Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen, wir das Telefonino spüren? Wo die Menschen dem Internet entfliehen, dahin, dahin möcht ich mit dir, o Leser, zieh´n. Ein Blick auf den italienischen Datenschutz zwischen dolce vita und vita digitale.

Ciao bella Italia

Lange hatte man auf ein Lebenszeichen gewartet. Am 30. April 1986 war es dann endlich so weit: Das erste Internetsignal aus den Wäldern Pennsylvanias erreichte den Schiefen Turm von Pisa. Anlässlich dieses Geburtstages blickte Italien mit dem Internet Day 2016 auf die Ursprünge des Netzes zurück.

Buongiorno Italia, der Anfang war gelegt. Mit Sieben-Meilen-Stiefeln machten sich die italienischen Netzpioniere daran, die Möglichkeiten dieser neuen Welt auszukundschaften. Im Jahre 1990, als das Centro di ricerca, sviluppo e studi superiori in Sardegna – kurz CRS4 – gegründet wurde, begann das Internet immer größere Schritte zu machen. Unter der Leitung des Physiknobelpreisträgers Carlo Rubbia entstand mit www.crs4.it die erste Website im Bel Paese. Neben Informationen über Museen und Kunst in 26 Sprachen bot die Website auch Chatforen, einen kommerziellen E-Mail-Dienst und einen regelmäßigen Newsletter. Nicht zuletzt brachte das CRS4 den auf der Insel verbreiteten L´Unione Sarda online, als erste Zeitung überhaupt in Europa. Besonders wichtig war diese Quelle natürlich für die Fußballergebnisse und den Sport allgemein, welchen die Wissenschaftler auf einer der ersten Sportseiten im Netz mitverfolgten.

Schon damals ärgerten sich diese Sportfans über das Zeitspiel beim Laden. Der Download eines einzigen mp3 Liedes dauerte zu dieser Zeit über 20 Minuten. Deshalb förderte das Projekt Socrate der Società Italiana per l’Esercizio Telefonico bereits 1995 die Versorgung ganz Italiens mit Breitband. Jedoch machte dieses Vorhaben und das Gesamtprojekt Internet in Italien mit der Privatisierung der italienischen Telecom 1998 einen großen Rückschritt.

Nichts geht über die Familie

Familien sind traditionell immer noch die größten sozialen Netzwerke in Italien. Nichts geht über die eigene Familie mit ihrer teils unüberschaubaren Zahl an Mitgliedern, Verbindungen und Traditionen. Über 95% der italienischen Unternehmen sind nach wie vor kleine Familienunternehmen mit nicht viel mehr als 10 Angestellten. Viele Angelegenheiten werden lieber zwischen Verwandten intern gelöst. Daher wundert es nicht, dass nur etwa 45% der Bevölkerung ihrer Regierung im Umgang mit persönlichen Daten vertrauen.

Auch dem neuen Medium Internet begegnen viele mit Skepsis. Mehr als ein Drittel aller Italiener nutzt das Internet so gut wie überhaupt nicht. Meist sind die Gründe dafür fehlende Bildung, fehlende Aufklärung über die Möglichkeiten oder schlicht der fehlende Bedarf.

Wenn Italiener kommunizieren wollen, gehen sie lieber eine besondere Beziehung ein. In vermutlich keinem anderem Land der Welt ist die Liebe zum Handy oder Smartphone so groß. Praktisch jeder Italiener besitzt mindestens ein Telefonino, wie sie die kleinen Geräte liebevoll nennen, die sie fast von Geburt an begleiten. Häufig sind aber auch zwei und mehr mobile Telefone keine Seltenheit für das gesprächsfreudige Volk. Über 97 Milliarden Minuten widmete die Telefonnation ihren Beziehungen im letzten Jahr. Natürlich ist nicht jede davon glücklich. Waren früher noch große Degengefechte und Giftanschläge zwischen den Montagues und Capulets nötig, genügt heute eine falsche Whatsapp Nachricht um Romeo und Julia auseinanderzubringen. Über 40% der Scheidungen in Italien gehen momentan auf Whatsapp zurück und Messaging-Nachrichten sind sogar vor Gericht als Beweismittel für heimliche Affären zugelassen.

Genau so familiär geht es auch bei der italienischen Datenschutzbehörde zu. Gerade einmal vier Mitglieder hat die Garante per la protezione dei dati personali, kurz Garante. Sie werden einmalig für eine Amtszeit von sieben Jahren durch das Parlament gewählt und üben ihr Amt unabhängig aus. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Einhaltung des Datenschutzgesetzes von 2003 zu überwachen. Angesichts von über sechs verschiedenen Regierungen allein in der Amtszeit des ersten Präsidenten des Garante ist dies jedoch nicht einfach. Bisher liegt das Land auf einem der letzten Plätze des Digital Economy and Society Index der europäischen Union.

Alle Wege führen ins Netz

Italien ist ein Land voll langer Geschichte und großen Traditionen, aber auch veralteter Strukturen. Letzteres hat auch der derzeitige Ministerpräsident Matteo Renzi erkannt. Bis zum Jahre 2020 forciert er den Plan einer Mindestdatenübertragung von 30 Mbits/s im Land und sogar 100 Mbits/s in den großen Zentren.

Vielleicht ist das Internet aber doch nicht so innovativ, modern wie bisher angenommen. In Civitacampomorano, einem 450 Einwohner-Dorf in Molise, macht der Künstler Biancoshock mit seinem Projekt Web 0.0 darauf aufmerksam. Getweetet wird nicht per Smartphone sondern mündlich auf der Parkbank neben dem großen Facebook auf dem Dorfplatz. Retweeten kann man das Gehörte bei einem Glas Wein beim Wirt im Google oder aber rasch noch bei Ebay (vulgo Supermarkt) reinspringen und die passenden Gadgets für das nächste Tinder zu Sonnenuntergang im Park kaufen. Wer auf den Rat der weisen Dorfältesten – Spitzname Wikipedia – hört, dem ist ein Like so gut wie sicher. Es wird deutlich, dass das Internet die Welt nicht neu erfunden hat. Sondern es hat nur den Bedürfnissen der Menschen nach Kommunikation und Kultur neue Möglichkeiten gegeben. Diese Chancen müssen in der derzeitigen Krise erkannt und für die Zukunft genutzt werden. Fratelli d´Italia, Italien hat sich eingeloggt. Es ist eine große Aufgabe, die vor Italien liegt, doch auch das Internet wurde nicht an einem Tag vernetzt.

Titelbild Hans via Pixabay licensed CCO

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