Die FDP profiliert sich derzeit als liberale netzpolitische Alternative. Mit ihrer Forderung nach weniger Staat und mehr Wettbewerb im Internet grenzt sich die Partei von der Konkurrenz linkerseits ab. Allerdings muss sie sich als Regierungspartei auch an der (netz)politischen Tagespolitik messen lassen. In der Serie "Parteien im Netz" nimmt politik-digital.de in loser Folge die fünf im Bundestag vertretenen Fraktionen unter die digitale Lupe: Wo stehen sie netzpolitisch? Wie organisieren sie sich im Web? Und: Wer sind die Köpfe dahinter?

Gütesiegel Datenschutz

Datenschutz sei ein wichtiger liberaler Grundwert in der Netzpolitik, erklärt Manuel Höferlin, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der FDP-Arbeitsgruppe "IT und Informationsgesellschaft", im Gespräch mit politik-digital.de: "Jeder muss darüber informiert werden, was mit seinen Daten geschieht", so Höferlin weiter. Daher vereinbarte die FDP zusammen mit der CDU/CSU die Gründung einer "Stiftung Datenschutz". Diese solle sowohl Aufklärungsarbeit zum "Selbstdatenschutz" leisten als auch "Dienstleistungen und Produkte auf Datenschutzfreundlichkeit prüfen", heißt es im Koalitionsvertrag vom 26. Oktober 2009. Passiert ist seitdem wenig. Eckpunkte zur Ausgestaltung der Stiftung seien Höferlin zufolge immer noch in Arbeit. Laut einem politik-digital.de vorliegendem Eckpunktepapier der Fraktion plant die FDP auch die Einführung von "Datenschutz-Gütesiegeln". Mit diesem Vorhaben scheiterte die CDU/CSU-Fraktion – damals noch mit der SPD als Koalitionspartner – bereits in der vergangenen Legislaturperiode von 2005 bis 2009.

Gesetzesrahmen ausschöpfen

Kriminalität wolle die FDP nach dem Prinzip online wie offline bekämpfen, so Höferlin zu politik-digital.de. Die meisten Fälle von Kriminalität im Internet seien "weitestgehend strafrechtlich bewehrt", weil sie auch in der "Offline-Welt" geahndet würden. Als Beispiele nannte er unter anderen Datenmissbrauch, Volksverhetzung und "verbotene Formen von Pornografie". Hier gelte es zunächst auf vorhandene Gesetze zurückzugreifen, bevor man "übereilte Regelungen für einzelne Sachverhalte schafft". Trotzdem beobachte man weiterhin aufmerksam, wo es "Rechtslücken im weltweiten Netz" zu schließen gebe, so Höferlin.

 

Koalitionsvertrag 2009

 

Schwarz-Gelbe Kompromisse

In der Abstimmung im Bundestag über das Zugangserschwerungsgesetz im Juni 2009 positionierte sich die damalige Oppositionspartei FDP mit 88,5 Prozent ihrer Abgeordnetenstimmen contra Netzsperren. In den Koalitionsverhandlungen – nun Regierungspartei – erzielten die Liberalen den Kompromiss einer einjährigen Aussetzung des Gesetzes unter der Prämisse "Löschen statt Sperren". Unterm Strich besteht die gesetzliche Infrastruktur für Internetsperren aber weiterhin. Auch eine Gesetzesinitiative, die eine klare Neuregelung beinhaltet, bleibt die FDP bislang schuldig. Hier wartet man wohl die im Koalitionsvertrag vereinbarte Evaluation und "ergebnisoffene Neubewertung" der Situation ab. Diese solle nach einem Jahr "Löschen statt Sperren" vorgenommen werden.

Es gilt das Wettbewerbsprinzip

In "Die Mitte stärken.", dem FDP-Wahlprogramm für die Bundestagswahlen 2009, ist von der Forderung nach "mehr Wettbewerb" beim Breitband-Ausbau zu lesen. Dies zu gewährleisten müsse Aufgabe des Staates sein. Laut Wahlprogramm führe der Weg zur "Internetrepublik Deutschland" nicht über "gesetzliche Universaldienstverpflichtungen bei der Breitbandversorgung", sondern über Zusammenarbeit von Unternehmen und bessere Information über mögliche Zugangstechnologien.

