Die CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestags veröffentlichte am Dienstag ein Positionspapier zur Sicherheits- und Freiheitsdebatte im Internet. Der Koalitionspartner, Opposition und Netzgemeinschaft reagieren mit teilweise harscher Kritik.

Das von der "Arbeitsgruppe Innen" erstellte Papier mit dem Namen "Die Freiheit des Internet sichern und erhalten" beinhaltet derzeit heftig diskutierte Themen wie die Klarnamendebatte, Vorratsdatenspeicherung oder Überlegungen zum Schutz vor Cyberwarangriffen. Die Autoren sehen Nachholbedarf in der Gestaltung der Netzstrukturen und polemisieren gleichzeitig gegen die "wenigen Meinungsmacher oder selbsternannten Netzaktivisten", die den Diskurs um Freiheit und Sicherheit im Netz dominierten. Man müsse verhindern, dass die Zukunft des Internet von einer digitalen Avantgarde bestimmt werde. Als Spitze gegen die digitale Freiheitsbewegung kann folgende Aussage verstanden werden: "Wer Mobbing, Betrug, Einbruch, Kinderpornografie oder Diebstahl als unvermeidliche Nebenwirkung einer unbeschränkten Freiheit im Internet akzeptiert, untergräbt das Vertrauen in das Netz." Ohne Vertrauen in die Durchsetzung von Recht und Ordnung würde sich die gesellschaftliche Akzeptanz des Internet dauerhaft nicht erhöhen, heißt es darüber hinaus in dem Papier. Der Staat brauche daher "effektive Werkzeuge, um Rechtsverstöße im Internet zu unterbinden und zu ahnden" und müsse auch im Netz handlungsfähig werden. In Anlehnung an den bekannten Ausspruch Wilhelm von Humboldts konstatieren die Verfasser, dass sich Freiheit nur in Sicherheit entfalten könne. Darin lässt sich ein Plädoyer für die von Innenminister Friedrich kürzlich wieder geforderte Vorratsdatenspeicherung erkennen. Zumal die Sicherheitsvorfälle der vergangenen Monate gezeigt hätten, "dass das Internet kein gefahrloser Raum" und "eine kritische Infrastruktur" sei.

Gleichwohl ziehen die Autoren Selbstregulierung in Form von Kodizes staatlicher Regulierung vor und wollen keine Fürsorgepolitik betreiben. „Wer unsichere E-Mails schreibt, die Rotlichtbezirke des Internet frequentiert, seine Computer und Netze nicht gegen Viren und andere Schadprogramme schützt oder sein gesamtes Privatleben im Internet verbreitet" dürfe sich nicht über den Missbrauch persönlicher Daten wundern. Der Staat solle vielmehr lediglich Sicherheitsempfehlungen abgeben und die Eigenverantwortung der Bürger stärken. Allerdings sei eine staatliche Intervention dann legitim, wenn die Nutzer und Betreiber mit dem Schutz vor Bedrohungen im Netz überfordert sind. Des Weiteren betonen die Autoren die Gefahren, die durch Cyberwar und Cyberterror ausgingen. Angesichts der Bedeutung des Internet für die Infrastruktur des Landes müssten geeignete Schutzmaßnahmen ergriffen werden und im Notfall dürfe auf "keine Option zur Gefahrenabwehr verzichtet werden". Welche Maßnahmen damit gemeint sind, geht aus dem Papier nicht hervor.

Ferner stellen die Verfasser das häufig eingefordertere Recht auf Anonymität im Netz in Frage. Eine offene und transparente Gesellschaft zeichne sich dadurch aus, dass die Bürger unter Preisgabe ihrer realen Identität am öffentlichen Willensbildungsprozess partizipierten. Demgemäß resümieren sie, dass die Gesellschaft eine "Kultur der Offenheit" und "keine Foren, die sich in die Feigheit der Anonymität flüchten", brauche. Eine anonyme Teilhabe am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess sei daher abzulehnen. Mit dieser Forderung dürften die Autoren jedoch an die Grenzen des Telemediengesetzes stoßen.

Über die Thesen und Forderungen des Positionspapiers hat sich in den vergangenen Tagen eine lebhafte Diskussion entwickelt. Der netzpolitische Aktivist Markus Beckedahl stellt die Frage, ob die CDU/CSU in Anbetracht der Äußerungen zur Anonymitätsdebatte nun das Prinzip der geheimen Wahl abschaffen wolle. Der Bundesvorsitzende der Piratenpartei Sebastian Nerz sieht in der Anonymität eine Voraussetzung für freie Meinungsäußerungen. Widerstand regt sich aber auch in den eigenen Reihen. Die Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär (CSU) und Peter Tauber (CDU) gehörten zu den Unterzeichnern eines kürzlich veröffentlichten offenen Briefs an Google+, der das Unternehmen aufforderte, die anonyme Nutzung des Dienstes zuzulassen. Auch in der Frage der Vorratsdatenspeicherung ist die schwarz-gelbe Koalition uneins. Während Innenminister Friedrich den Nutzen der Vorratsdatenspeicherung anpreist, lehnt das Justizministerium unter Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine anlasslose Speicherung sämtlicher Nutzerdaten ab. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion scheint sich mit diesem Positionspapier in der Debatte eindeutig positionieren zu wollen.

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