Blue State Digital – das ist das Unternehmen, das hinter Obamas legendärer Online-Kampagne steht. Die Gründer Thomas Gensemer und Macon Phillips entwickelten die Community-Software "Partybuilder" und waren bereits 2004 für die Howard-Dean-Kampagne aktiv, die heute als die erste wirkliche politische Online-Kampagne gilt. Für politik-digital.de besuchte Henrik Flor die Firma in Washington.

Die Hauptstadtrepräsentanz in der 15th Street liegt nur einen Steinwurf vom Weißen Haus entfernt – doch Thomas Gensemer gibt sich im Gespräch mit politik-digital.de bescheiden. Nachdem seine beiden laut kläffenden Mischlinge aus dem Büro gescheucht wurden, erzählt er, dass man doch nur „Barack Obamas Fan Club online“ auf die Beine gestellt hätte. Entscheidend sei vor allem gewesen, dass Obamas PR-Team klar war, dass die Online-Kampagne zu einem Herzstück der Wahlkampf werden musste.

Warten auf Mr. Right

Die elektronischen Tools, allen voran der von Blue State Digital entwickelte "Partybuilder", standen bereit. Das Kunststück bestand darin, innerhalb von 22 Monaten 20 Prozent der demokratischen Wähler online zu organisieren und mobilisieren. Und das funktionierte vor allem durch die Person Obama und seine Botschaft, die auch in digitale Formate übersetzt werden konnte.

Inzwischen dirigiert ein eigener Online-Stab im Weißen Haus die digitale Kommunikation des Präsidenten. "Organizing for America", das Nachfolgeprojekt der Demokratischen Partei, leitet aber nach wie vor Blue State Digital. Ende 2010 sind bereits die ‘midterm elections’, in denen neue Kongressmitglieder und Gouverneure bestimmt werden. Und so werden die Unterstützer weiterhin mit regelmäßigen Videoansprachen und Mailings angesprochen.

Das Konzept scheint aufzugehen: Die Parteianhänger bleiben aktiv und spenden, auch wenn etwas von der Leidenschaft fehlt, die den Präsidentschaftswahlkampf begleitet hat. Die Infrastruktur existiert und funktioniert weiter. Das ist etwas anderes als die Politikverdrossenheit, die vor Obama noch herrschte.

Die Krise als Chance

Dass die New-Media-Experten auch eine Menge politischen Einfluss bekommen haben, scheint Gensemer nicht besonders zu interessieren. Ihm sei es wichtiger, dass andere potenzielle Kunden verstünden, dass die Taktik und die Instrumente, die beim Obama-Wahlkampf erfolgreich waren, auch auf jede andere Branche übertragbar sind, die im weitesten Sinne mit "community organizing" zu tun hat.

Inzwischen arbeiten das amerikanische Rote Kreuz, Al Gores Klimakampagne oder Gewerkschaften mit dem Partybuilder. Ein Brückenkopf in London hat die ersten europäischen Kunden akquiriert, darunter auch der (unterlegene) Londoner Bürgermeisterkandidat Ken Livingston.

Die weltweite Wirtschaftskrise spielt Blue State Digital dabei sogar in die Hände. Viele Institutionen suchen derzeit nach effektiveren Marketinginstrumenten. Und so sind beispielsweise diverse US-Universitäten dabei, das Fundraising im Bereich Alumnis mit der Community-Software neu zu organisieren. Diese wird übrigens von einem 45-köpfigen Technology-Team laufend weiterentwickelt.

Video wird wichtiger

Angesprochen auf den Präsidentschaftswahlkampf 2012 wagt Gensemer eine Prognose: Video werde als Format noch wichtiger werden. Ansonsten sei es schwer zu sagen, was bis dahin an neuen Technologien und Businessmodellen entwickelt wird, an die man andocken kann (wie jetzt etwa bei Facebook).

Entscheidend bleibe daher die Frage, wie gewinnt man die Gunst der potenziellen Unterstützer und wie gelingt es, dass Unterstützer weitere Unterstützer gewinnen. Das Budget für die Online-Kampagne dürfe gerne auch etwas größer werden als die heute üblichen 5 Prozent. Schließlich geht es ja um das Geschäft und nicht die Macht.