Die Enquete-Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin" tagt. Normalerweise geschieht dies hinter
geschlossenen Türen. Ergebnisse und Richtlinien werden veröffentlicht, wenn die Experten und Politiker der
Kommission ihre Untersuchungen abgeschlossen haben.
Diesmal jedoch wird es anders sein.

Die Diskussion rund um Genpatente, Klone und Leihmütter, die in der
Kommission seit Mitte Mai geführt wird, soll ins Internet gespiegelt werden. Nicht nur die Beratungsergebnisse
sollen dort nachlesbar sein, die interessierte Öffentlichkeit ist aufgefordert mitzudenken.

Dr. Wolfgang Wodarg, Arzt, Bundstagsabgeordneter und Sprecher der Enquete-Kommission
hofft auf ein strukuriertes Frage/Antwort-Spiel mit den Usern. "Was aus dem Netz kommt, sitzt nicht am Tisch",
erklärt Wodarg seinen Vorstoß in die digitale Ebene. Der Dialog aus dem Netz soll die Enquete-Mitglieder über
die Haltung der Öffentlichkeit in Kenntnis setzen und Anregungen für die Diskussion geben. Schließlich, so
Wodarg, geht das Thema alle an.

Diskussionsbedarf im Bereich der Medizin-Ethik besteht allemal. Deutschland hat die
Menschenrechtskonvention zur Biomedizin des Europarates nicht unterzeichnet. Der
Entwurf der Konvention, die Teil der europäischen Grundrechtscharta werden soll, ist nach Dr. Wodargs
Auffassung voller Schlupflöcher, die einen Missbrauch ermöglichen könnten. Im Sinn hat Dr. Wodarg hier vor
allem die Patentierbarkeit der Genome, die er vehement bekämpft. "Schweine, die als Zuchtstation für
menschliche Ersatzteile benutzt werden, ließen sich mit patentierten Genen `herstellen´".

Um solche frankenstein`schen Szenarien zu verhindern, hat Dr. Wodarg gemeinsam mit seinem französischen
Kollegen Professor Jean-Francois Mattei eine Internet-Petition gegen die
Patentierbarkeit von Lebewesen, Genen, Zellen oder Teilen von Pflanzen, Tieren oder Menschen ins Leben gerufen.
Ein Lebewesen, so der Leitgedanke, kann keine Patentamtnummer sein.

Die Idee, das Internet zu einer sachgerechten Bürgerbeteiligung zu nutzen, ist nicht revolutionär, die
Enquete-Kommission zur Biomedizin ist jedoch die erste, die den digitalen Dialog in die Tat umsetzten will.
Im Moment suchen die Mitglieder, die alle eine gewisse Internet-Affinität nachweisen müssen, noch eine
sinnvolle Struktur der öffentlichen Foren. Keinesfalls will Dr. Wodarg die Seite als bloße Informationsmattscheibe
ins Netz stellen. Die Teilnahme von Studenten, Experten, Selbsthilfegruppen und interessierten Laien via e-mail
ist ausdrücklich erwünscht: "erst durch eine Ping-Pong-Spiel zwischen den Bürgern und den Mitgliedern der
Kommission gehen wir einen Schritt in Richtung stärkere Demokratisierung bei politischen
Entscheidungsprozessen." Internet sei dank. Die Sommerpause wird allerdings noch analog stattfinden. Der
Start des Online-Forums zur Ethik der modernen Medizin ist erst für den Spätsommer geplant.