In Wien wurden zum 4. Mal die Big Brother Awards für die größten Datenschutzmuffel Österreichs vergeben. Wer durfte sich nun im Alpenland über die bei den Preisträgern wenig beliebte Auszeichnung für das Jahr 2002 freuen?„And the Big Brother 2002 goes to…….“



„And the Big Brother 2002 goes to…….“

In Österreich wurde der Preis in sechs Kategorien vergeben:

1. Business und Finanzen: In der ersten Kategorie durfte sich die österreichische Versicherungsgesellschaft Uniqua über den Preis freuen. Die Kunden mussten beim Abschluss einer Krankenzusatzversicherung eine besonders weit gefasste „Zustimmung zur Ermittlung, Übermittlung und Verwendung von Daten“ unterschreiben. Dabei gab der Kunde sein Einverständnis, dass Daten über seinen Gesundheitszustand bei allen Institutionen eingeholt werden dürfen, die über diese Informationen verfügen könnten, z.B. Ärzte, Krankenhäuser, Sozialversicherungsträger etc. Der Versicherungsnehmer, so das Urteil der Jury, entbindet daher Ärzte und anderes medizinisches Personal auf Lebzeiten von deren Schweigepflicht.

2. Politik: Der Award für den größten Datenschutzmuffel ging in dieser Kategorie an den oberösterreichischen Landeshauptmann- Stellvertreter (Stellvertreter des Ministerpräsidenten, Österreichische Volkspartei (ÖVP)) Erich Haider (Sozialdemokratische Partei Österreichs), der als Verkehrsreferent für den Bau eines kleinen U- Bahnnetzes in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz verantwortlich ist. Für das U- Bahnnetz, das voraussichtlich 2004 in Betrieb gehen soll, wurde jetzt schon das Überwachungssystem präsentiert. Das System wird von den Verkehrsbetrieben und der Polizei gemeinsam betrieben. Alle öffentlich zugänglichen Teile werden flächendeckend mit Mikrophonen und Kameras überwacht, die computergesteuert auf außergewöhnliche Bewegungen und Geräusche reagieren.

3. Behörden und Verwaltung: Diese Kategorie ging an den Innsbrucker Vizebürgermeister Dipl. Ing. Eugen Sprenger (ÖVP), dessen Ressort unter anderem für Jugendwohlfahrt und Soziales zuständig ist. Die Ehre der Nominierung verdankt er einem Sozialhilfeantragformular seiner Behörde, das auf 4 Seiten nach Meinung der Juroren unverhältnismäßig viele Informationen über den Antragsteller sammelt. Mit seiner Unterschrift ermächtigt der Antragsteller die Stadtverwaltung überdies, für den Antrag relevante Informationen bei allen Institutionen, die diese Informationen besitzen könnten, einholen zu dürfen.

4. Kommunikation: Der Preis in der Kategorie Kommunikation wurde an drei namentlich unbekannte Richter der Ratskammer (Richtersenat) Klagenfurt anonym vergeben, die zur Aufklärung einer Einbruchsserie im Raum Klagenfurt alle vier österreichischen Handynetzbetreiber verpflichteten, Verbindungsdaten von tausenden Kunden um bestimmte in tatortnähe gelegenen Funkmasten über einen Zeitraum von mehrerer Tagen herauszugeben. Diese von der Jury als unverhältnismäßig gewertete Maßnahme wurde prämiert.

5. Lifetime Achievement Award: Diesmal wurde die österreichische Bildungsministerin Elisabeth Gehrer für ihre außerordentlichen Leistungen ausgezeichnet. Nach dem in ihre Zuständigkeit fallenden Bildungsdokumentationsgesetz werden in einer von den Juroren „Benimm- und Betragensdatenbank des Grauens“ getauften Datenbank nicht nur die Stammdaten von Schülern gesammelt, sondern auch andere Daten, wie das Religionsbekenntnis, die Eigenschaften als ordentlicher oder außerordentlicher Schüler und der festgestellte sonderpädagogische Förderungsbedarf. Was früher als Jugendsünde bezeichnet und vielfach vergessen wurde, wird ab jetzt auf unbestimmte Zeit in einer zentralen Bildungsdatenbank gespeichert.

6. Publikumspreis: Neben Elisabeth Gehrer (ÖVP) konnte noch ein anderes Mitglied der österreichischen Bundesregierung einen Preis davontragen: Innenminister Ernst Strasser wurde mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Die „Beliebtheit“ des Ministers wird von der Jury mit seinem Engagement für die personelle Verknüpfung von Militär und Polizei erklärt. Strasser befördere Beamte des Heeresnachrichtendienstes in hohe Positionen seines Innenministeriums.

Erschienen am 31.10.2002