auftreten können. Es wird zunehmend die Notwendigkeit erkannt, eine weltweite Infrastruktur der Telekommunikation zu entwickeln und den Wettbewerb auf den Telekommunikationsmärkten zum Vorteil des Nutzers zu fördern. Die Nutzungsbedingungen in rechtlicher, organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht sollten international so homogen wie möglich gestaltet werden. Den Bürgern soll ein anschauliches Bild von der Zukunft der Telekommunikation vermittelt und damit Möglichkeiten und Folgen technologischer Entwicklungen aufgezeigt werden. Deshalb erfüllt der Münchner Kreis zum einen die Aufgabe, die Allgemeinheit auf den Prozess des Fortschritts vorzubereiten, andererseits wird versucht, die Reaktion der Menschen auf neue Kommunikationschancen zu erfassen und in den Systementwürfen zu berücksichtigen.

Professor Eberspächer: „Die Früherkennung des Kommunikationsbedarfs in Qualität und Quantität schafft die Voraussetzungen, um die technische Entwicklung, die Standardisierung und die wirtschaftliche Integration zu umfassenden Infrastrukturen rechtzeitig einzuleiten. Wenn es gelingt, diese Aufgaben zu lösen, dann ist die Telekommunikation ihrerseits in der Lage, positive Effekte zur Angleichung der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen in den einzelnen Regionen der Erde auszulösen.“ Der Münchner Kreis wirkt dabei mit durch sachliche Untersuchung und kritische interdisziplinäre sowie übernationale Diskussion.

Belege für die erfolgreiche und engagierte Arbeit des Kreises gibt es indes viele. Münchner Kreis-Geschäftsführer Volker Gehrling: „Allein in den vergangenen fünf Jahren hatten wir 26 wissenschaftliche Veröffentlichungen.“ Und Münchner Kreis-Vorsitzender Professor Arnold Picot, Institut für Information, Organisation und Management an der LMU München, ergänzt: „Begleitend und unterstützend waren wir zum Beispiel an der Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte in Deutschland sowie der jüngsten Novellierung des Telekommunikationsgesetzes beteiligt. Außerdem halfen wir konstruktiv mit beim Wandel von Rundfunk und Fernsehen in Richtung Digitalisierung bei gleichzeitiger Förderung neuer nützlicher Dienstleistungen, also etwa Hybriddienste, wie DVB-H.“

Bis zum Sommer 2004 drehte es sich bei den 221 Mitgliedern des Münchner Kreises hauptsächlich um die Zukunftspotenziale der Informationstechnologien: „Wir bemühen uns ja sehr um die Intensivierung des Bewusstseins für die enorme entwicklungspolitische Bedeutung der Telekommunikation. Deshalb richteten wir im Sommer in Berlin im Vorfeld des ,UN-Summit of the Information Society in Tunis 2005’ eine internationale Konferenz aus“ sagte Professor Picot.

Der Münchner Kreis arbeitet in den verschiedensten Bundesgremien, berät Telekom, Forschungsinstitute und Stiftungen. Immer mehr wirken aber nicht nur die Hersteller und Betreiber von Telekommunikationssystemen, sondern auch die Anwender und Nutzer der Systeme mit ihren Ansprüchen und innovativen Ideen an der Arbeit des Münchner Kreises mit. Volker Gehrling: „Durch die weltweite Deregulierung der ursprünglich von Monopolen dominierten Telekommunikation werden auf allen Ebenen (Netze, Dienstleistungen, Endgeräte) staatliche und private Wettbewerber von den zu behandelnden Fragen und Problemen berührt. Dies spiegelt sich auch im Kreis unserer Mitglieder wider.“ Um dem hohen wissenschaftlichen Anspruch gerecht zu werden, kooptieren allerdings nur die Organe des Münchner Kreises neue Mitglieder. „Das heißt“, so Prof. Picot, „es gibt keinen einfachen Beitritt mit Antrag auf Mitgliedschaft. Aber selbstverständlich erhält der Münchner Kreis viele wichtige Anregungen aus Fachkreisen für die Auswahl der Mitglieder.“

Und was sind die aktuellen Topthemen auf der Agenda des Münchner Kreises? Professor Picot: „Zum einen die Medienvernetzung im privaten Heim, wozu wir Mitte Oktober auch einen Fachkongress veranstalten, Voice over IP, also Internettelefonie und der Wandel der Telekommunikationsbranchen. Außerdem arbeiten wir an den Themen E-Health, Suchen und Finden im Internet, Information Security sowie Offshoring und Outsourcing.“