"Das Prinzip des freien Wettbewerbs" gelte laut Höferlin auch für die Verwendung von Open Source-Software. "Quelloffene Programmierungen" hält er für innovativ und unterstützenswert. Am Ende entscheide jedoch der Markt, was das Beste ist.

Nein zur kulturellen Pauschalabgabe

Nach Auskunft von Höferlin sei die Frage des Urheberrechts eine in der FDP "intensiv geführte Debatte", deren Ausgang noch offen sei. Wichtig für ihn: Der Autor soll die Entscheidungsgewalt darüber behalten, was mit seinem Werk geschehen darf.

Eine "Kulturflatrate" ist für die Liberalen jedenfalls keine Antwort auf Urheberrechtsfragen. FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bezeichnete eine solche Idee in ihrer "Berliner Rede zum Urheberrecht" jüngst als eine "Zwangskollektivierung der Rechte". Die Kulturflatrate, so Leutheusser-Schnarrenberger, hätte einen "gewaltigen Verteilungskampf der Urheber um die Einnahmen zur Folge". Laut der Justizministerin helfe gegen Urheberrechtsverletzungen vor allem ein funktionierendes legales Angebot. "Wenn der Markt versagt, gedeiht der Schwarzmarkt", betonte sie in ihrer Rede.

Ja zum Leistungsschutzrecht

Umstritten ist in diesem Kontext auch die von der FDP geplante Einführung eines Leistungsschutzrechtes. Das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Vorhaben wird von Urheberrechtsexperten, Journalisten und Bloggern kritisch beäugt. Durch das Leistungsschutzrecht sollen "Presseerzeugnisse" der Verlage vor gewerblicher Fremdnutzung bewahrt werden. Dies beträfe zum Beispiel Portale wie "Google News". Wer also Inhalte Anderer "in einer Weise ausnutzt, die über das bloße Verlinken weit hinausgeht" (Leutheusser-Schnarrenberger) müsste in Zukunft in eine sogenannte "Verwertungsgesellschaft" einzahlen. Bedenken hegen Kritiker vor allem aufgrund des bislang ungeklärten Begriffs des "Presseerzeugnisses". "Was darf ich zukünftig auf meinem Blog zitieren?", fragen sich Blogautoren deshalb. Journalisten sind besorgt, ob sie durch die geplante Regelung die Rechte an ihren Texten an Verlage verlieren könnten.

Elektronisches Petitionsrecht stärken

Die FDP setzt sich für eine Erweiterung des Petitionsrechts auf Bundesebene ein. "Massenpetitionen", ist im Koalitionsvertrag zu lesen, sollen in Zukunft im "Plenum des deutschen Bundestages" behandelt werden. Gesetzlich verankern wolle man dies nach der Sommerpause, deutete FDP-MdB Jimmy Schulz in einer Rede zum Thema Petitionen an. Die Liberalen fordern die Anhörung im Plenum, sobald eine Petition innerhalb von zwei Monaten 100.000 Mitzeichner erreicht hat, erläutert Höferlin gegenüber politik-digital.de. Die Online-Petition bezeichnet er in diesem Zusammenhang als "das nahezu perfekte Vehikel für Demokratie".

 

Online-Petition

Open Data unter Vorbehalt des Datenschutzes

Höferlin erklärt "Datentransparenz" zum Ziel liberaler Politik. Die "Offenlegung staatlicher Datensammlungen" sei aber nur unter Wahrung des Datenschutzes sinnvoll. Er stellt deshalb zum Beispiel die schwedische Praxis, Steuerdaten eines jeden Bürgers frei zugänglichen zu machen, in Frage.

Apropos Datenschutz: Die FDP-Europaparlamentarier stimmten jüngst für das datenschutzrechtlich umstrittene SWIFT-Abkommen, das eine Weitergabe von Daten über Banktransaktionen auch in die USA ermöglicht. In einer Bundestagsrede im April 2010 forderte Jimmy Schulz noch ausdrücklich ein "hohes Datenschutzniveau beim SWIFT-Abkommen". In einer Pressemitteilung vom 8. Juli bezeichnen die Liberalen den SWIFT-Kompromiss nun als "respektabel". Trotzdem gesteht man sich im dazugehörigen Faktenpapier der FDP-Bundestagsfraktion ein, dass die zentrale Forderung nach einer Speicherfristverkürzung der Daten nicht durchgesetzt werden konnte.

