SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel beschreitet im hessischen Landtagswahlkampf neue Wege, indem er vor Weihnachten die Wähler zum direkten Dialog über das Internet auffordert. Anfang Januar 09 zog CDU-Ministerpräsident Koch mit einem Internetvideo und einem Live-Chat nach.

Thorsten Schäfer-Gümbel hatte wirklich keinen leichten Start in seinen großen Wahlkampf. Der 39 Jahre alte SPD-Politiker wurde als Nachfolger on Andrea Ypsilanti in den wohl kürzesten Wahlkampf der hessischen Geschichte geschickt – mit der Hypothek der schlechtesten Umfrageergebnisse für die SPD seit Jahrzehnten. Kaum nominiert, wollten die Witze über seinen scheinbar bei Loriot geklauten Doppelnamen und sein Brillengestell gar nicht mehr abreißen. Doch der bisherige Hinterbänkler aus dem Hessischen Landtag dreht im Wahlkampf richtig auf und setzt dabei vor allem auf das Internet.


Videodialog bei YouTube

In seiner ersten Videoansprache auf YouTube stand Schäfer-Gümbel in seinem schlecht ausgeleuchtetem Büro und sprach stockend in eine kleine Handkamera. Die Tür knarzte im Hintergrund, als er den Zuschauern den großen Fehler der hessischen SPD eingestand: Der Wortbruch, nicht mit der Linkspartei zusammen zu arbeiten.

Dann aber wendet er sich direkt an die Wähler. Die SPD habe sich entschlossen, angesichts dieser Enttäuschungen nach vorne zu blicken und für ihre sozialen Inhalte zu kämpfen. Um die Themen erneut zu diskutieren, so ruft er auf, sollen die Zuschauer ihre Fragen und Wünsche an ihn senden – und er verspricht innerhalb einer Woche per Video zu antworten.




Die Botschaft zieht. Über 50.000 Mal wurde das Video abgerufen. Auch die Medien berichten über den Aufruf, sehen allerdings eher belustigt auf den jungen Spitzenkandidaten und seine unprofessionelle Produktion. Nach eigenen Angaben kommen mehrere hundert Fragen zusammen, so dass Schäfer-Gümbel schon vier Tage später um mehr Zeit für die Beantwortung bitten muss und sich eine Woche später mit ersten Antworten meldet.

Koch dreht nach

Amtsinhaber Roland Koch von der CDU zieht am Montag vor der Wahl nach. Ebenfalls mit einem YouTube-Video auf der Kampagnenseite webcamp09.de ruft er am 12. Januar 2009 zum Dialog auf und verspricht ebenfalls Antworten auf Fragen: „Das was Sie uns geben: Ich werde lesen, hören oder sehen“, verspricht Koch. Und am 2. Januar konnte man Koch in einem Live-Chat ebenfalls Fragen stellen.




Unterstützerseite für Politikwechsel

Die Beteiligung der Nutzer als ständig präsenter Hintergedanke findet sich auch auf einer eigenen Unterstützerseite. Hier kann man die SPD Hessen „beim Politikwechsel unterstützen“, die Internetadresse lautet ganz passend mitmachen.spd-hessen.de.


Bisher Informationen von oben nach unten

Dass Schäfer-Gümbel und Koch den Netznutzern online so weit entgegenkommen ist ein Novum in Hessen. Die bisherige Führung des Onlinewahlkampfes war gekennzeichnet durch die Vermittlung von Informationen von oben nach unten, von der Partei zu ihren Wählern. Ein Zuhören, eine Rückkoppelung fand dabei nicht statt – die Informationen fuhren in eine Einbahnstraße.

Christian Jung und Malte Krohn. Die Autoren studieren Politik- und Sozialwissenschaften an der Universität Gießen und untersuchen den Internetwahlkampf bei der Hessenwahl 2009 auf ihrem Blog www.homopoliticus.de

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