Dank WikiLeaks ist das Prinzip des Whistleblowing bekannt geworden. Nun positionieren sich erste Nachahmer im Netz. Neben der New York Times gehen erste deutsche Ableger online. 

Für den Politikwissenschaftler Dr. Christoph Bieber hatte sich die Weiterentwicklung von Enthüllungsplattformen bereits mit den Differenzen zwischen Julian Assange und dem ehemaligen WikiLeaks-Sprecher für Deutschland Daniel Domscheit-Berg angekündigt. Für Bieber spielen dabei vor allem zwei Aspekte eine Rolle: "Einerseits die Glaubwürdigkeit der Empfänger ‘geleakter’ Informationen – hier könnten etablierte Medienanbieter im Vorteil sein. Auf der anderen Seite steht die technische Umsetzung solcher Plattformen, die einen ausreichenden Schutz der Informanten garantiert. Dies scheint der Bereich zu sein, in dem sich Anbieter wie ‘OpenLeaks’ verorten und wo sie sich durchaus behaupten können." 

OpenLeaks

Daniel Domscheit-Berg gründete kürzlich mit anderen ehemaligen WikiLeaks-Mitarbeitern und Gleichgesinnten die Whistleblowing-Plattform OpenLeaks. Auf der am vergangenen Mittwoch (26.1.) gelaunchten Webseite heißt es, dass es das wesentliche Ziel sei, das Whistleblowing populärer und sicherer zu machen und das dafür benötigte Know-how zur Verfügung
zu stellen. OpenLeaks will Gesicht zeigen, mit transparenten Strukturen und klaren Verantwortungen. 

In einem Interview auf der DLD 2011 in München legte Domscheit-Berg dar, dass sich OpenLeaks als reiner Dienstleister verstehe, der es "ermöglicht, dass anonyme Quellen Informationen an Dritte weitergeben können. Diese Dritten sind dann […] Partner, mit denen wir zusammenarbeiten und diese Partner sind etablierte Organisationen wie verschiedene Nichtregierungsorganisationen, die Medien, vielleicht Gewerkschaften." Das bedeutet, dass nicht die OpenLeaks-Mitarbeiter selbst geheimes Material sichten und über die Veröffentlichung entscheiden, sondern allein die OpenLeaks-Partner. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu WikiLeaks, wo die Plattformbetreiber selbst das Material bearbeiten. Der Testbetrieb von OpenLeaks wird vermutlich bis Jahresende andauern.

GreenLeaks

Bereits am 24.1.2011 eröffnete GreenLeaks seine Pforten. Der in Berlin lebende australische Anwalt Scott Millwood wird als Redakteur des Angebots geführt. Das Hauptziel der von Journalisten, Anwälten und Umweltaktivisten gegründeten Plattform ist es, Missstände auf lokaler und globaler Ebene rund um die Themen Umwelt, Klima und Verbraucherschutz publik zu machen. Die Webseite wirkt noch sehr aufgeräumt und beinhaltet derzeit keine News oder Dokumente. Informationen sollen per elektronischer Dropbox übermittelt werden können.

Al Jazeera

Ebenfalls im Januar ging Al Jazeera mit seinem Angebot "Al Jazeera Transparency Unit" (AJTU) online. Über die Webseite können Daten jedweden Inhalts in anonymisierter und verschlüsselter Form (Dokumente, Fotos, Audio- & Videoclips etc.) übermittelt werden. Dies geschieht per elektronischer Dropbox, die auch bei WikiLeaks genutzt wird. Diese Inhalte werden, wenn von Interesse, redaktionell bearbeitet und im Internet herausgegeben und/oder per TV-Übertragung in Englisch und Arabisch ausgestrahlt. Ein erster Coup gelang Al Jazeera bereits mit der Veröffentlichung der "Palestinian Papers", eine umfangreiche Sammlung von über 1600 Akten, die geheime Verhandlungen von Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde dokumentieren. Die in Zusammenarbeit mit dem Guardian publizierten Dokumente bergen viel politische Brisanz.

New York Times

Auch die New York Times will angeblich auf den Zug der Whistleblower aufspringen. Sie prüft derzeit Optionen für die Einführung eines hausinternen Angebots, das Informanten die Übermittlung von vertraulichen Dokumenten ermöglicht.

Weitere Plattformen

In
Brüssel wurde bereits im Dezember von Journalisten und EU-Insidern das Projekt Brussel Leaks ins Leben gerufen. Die Betreiber wollen mehr Aufklärung und Transparenz rund um die EU-Politik in Brüssel in den politischen Hinterzimmern leisten. Auch die WAZ-Mediengruppe bietet schon seit langem ein Portal an, mit dem Bürger anonym Dokumente, Filme oder Verträge veröffentlichen können, um Missstände in Politik und Gesellschaft offenzulegen. Um über weitere Entwicklungen auf diesem Gebiet auf dem Laufenden zu bleiben, empfiehlt sich der Blog des Whistleblower Netzwerks.

Hinweis: Dr. Christoph Bieber ist Mitglied des Vorstands von pol-di.net e.V.

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