Liberale Ideen sozial vernetzt

Erste FDP-Adresse im Netz ist das "Portal-Liberal". Der Besucher findet hier eigentlich alles, was die Liberalen von Information bis Partizipation zu bieten haben. Podcasts, Blogs, Diskussionsforen und Verlinkungen zu weiteren Angeboten und Aktionen der Liberalen im Netz nutzen die Möglichkeiten des Web 2.0.

Unter my.fdp.de können sich nicht nur Parteimitglieder, sondern auch "Freidenker", so der Name für Nicht-Parteimitglieder im Portal, vernetzen. Über 45.000 "Freunde der Freiheit" (Stand: 28. Juli 2010) können hier an Debatten und Fundraising-Kampagnen teilnehmen oder die "Liberale Stellenbörse" nutzen.

 

myfdp

Einen neuen Weg in der Online-Partizipation innerhalb der Partei beschreiten die Freidemokraten mit ihrem Internetlandesverband "FDP LV Net". Seit dem Jahr 2000 können sich hier Liberale, die wenig Zeit haben oder im Ausland leben, parteipolitisch engagieren. Derzeit kämpft die 560 Mitglieder zählende Gemeinschaft (Stand: 17.06.2010) um ein Antragsrecht beim Bundesparteitag.

Das Projekt zeige, dass „digitale Willensbildung funktioniert", so Höferlin, Vorsitzender des LV Net, zu politik-digital.de. Stolz sei der Internetlandesverband auf den Aufbau von Erfahrung im Bereich der E-Demokratie und deren Umsetzung auf seinen Onlineplattformen. Ziel sei es, E-Partizipation und E-Government in der FDP langfristig „weiterzuentwickeln und zu fördern", so Höferlin.

Beachtenswert ist zudem die Online-Begleitung der Enquête-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft". Das FDP-Fraktions-Blog "Open-Enquête" bietet übersichtlich aufbereitet Aktuelles, Hintergrundinformationen und eine Schnittstelle für Soziale Netzwerke. Hier finden sich auch exklusive Beiträge wie zum Beispiel ein "Best-of"-Video der Diskussion zur Netzneutralität. Die offizielle Webseite der Internet-Enquête kann da (noch) nicht mithalten.

Drei "vom Fach"

In Sachen Netzpolitik setzt die FDP auf handwerkliche Kompetenz. Die drei FDP-Vertreter in der Internet-Enquête im Bundestag Manuel Höferlin, Jimmy Schulz und Sebastian Blumenthal kommen aus der IT-Branche.

gefunden auf: bundestag.de © Manuel Höferlin / Michael VoigtManuel Höferlin ist Vorsitzender der FDP-Arbeitsgruppe "IT und Informationsgesellschaft" und des Internet-Landesverbandes. In Sachen Netzpolitik ist er erster Ansprechpartner bei den Liberalen. Der bekennende Linux-Fan war Gewinner des politik-digital.de-"Enquête-Mitglieder-Tests".

gefunden auf: bundestag.de © Sebastian Blumenthal / Studio Line PhotographyBei der Arbeit in der Enquête will Sebastian Blumenthal seinen Schwerpunkt vor allem auf Medienkompetenz legen, sagt er in seiner Vorstellung auf open-enquete.de. Der "aufgeklärte Nutzer" erfordere weniger staatliche Regulierung im Netz. Blumenthal ist zudem Vositzender des Unterausschusses "Neue Medien".

gefunden auf: bundestag.de © Jimmy Schulz/Christine OlmaAufmerksamkeit erregte jüngst Jimmy Schulz mit seiner "iPad-Rede" vor dem deutschen Bundestag. Der eigentliche Inhalt der Rede war die "Europäische Bürgerinitiative". Die ging aber in der durch das iPad ausgelösten Debatte um die Benutzung von Mobiltelefonen und Notebooks im Bundestag völlig unter. Neben der Enquête ist auch Schulz im "Unterausschuss Neue Medien" aktiv. Zudem tritt er als Redner auf Demonstrationen auf, wie zum Beispiel bei der "Löschen statt Sperren"-Demo 2009.

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